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Partyfeeling in München Autor: JochenBrosig
E-Mail: Jochen.Brosig (at) yahoo.de |
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Gänsehaut pur beim 6. medien.marathon in München. Prickelnde Stimmung, viele Sehenswürdigkeiten und Zieleinlauf durch die Marathon- Disco ins Olympiastadion. Nicht zu vergessen die schnelle Strecke. Die Jagd konnte beginnen. Der Angriff auf die 2:55 Std., mein Knackpunkt. | ||
So las sich die Laufschrift auf der Homepage: Sightseeing, Stärke, Einsamkeit, Überwindung, Party, Stimmung, Gänsehaut, Euphorie, Triumph, Sieg, Adrenalin, Applaus! Was davon wird mich erwarten? KM -40. An einem Parkplatz treffen wir Thomas. Wir das heißt Brigitte und ich. Besser hätten wir uns nicht verabreden können. Kurzes Hallo, wir haben den gleichen Gedanken. Bevor wir später an der Toilette anstehen, lieber hier ohne Hektik. Das Wetter ist eigentlich nach meinem Geschmack. Der Morgennebel hängt über München. 10 Grad. Von mir aus könnte es so bleiben. Zum Bildbericht von Thomas KM -1. Am Parkplatz Olympiapark treffen wir Harald, Armin und Wolfgang vom DAV Röthenbach. Harald und Wolfgang wollten eigentlich gemeinsam laufen. Doch Wolfgang hat sich in den letzten Wochen des Marathontrainings verletzt. Er kann leider nicht starten. Schade! KM 0. Die üblichen Rituale vor dem Start. Sitzt das Schweißband und der Trinkgurt? Sind die Schuhe richtig geschnürt? Etc., etc. Diverse Toilettengänge kosten viel Zeit. Wir machen uns auf dem Weg zum Startblock A. Letzte Anfeuerungen, die Nervosität steigt. „Einen guten Lauf! Wir sehen uns im Ziel!“ Brigitte bleibt stehen. Sie hat gut trainiert und wird heute eine neue pers. Bestleistung laufen. Ich kämpfe mich noch weiter vor. 10 Meter hinter dem 2:59 Std.-Luftballon ist für mich Endstation. Gut, dann kann ich wenigstens nicht zu schnell anlaufen. Tolle Stimmung hier, wir klatschen uns warm. PENG! Es geht los! Ich laufe ganz ruhig an und versuche in mich reinzuhören. Vor mir taucht Ulrike Tancic von der LG Erlangen auf. Sie wird später 3. der W40. Dann ein humpelnder Läufer. Den Unterschenkel und den Oberschenkel dick einbandagiert. Ob er das Ziel erreicht? Ja, schwer gekennzeichnet von den Strapazen sehe ich ihn im Ziel wieder. KM 5. Ich habe mich eingelaufen, linker Hand ein Wahlplakat von Angela Merkel. Und das anno 21 N.V.N.W. (Nach Vorgezogener Neu-Wahl) in München. Eigentlich liebe ich Politiker auf Wahlplakaten: tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen. Aber von jetzt an geht`s mit Vollgas gegen die Wand oder nur noch bergauf. Der Wahlkampf ist vorbei! Endlich wird alles anders, denke ich mir. Aber hoffentlich nicht so wie bei Schröders TV-Auftritt in der Elefantenrunde. Der Schröder, geläutert durch seine liebe Frau Doris, hat nachher den Auftritt als sub-optimal bezeichnet. Suboptimal? „Optimal Jochen, weiter so!“, eine bekannte Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Willi Wahl vom TSV Neuhaus, heute als Betreuer seiner Tochter dabei. „Servus, Willi“ und weiter geht es. Kaum an Willi vorbei, sehe ich ein bekanntes Trikot weit vorne. 2 KM später bin ich dran. Tatsächlich, Turbo-Schnecken-Lüdenscheid, Jan läuft vor mir. Ich hatte ihn beim HM in Iserlohn kennen gelernt. Wir tauschen Läuferlatein aus und laufen eine Weile zusammen. KM 10. Karolinenplatz. Es läuft ganz rund. Ich fühle mich gut, freue mich über Zuschauer und Sightseeing entlang der Strecke. Nebenbei laufe ich auch noch ganz schön flott einen Marathon. Und ich denke an Rimbach, auf dem Weg zu seiner neuen Bestzeit. Rimbach, gleich nach Marathonne Manfred Krämer meine Lieblingslektüre in der Runner´s World. Rimbach, ich würde es genau so machen wie Du! (Runner´s World / Oktober 2005 / Seite 26) Seine Geschichten aus dem Leben eines Hobbyläufers lassen mich schon lange Schmunzeln. Heute läuft auch bei mir alles nach Plan, exakt die geplanten Zwischenzeiten. TSJAKKA!! Weiter Richtung Marienplatz, los! Hier ist Party, hier geht es ab! KM 15. Gerade lief ich am Deutschen Museum vorbei. Hier stehen Zuschauer mit einer österreichischen Flagge. Wie war das eigentlich mit den Rauschgift-Fahndern in Altdorf? Die haben einen Österreicher mit 4 Kilo Marihuana erwischt. Als sie dann den Stoff genauer überprüfen, stellen sie fest, dass die holländischen Dealer den Alpen-Junkie Spinat verkauft haben. Nur gut, dass die Beamten nicht vor zwei Wochen auf der Röttenbacher Kerwa waren. Die Bedienung hieß Mari. Und jeder wollte natürlich eine Maß. Dauernd brüllte irgendwo jemand: „Marinuana!“ Wie singen es die Fanta 4:“Ruf die Polizei. Heul nicht rum und wähl die 110!“ Weiter geht es! KM 21.1. Während ich so vor mich hinlaufe, monoton immer im gleichen Tempo, schweifen meine Gedanken wieder ab. Es ist schon schwer. Ganz so leicht läuft es sich jetzt auch nicht mehr. Da taucht auch wieder die alte Frage auf: „Warum mache ich das?“ Meistens stellt sich diese Frage erst ab KM 30 ein. Ich lenke mich ab, mein Blick streift über die Gesichter der Zuschauer. Eines erinnert mich an Heinz Erhardt und ich muss sofort an „Die Nase“ denken: Wenngleich die Nas, ob spitz, ob platt, zwei Flügel – Nasenflügel – hat, so hält sie doch nicht viel vom Fliegen; das Laufen scheint ihr mehr zu liegen. Heinz Erhardt KM 27. Jetzt laufen wir in den Englischen Garten – hier rennen normalerweise die vergnügungssüchtigen Twentysomethings dem nächsten Kick hinterher. Das coolste ist längst nicht mehr Kokain und Co. Wer total hip sein will, der gibt sich den Beta-Endorphin-Kick. Genau, die körpereigene Substanz, die während und nach langen Läufen ausgeschüttet wird. Der Stoff, der von allen für das so genannte „Runner´s High“ verantwortlich gemacht wird. Das könnte ich heute auch gut gebrauchen. Hoffentlich wartet vorne nicht der „Mann mit dem Hammer.“ KM 35. Gleich verlassen wir den Englischen Garten. Meine Schritte sind nicht mehr so leichtfüßig und grazil wie noch vor 1 Stunde. Wie mag das nur für die Zuschauer aussehen? Ulkiger Gang? Ich denke an den Monty Python Flying Circus und die Folge mit dem Ministerium für Albernes Gehen. John Cleese als Minister für Albernes gehen. Mein Gang sieht zwar noch nicht so aus wie beim Minister für Albernes Gehen, aber es könnte eine Anglo-Französische Variante davon sein. Et voilà! Monty Python KM 40. Partymeile hinter mir, Olympiastadion vor mir. Oberkörper leicht vorgebeugt. Schleifender, schleppender Schritt. Jetzt beiß Dich noch Mal durch. Irgendwie fühl ich mich wie ein Teilnehmer beim Deutschlandlauf. 1200 KM von Rügen nach Lörrach in 17 Tagen. Das wäre doch auch mal was für mich, denke ich mir. Als mir an einem Mittwochvormittag ein Läufer mit Startnummer entgegen kam, dachte ich noch nicht an eine Laufveranstaltung. Ich war geschäftlich von Hassfurt nach Hofheim unterwegs. Doch da kam schon wieder einer und dann tröpfelten sie mir entgegen. Ihr Laufstil sieht auch etwas anders aus als bei uns Marathonis. Die Ultras nennen ihn den Ultraschlurfschleifschlappschritt. Der Deutschlandlauf KM 41. War bisher die Stimmung und Anfeuerung super, hier kurz vorm Olympiastadion stehen nur noch vereinzelt Zuschauer. Wir bräuchten aber so dringend Aufmunterung. Ich feuere mich selbst an. Meine Urschrei-Therapie hat mir schon so oft geholfen. Einige Läufer und Zuschauer erschrecken, aber mir gibt es noch mal einen Adrenalin-Stoß. So tauche ich in den Disco-Tunnel ein und sprinte heraus auf die Tartanbahn. Im Stadion grüßt die neue Olympiastadt Peking die Ex-Olympiastadt München mit chinesischen Bauten und Dekoration. Ein Augenschmaus in diesem Moment. Auf der Außenbahn überhole ich Läufer um Läufer. Dem Ziel und einem kühlen Löwenbräu Alkoholfrei entgegen. Ich gebe Gas, denn ich will Spaß! Run and have fun. Jochen Brosig Röttenbach, den 10.Oktober 2005 www.langstreckenteam.de |
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