Team Bittel
 

31.07.2004 - Kein Mondschein-Marathon  

Autor:  ErwinBittel   E-Mail: erwin@teambittel.de
Letzte Änderung: 05.08.2004 02:54:03

43,195km plus X – Verlaufen im Nachtwald – Nichts mit durch die Nacht schweben – Und am Ende durch den Acker.



Hallo Freunde der Nacht!

Vielleicht glaubt Ihr auch wie ich an einen romantischen Lauf durch die laue Sommernacht? Sternzeit, Planeten und Milchstrasse, Laufen unter dem Weltraum... Eine grandiose Idee! - Sicher gibt es das. - Irgendwann. Aber es war nicht so beim „1. Vollmond-Marathon“.

Nein, da war es nicht. Wirklich nicht.


Logbuch: Sternzeit Minus 59 - Die seltsamen Begebenheiten beginnen damit, dass mir in Schnaittach etliche Fahrer von fahrzeugen mit weitgereisten Kennzeichen achselzuckend entgegenkommen. Läufer darin, unschwer zu erkennen, schwitzend. Verzweifelt suchen sie nach „Wolfshöhe“ oder einem kleinen Schild „Marathon“. Ich deute an, winke mir zu folgen, weil ich den Start von der Autobahn her sehen konnte und somit weiß wo er sich versteckt.

Sternzeit Minus 54 – Überraschung. Das mit den Parkplätzen: ich komme an und werde 1,5km weiter in ein Dorf geleitet. Wie, 1,5km? – Ja ja. Aha, das Einlaufen ist in diesem Fall integriert. Wie praktisch! Ich trabe bei 30 Grad leicht schwitzend zum Startbereich, natürlich bergauf.

Sternzeit Minus 44 - Ich finde Kinderüberraschung Nr. 2: sechsundzwanzig Minuten Milchstrasse, äh Warteschlange zum Abholen der Startunterlagen. Fällt das Dehnen heute aus? Nein nein. Das Gymnastikmachen ist auch integriert, eben stehend in der Reihe. Wie praktisch, alles integriert hier! Die streckentestende Laufgruppe habe sich (bei Tageslicht!) soeben verlaufen, höre ich herüber. Alles sei aber bereinigt, nur, wer durch ein Tunnel laufe würde falsch laufen. Aha. - Eine nette (aber nur eine) Dame verteilt freundlich Shirt, Gaben und Bons. Danke! Ich bin lange nicht der Letzte. „Wird jetzt der Start nach hinten verlegt?“ frage ich. – „Nein, im Gegenteil, alle starten gemeinsam“.

Sternzeit Minus 18 - Einlaufen die zweite - schon flotter. Ich bringe den Beutel zum Auto, ziehe das viel zu warme Fucktionsshirt im Laufen heraus, entscheide Nein, dieses nicht und will mir eiligst die Startnummer an mein Shirt sticken. Überraschung 3! Wir sollen die Startnummer mit Grashalmen anbinden, denn im Beutel sind keine Nadeln. Ich aber habe, listigerweise Sicherheitsnadeln im Auto. Ha, mich kriegt Ihr nicht dran! Und sogar noch ein paar in Reserve für den verloren dreinblickenden jungen Erstling im Auto neben mir. – Hurtig zurück zum Start. Einlaufen die dritte. Hey, echt prrraktisch. Und wann kommt die erste Wasser-Stelle?

Sternzeit Minus 3 – Eilige Grüße für Lauffreunde und Bekannte im Vorbeigehen. Ich schiebe mich in die Reihe der triefenden (Sch)Weißhemden. Und los geht’s. Pünktlich, ich glaub es nicht, und alle zusammen.

Bald stoße ich auf John. Wir unterhalten uns und beschließen die Jungen Wilden vor uns sich austoben zu lassen. Die kommen alle wieder, sind wir uns einig. „Nicht durch den Tunnel“ habe ich noch im Ohr und schon kommt einer. Wir schütteln lachend den Kopf und ach egal, einfach durch. Vom Zaun brechen wollen wir beide heute eh nichts und traben so dahin. Erster Berg, ich lasse John voraus, mache bergauf langsamer. Wie immer. Bergab sind wir bald wieder zusammen. Immer mit Ruhe. Und so läuft es dahin in der brütenden Hitze am Asphalt. Dann die Kreuzung, Marathon links, Rest rechts. Kurze Verwirrung. Gerade noch die richtige Kurve gekriegt. Es ist heiß. Einige Ecken später (wirkliche Ecken, überraschende Wegbiegungen und sogar Stufen) stehe ich im Laufer Schloss, rätsele und finde nicht hinaus. Ein Pfeil? Ach egal, einfach weiter. - Glück gehabt. Dann geht es wieder dieselbe Strecke zurück. Manchen Lauffreunden klatsche ich freudig die Hand im Vorbeigehen („Hey Du bist Vierter!“), anderen der entgegenkommenden Mehrzahl der Läufer entkomme ich nur knapp. Beinahezusammenstoß heißt das. Uff. Doch ich überlebe und bleibe gut gelaunt. Ich laufe meinen Schritt. Wenn mir etwas später eine Walkerin nicht den Weg gezeigt hätte wäre ich falsch abgebogen. Doch so stoße ich bald auf immer mehr Walker und den Zweitplatzierten. Jetzt bin es ich. Ach egal.

Sternzeit Plus was weiß ich - Immer noch geht mir die Puste nicht aus im „Achtung“ und „Vorsicht“ rufen. Schön, dass die einzelnen Kilometer in weiß an den Bäumen hängen. Ich sammle sie und bin jetzt im Wald. Es wird etwas kühler, noch nicht dunkel, die Verpflegung ist ausreichend wenn auch mager (nur Wasser). Vor mir niemand, hinter mir niemand, überhaupt irgendwie niemand. Ich versuche es mit Gedankenverloren-durch-den-Raum-Schweben. Geht nicht. Immer aufpassen wo geht’s lang! Trotzdem verlaufe ich mich, trete in Schlamm. Das kann es nicht sein. Ich gehe zurück. Nein, ist es doch. Gut, dann eben weiter, noch einmal durch. An einer Kreuzung laufe ich 50m falsch bis man mich zurückholt. Die haben mich nicht gesehen. Irgendwann kommt John wieder und fragt was los ist. Mir vergeht nach einigem Verlaufen (vielleicht 4 min bis jetzt) langsam die Lust. Wie das wohl weiter geht?

Sternzeit Plus ist egal – Mir geht es prima. Ich laufe immer noch dasselbe Tempo. Das kann ich. Ich laufe einfach. Es wird düster im Wald, Nacht. Jede zweite Abzweigung erfordert eine kurze Stehpause, und nach dem roten Pfeil am braunen Boden suchen. Ich passiere das 34er Schild, obwohl ich mir sicher war es bereits einmal gesehen zu haben. Meiner Uhr glaube ich nicht mehr. Ich sehe nach oben. Hey? Aber auch die Sterne und der Mond sind weg. Ich sehe niemanden. Ich folge ab jetzt meinem Instinkt.

Sternzeit plus Vollmond – Wirklich blitzt er einige Momente durch die Wolken. Hey, toll! Ich falle am Feldweg fast hin dabei. Jetzt sehe ich das erleuchtete Ziel, laufe frei und freudig darauf zu und... werde unsanft zum Abbiegen aufgefordert. – Was? Wie? Durch diese unebene Wiese? Ja ja. – Ich beschließe über diesen Hindernissparcour zu gehen, und meine Knöchel zu retten! Dann noch durch parkende Autos (wirklich), den Hang hoch krabbeln (auch wirklich) und endlich wieder festen Boden unter den Füßen.

So, das war’s. „Ziel“.

Stirnrunzelzeit – Ich habe Durst. Und wieder nur Wasser im Ziel? Wasser, ich kann’s nicht mehr sehen, trinke aber doch die Flasche aus. Ich beglückwünsche John zum Sieg, dehne mich ausgiebig und komme wieder auf die Erde zurück. Ich habe Hunger. Jetzt etwas essen. Aber nicht diesen magenzerreißenden Rübeneintopf, oder? Doch. Und außerdem gibt es den nur gegen Essensbon, sagt die Ausschenkerin. Neeeein, mein Kopf kämpft gegen den Gedanken des „integrierten Auslaufens“. Ein Herr der Organisation erhört mich und gibt mir einen Ersatzbon. Danke! Aber oh Schreck - Vegetarier hin oder her - mein Magen mag das Gemüse nicht. Krämpfe. Und was anderes gibt es nicht. Und zum Trinken immer nur Wasser. Langsam trudeln die nächsten Läufer ein, machen dieselben Entdeckungen. Und ich trudle nichts wie weg von hier: integriertes Auslaufen. Keine Lust mehr auf weiteres Integriertes.


Euer Erwin, nicht so recht belustigt.



Infos und weitere detaillierte Berichte unter: www.vollmondmarathon.de
 
[team/fuss.htm]