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Albmarathon Autor: StefanReinhardt
E-Mail: stefan-reinhardt@gmx.net |
Letzter, und trotzdem nicht besiegt |
Der Albmarathon, eigentlich ein irreführender Name, es handelt sich um einen ausgewachsenen Ultra mit 50km und 1100 Höhenmetern. Bei km 25,6 wird allerdings ein Zwischenziel geboten, mit der Möglichkeit auszusteigen und mit dem Bus zurückzufahren. Ganz optimistisch habe ich mich vorsichtshalber für die 50 km angemeldet, wer weiß, vielleicht läufts ja einfach. Goldener Herbst, Kaiserwetter und drei Kaiserberge, einfach ein herrlicher Tag zum Laufen. Nach dem Startschuss ließ ich mich schnell zurückfallen, nach 2 Kilometern war ich bereits an letzter Stelle. Nur zwei ältere Herren waren noch in Sicht, sie sollten mich über meinen ganzen Lauf begleiten. Es ging schnell aus der Stadt heraus in den Wald, anfangs noch Strasse. Eine erste kleine Steigung, hm, Erwin hatte doch gesagt, die ersten 5km wären flach. Naja. Nach der ersten Verpflegungsstelle ging es dann aber auch richtig bergauf, die erste größere Stufe. Immer noch auf der Strasse, teilweise im Wald, bunte Laubbäume und wärmende Sonnenstrahlen. Endlich die Burg in Sicht, es wird wieder flacher. Noch ein Stück flach ins nächste Dorf, dann die zweite Verpflegungsstelle. Ich unterhalte mich das erste mal kurz mit den beiden vor mir, sie wollen auch die 50km laufen. Der ältere ist sehr erfahren und hätte auch bei höherem Tempo sicher kein Problem mit der Strecke. Der andere sah mir aber nicht so richtig fit aus. Es geht weiter auf geteerten Wegen, leicht bergab. Der Schlussradler hält sich sehr dezent zurück, immer mit 100-200 Metern Abstand. Die beiden Läufer sind wieder ein paar hundert Meter voraus. So sollte es lange Zeit bleiben. Ich genoss den Lauf wie selten einen Wettkampf, es war einfach so schön ruhig und still. Keine Menschen, keine Zuschauer, dazu die frische Waldluft. Kurz danach eine zweite größere Stufe. Ich gehe im Wald bergauf, erst relativ steil, danach wieder etwas flacher. Der Radler hält sich wieder weit zurück, er tut alles um nicht zu stören oder zu drängeln. Bei der Verpfegungsstelle hält er ein gutes Stück unterhalb. Welch ein Glück so einen Schlussmann zu haben. Es wird wieder flacher, dann der erste Kaiserberg, Hohenstaufen genannt. Schon auf den ersten km habe ich ihn bewundert, mit seinem steilen, fast schon künstlich aufgesetzten und sehr markanten Gipfelaufbau. Der Radler bittet mich oben bescheid zu geben, dass ich der letzte sei. Er hätte keine Lust den steilen Aufstieg zu nehmen. "Klar, mach ich doch gerne". Jetzt ging es ein kurzes Stück doch mächtig steil bergauf. Ein Waldweg führt weiter Richtung Gipfel, plötzlich Schilder die vor Gegenverkehr warnen. Ja laufen wir denn da wirklich nur hoch um den selben Weg wieder runterzulaufen? Einfach nur so zum Spass? Na gut, wenns denn sein muss. Oben melde ich brav dass ich der letzte bin. Bergab lasse ich es richtig laufen und hole schon bald die zwei Vordermänner ein. Wir laufen ein Stück gemeinsam weiter. Etwas wellig geht es in das nächste Dorf. Schon vorher ahne ich wo das Zwischenziel sein wird, auf dem nächsten Gipfel, dem zweiten Kaiserberg. Langsam mache ich mich auch mit dem Gedanken vertraut dort aufzuhören. Die Höhenmeter sitzen doch schon gewaltig in den Knochen. Vor dem heftigen Anstieg zum Rechberg komme nocheinmal mit den beiden anderen ins Gespräch, ich erwähne, dass ich aufhören werde. Der Ältere der beiden wird ganz hektisch, versucht erst mich zu überreden, dann redet er wieder auf seinen Kollegen ein, "auf gehts, jetzt sind wir die Letzten, mach schneller, wir müssen wieder aufholen". Hat er Angst davor letzter zu sein? Ich bin mittlerweile über 20km an letzter Stelle gelaufen und habe selten einen Wettkampf so genossen wie diesen. Ob er seinem Kollegen damit einen Gefallen tut wage ich zu bezweifeln. So gehe ich gemütlich die letzten Meter an, falls man bei der Steigung überhaupt von gemütlich reden kann. Ich denke nocheinmal zurück an den Start, die Kälte, reifbedeckte Wiesen, goldenes Herbstlaub, die herrlichen Aussichten über die Schwäbische Alb. Einer meiner schönsten Läufe geht zu ende, schade eigentlich. Meine zwei unvernünftigen Begleiter ziehen schnaufend davon. Mancheiner läuft halt nur, um sich eine Urkunde an die Wand nageln zu können. Für mich gibt es nur ein Ziel beim Laufen, Spass haben, den Tag geniessen und gesund zurückkommen. Dieser Tag war dazu wie geschaffen, eine schöne Strecke, tolle Landschaften, drei Kaiserberge, von denen ich letztenendes nur zwei betreten sollte, und ein Wetter wie es schöner nicht hätte sein können. Zufrieden nehme ich den Abstieg zur Bushaltestelle. Ich gehe nocheinmal in mich, irgendwie fühle ich mich verändert. Seit dem langen Lauf in Biel (82km in 13 Stunden) fühle ich mich viel ruhiger und gelassener. Gerade so, als könnte mich nichts mehr erschüttern. Bei meinen ersten Wettkämpfen hatte ich noch das Ziel, nicht letzter zu werden, mittlerweile ist mir das völlig egal. Heute bin ich ca. 23km an letzter Stelle gelaufen, stellenweise war kein Läufer mehr in Sicht, im Ziel war ich Letzter, es wurde sogar schon abgebaut. Aber nie hatte ich mich unwohl gefühlt. Im Gegenteil, ich habe den Lauf genossen wie selten einen Lauf zuvor. Zu jedem Zeitpunkt war ich mir sicher, alles richtig zu machen. Das richtige Tempo wählen, mich nicht von anderen beeinflussen zu lassen, und vor allem auch zur rechten Zeit aufzuhören. Biel hat mich nachhaltig verändert, im positiven Sinne. Schon damals hatte ich das Gefühl, dass das ein besonders wertvoller Lauf werden würde, die Nacht der Nächte. Zwei Läuferinnen warten mit mir auf den Bus. Wir sind die Letzten, aber keinesfalls die Besiegten. Grüße, Stefan PS: Noch ein herzliches Dankeschön an die "Rote Laterne", er hat einen großen Anteil an diesem schönen Erlebnis. |