Team Bittel
 

23.10.2004 - 14. Albmarathon  

Autor:  ErwinBittel   E-Mail: erwin@teambittel.de
Letzte Änderung: 01.11.2004 15:34:57

Ein Herbstlauf aus dem Bilderbuch der Schwäbischen Alb – Bunt, schön warm, prima Organisation – Ist ein Ultra wirklich leichter als ein Marathon???
Ein Hallöle an die Schwaben!

Ja, es ist Herbst. Und Laufen im herbst ist manchmal nass und neblig, windig und kalt. Und jetzt gerade? Nachdem es letztes Jahr so ein schönes Erlebnis war habe ich nur noch den Wetterbericht abgewartet: 17 Grad, Sonne pur, kein Wind. Also: „Go!“

Mit Sonnenaufgang fahren wir los, bei Sonnenuntergang wollen wir heimfahren. Und ohne k.o. zu sein. „From dawn to dusk“- einen ganzen Tag laufen. Für Gundula (25km) wird es ihr erster Lauf über mehr als HM-Distanz sein, für Anne ihr erster Ultra. Zwei Newcomer. Stefan kennt die Distanz schon annähernd. Drei steile Berge, einige Anstiege und vor allem das Bergab erwarten unsere Füße und Beine. Wir treiben im Morgenverkehr bei leiser Musik immer dem Remstal folgend und können gemütlich in Schwäbisch Gmünd ankommen. Wir parken trotz vielen Autos direkt neben der Halle. Glück? Nein, das gehört zu einem Tag wie diesen dazu. Wir melden uns nach in der schön warmen und geräumigen Sporthalle und bestaunen die große Startnummer mit der aufgeklebten Chip-Schleife. 2.100 werden heute mitlaufen, so viele! Besonderes Flair habe ich den Erstlingen angekündigt, etwas anders als bei Stadtmarathons oder 10km-Läufen, sog. „Wettkämpfen“. Mal sehen wie es heute hier wirklich wird. Es ist traditionell wirklich gut gemanagt hier. Ich habe ein gutes Gefühl, doch Erfahrung und Taktik werden nötig sein, denn das Wetter wird etwas warm und es sind laaaange Kilometer. Wer’s nicht glaubt, der zählt mal langsam bis fünfzig.

Ich werde immer wieder gefragt, warum ich die Meinung vertrete, dass Ultra-Laufen leichter wäre als Marathon-Laufen. Anne will es nicht recht glauben ist aber sehr neugierig.

Vor dem Start die Kleidungswahl, Aufwärmgymnastik, eben unsere Zeremonien. Füße versorgt? Unterwegs-Verpflegung? Bordapotheke? Naja, alles müssen wir nicht mitnehmen, vor allem trotz momentaner Kühle: keine Jacke oder lange Hose! Sage ich, und es sollte richtig gewesen sein. Immer gut, wenn einer die Strecke kennt und schon ultra-erfahren ist. Heute bin ich es.

Der Start wird heuer zum ersten Mal am Marktplatz sein, 1km von der Anmeldung erfahren wir. So lernen wir die nette alte kleine Stadt Schwäbisch Gmünd kennen. Hey, hierher könnte man mal zurück kommen. Am Marktplatz eine mittlere Überraschung: eine Menge Leute (fast alle Läufer) stehen vor einer großen Bühne mit live Musikband. Schöne Szenerie vor alten schwäbischen Häuschen unter blauem Himmel. A weng kühl noch. Viele machen kurz vor dem Start die Aufwärmübungen der Fitnesslady da oben mit. Naja, einige. Ich begrüße Uli - der ist auch überall dabei. Wir stehen nicht lange, es ist noch kühl, und los geht’s. Trabe, langsam, durch die Gassen und sauber abgesperrten Strassen, dem kleinen Flüsschen entlang.

Nach 2km das typische Männer-Defilé, links und rechts an den Hecken und Büschen. Ja, das ist so. Wir traben und treffen Stefan. Noch erscheint uns das tempo sehr langsam. Es ist kühl und noch eben. Wir plaudern und kommen mit anderen um uns herum ins Gespräch. Jaja, bestimmt wieder nur wegen der Mädels. Gell # 198? Nach 6km geht es erstmals bergauf, nur leicht. Oben erwartet uns bei km7 die erste Trinkstelle. Leer! Die nächste käme „oben, in 5km“. *schluck*, gut, dass wir langsam angefangen haben und noch nicht sehr schwitzen! Nach 2km reicht uns ein netter Mitläufer eine Flasche Mineralwasser, die er gerade gekauft hat. Hey, das ist fein! Wir trinken sie im Berganstieg hoch zum Hohenstaufen. Wir gehen. Klaro, immer mit der Ruhe, es ist noch weit. Das km10-Schild „fliegt“ an uns vorbei, ich knipse unsere Gelassenheit. Doch Achtung, der Schein trügt, der Pulsmesser zeigt’s: so ohne ist unser Schritt nicht. Flotter Wanderschritt. Ist echt steil hier. Aber es kommt noch dicker, sage ich. Und es wird allmählich warm, vor allem wenn kein Windhauch geht.

Aaah, km12, echt Zeit für Verpflegung. Viele Becher klappern am Boden unter unseren Füßen: die Meute ist durch. Wir stehen eine Weile, verschnaufen, trinken gemütlich warmen Tee oder Iso. Gut, geh’mer weiter. „Vierhundert Höhenmeter hebbeter scho“, ruft uns einer vom Gartenzaun aus zu. Ich liebe die Schwaben.

Traben, Trotten, und schauste-nich haben wir fast den ersten Berg erklommen. Hohenstaufen, 684m. Das Ende sieht steil aus, und deshalb gehen wir es gemächlich ohne Eile hoch. Schnaufen müssen wir dennoch. Besonders heftig ist es kurz vor dem Gipfel. Einige Läufer kommen uns vom Wendepunkt her schon wieder entgegen, blasen entspannt aus den Backen und lassen die Füße rollen. Wir bleiben kurz zum Panorama-Blick über die sonnige Alb stehen, grüßen eine Gruppe staunender Wandersleute. Und von nun an ging’s bergab. Steil abwärts. Zum ersten Mal. Knie schonen!

Immer wieder stakt ein netter Walker mit seinen Stöcken an uns schnaubend und schweißnass vorbei. Dann wieder traben wir an ihm vorbei. Ich erinnere mich an den Birnbaum. Irgendwann muss der doch jetzt kommen Das beschäftigt mich, ob ich mich wohl richtig erinnere. Yes. Also, während die anderen weiterziehen schüttele ich denselben, und hebe ein paar reife kleine grüße saftige Birnen vom Gras auf. Bei km20-Verpflegungsstelle gibt es Haferschleim und Bananen, leicht salzigen aber immer-warmen Tee und es bedient uns Lena; Sie lächelt uns freudig zu. Wir wissen ja eigentlich noch nicht wie sie heißt, doch am nächsten Tag sollte sie uns eine Mail schicken und uns verraten, dass sie seit 6 Jahren jedes Jahr dabei ist. Und den Spaß sieht man ihr an.

Nun geht es am Bergrücken rüber zum Hohenrechberg, dem km25-Ziel. Vorbei am bier-flehenden Walker. Von weitem sehen wir die Ruine und den orangebraun leuchtenden Herbstwald. Gundula denkt in ihrer Euphorie an „50km“, so gut ist sie drauf. Wir nehmen Anlauf, vorbei an leuchtend quietschgelben Rapsfeldern und genießen den kühlenden Windhauch und den Blick. Und die Waldstücke. Unsere Stimmung in der Sechsergruppe ist gut, wir laufen locker und uns ist nicht schwitzwarm zumute wie so manchem, den wir überholen. Aber allmählich merken auch wir unsere Füße und Beine. Ich schildere den kommenden Steilanstieg und schon sind wir mittendrin. Es ist warm auf der windlosen Teerstrasse im Ort Rechberg Irgendwo biegen hier die Walker ab zur letzten Schleife auf ihren 30 Kilometern. Für uns geht’s jetzt zur Ruine hoch, walkend, überholend, steil und immer noch a bisserl steiler bis es den Dampf rausdrückt und die Ventile klappern. Gundula voraus, anders als Stefan nun doch entschlossen hier zu enden. Und wir anderen „auf in den Kampf der Schwiegermutter nach“ ihr hinterher. Wenn wir nur schon oben wären. Aber es zieht sich. Hunderte der Finishern kommen uns lächelnd entgegen. Dann das „Ziel“: Gundula renn!

Sieger-und Gruppenbild, mein letztes Foto, die Batterien sind leer. Ich lasse die Kamera hier. Gundula hat die längste Strecke, die sie jemals gelaufen ist so locker und leichtfüßig geschafft. Wie geht das?

Sie fährt mit dem Bus zurück. Wir anderen nur mehr drei schnaufen 2 Minuten durch und verpflegen uns unter schattigkühlem Gipfel-Bäumen mit Haferschleim und leicht salzigem Tee. Ja, die Bananen sind alle: die Meute...

Es ist recht rutschig jetzt bergab auf dem feuchten Herbstlaub und dem welligen Untergrund. Aufpassen, kleine Schritte und nicht überholen! Es geht zwar steil abwärts, aber nicht lange. Einige Finisher warten auf den Bus an der Haltestelle und der kommt auch gleich, wendet und nimmt uns *hoppsa* fast mit dabei. Von jetzt an sind wir handverlesen (nee, nicht wegen dem Bus), sind eine Ameisenspur am Horizont. Nicht mehr viele auf der zweiten Hälfte unterwegs. Sagen wir mal „überschaubar“. Wenig später, irgendwo an einem Birnbaum am Wegrand bückt sich Bernd, ich kenne ihn schon eine Weile, in seinen Sandalen. „Hey, lässt Du mein Obst in Ruhe“, rufe ich ihm zu und wir beiden Obstianer lachen uns zu. Ein „wie geht’s“ und ich schließe zu Anne und Stefan wieder auf. Der will ab jetzt doch einen Schritt langsamer machen und verabschiedet sich am Fuße des letzten Berges von uns. Bis später.

Wir müssen uns damit anfreunden, dass wir ab jetzt wohl die restlichen über 20 km alleine sein werden, räuspere ich mich. Anne und ich halten unseren Schritt und unser Tempo weiter sehr konstant. Rauf auf den Stuifen, km30 und 720m hoch. Wir genießen die Kühle beim Walken. Irgendwas war da doch noch am Gipfel oben. Was war denn das, ich erinnere mich nicht. Da, ha, es gibt einen Stempel auf die Startnummer gedrückt. Das gibt es nicht oft. Einen Stempel. Aber eine gute Idee. Wir lachen und rollen bergab, überholen wieder einmal ein paar Läufer. Dann geht es auf die lange Gerade, eine Wendestrecke mit viel Gegenverkehr. Wir blicken in die oft schon sehr müden Gesichter, dann wieder in die braunen Äcker, in bunte Wälder. Ab jetzt kommt ein langes Stück Waldweg mit Gefälle. Wir lassen es leichtfüßig laufen und erzählen uns fröhlich was. Erstaunlich, dass es so gut geht. Gut eingeteilt, ja, so sausen die km-Schilder unbemerkt an uns vorüber. Hey, das war doch schon km37 ? Wir grinsen, haben wohl nicht aufgepasst bei meinem vielen Erzählen? Oder der letzte Witz war besonders gut. Kurz nach der Verpflegung in Waldstetten wird der letzte Anstieg kommen. Nicht sehr schön, aber es wird der letzte sein, sage ich zu Anne. Ich frage sie, ob sie weiß was „Ultra“ bedeutet. Na „jenseits“, also geht’s jetzt bald ab ins Jenseits. Mal sehen, wie es sich dort läuft? Der Weg ist nicht sehr steil, aber lang. Wir trotten an zwei kämpfenden aber immer noch hellen Läufern vorbei und lachen ein wenig mit ihnen. Das hilft. Ein kleiner Junge verteilt 10 Birnen auf einer Wolldecke, genau bei „km42“... Jetzt geht es los. Unbekannte Weiten, neue Dimension wir kommen! Okay, ein kleines Stück Gehen noch, aber dann sind wir endlich drüber. Puh, geschafft. Anne atmet durch, fühlt sich fit und locker. Erstaunlich. Und ich sage zu ihr: „so wie Du Dich jetzt nach 43km fühlst, so wirst Du Dich im Ziel fühlen“. Sie lacht, aber es sollte so und sogar noch besser sein, obwohl sie ab jetzt jeden km etwas schneller als den letzten laufen wird. Ich glaube es nicht, doch so ist es. Ein bisserl müde sind die Beine schon, aber wir sind gut drauf, Anne läuft rund.

In Strassdorf grüßen wir die Polizisten, die fleißig ihren Absperrdienst tun und essen zum letzten Mal richtig was, einsam an der Verpflegungsstelle. Nein, nicht ganz einsam, eine Läuferin hat soeben ihren Mann verloren. „Ja, hast nicht aufgepasst?“, grinsen wir und laufen von nun an Radweg. Und immer ganz leicht abfallend. Das ist sehr praktisch zum Ende hin. Aber dennoch: 6km, es ist noch weit. Wir laufen durch eine Horden Kindergarten, die auf dem Weg zum Grillen sind mit ihren Eltern. Ein Vater zieht seinen Kleinen aus unserer Bahn. Nur spärlich treffen wir in unserem Sauseschritt auf andere Läufer, fast mehr km-Tafeln als Läufer. „Das ist nicht fair, wie ihr hier vorbeizieht“, sagt einer, der noch trabt und sichtlich stark das Ende herbeisehnt. Alle laufen noch gegen Ende. - Doch anders als bei einem Marathon!

Anne und ich schmieden den Plan für wenn wir im Ziel sind: Gundula hat sich ja nach eigenem Bekunden nicht verausgabt, hat sich im Ziel so großartig gefühlt. Die hat sich gar nicht verausgabt! – Die muss uns dann massieren... „Nach dem Duschen werden wir es ihr sagen“, grinsen wir dabei. Der Gedanke gefällt uns sehr.

Anne realisiert noch nicht was sie gerade tut, wird wie gesagt jeden Kilometer noch etwas schneller. Ich beobachte, wundere mich, sage aber nichts. Km48, liest sich komisch. wir hören den Sprecher unten im Tal. Schade, dass wir keine Musik haben jetzt. Der letzte Kilometer: Anne hält nichts mehr, obwohl ich bremse, sie will ihren Einlauf durch die breite Alleestrasse. Und jetzt kommt doch Musik für uns, wir überholen noch einige, sind am Ende über 20 Minuten schneller im Ziel als es noch bei km 35 aussah. Schau Dir diese Rennmaus an! Respekt.

Wir umarmen uns im Ziel, Gundula gleich mit, und wow, war das ein Lauf! Diese Freude, so wohl fühlen wir uns alle, sind nicht platt und erledigt sondern frei und fit. Zuerst mal Trinken, dann erzählen, erzählen, erzählen. Alles will raus, die Freude teilen. Was für ein Tag!

Im warmen Herbstnachmittag dehnen wir uns ausführlich, trinken Iso (lauwarmen salzigen Tee mag jetzt keiner mehr) plaudern weiter und treffen Manfred. Und Mathias, längst schon im Ziel und geduscht, der Flitzer. Ich glaube der hat einen Sonnenbrand bekommen. Ende Herbst... Dann läuft Stefan ein, wir freuen uns wie die Schneekönige. Schon lang warm duschen, Anne funkt kurz die ungläubig staunende family an und ab Richtung Heimat. Mei, das dauert lange, bis diese Stimmung abflauen wird. Die ganze Fahrt bis nach hause auf jeden Fall. Und schön isses!

Ein wirklich empfehlenswerter Lauf hier. Rundum gelungen, vor allem wenn das Wetter passt.

Ultra-Laufen ist anders. Und leichter. Vor allem in der Gruppe. Und Gundula wird die nächste sein, die es erleben will, da bin ich mir sicher. Wetten?

Euer Erwin vom „Team Bittel“

P.S.: Ach ja, das mit der Massage, wollt Ihr noch wissen? Tja, Gundula hat Glück gehabt, es gab für alle noch eine halbe Stunde schöne lange lockere Massage in der Halle. Auch für Gundula. – Dank Nadine und Ihren 5 Kollegen, die mit Herz und viel Einfühlsamkeit dabei waren. Auch dafür liebe ich die Schwaben.
Bildergalerie:

Beim Start Anne und Erwin


Beim Start Anne und Gundula


Anne, Gundula und Stefan


Rapsfeld


Anne, Lena, Gundula, Stefan


Anne, Gundula, Stefan und #198


Anne, Gundula, Stefan


HM-Ziel Anne, Gundula und Erwin
Weiterführender Link zum Thema: Infos unter
 
[team/fuss.htm]