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Der Rennsteiglauf Autor: MichaelSchulz
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Mein Erlebnisbericht vom Rennsteigmarathon von Neuhaus nach Schmiedefeld
Von Michael Schulz |
Der Rennsteiglauf. Jedes Jahr auf ’s Neue findet er Mitte Mai statt. Zwischen der Hohen Sonne bei Eisenach und Bad Blankenburg im Vogtland erstreckt sich der Rennsteig, ein ehemaliger Handelsweg, über die Höhen des Thüringer Waldes. Insgesamt sind es knapp 170 km, ein ständiges auf und ab. Zwischen Neuhaus und Eisenach wird der Rennsteiglauf ausgetragen. Dieses Jahr zum 30. Mal. Ein Überbleibsel aus längst vergangenen DDR-Tagen. Auch schon damals war dieses Ereignis mehr als nur ein Lauf. Er war der grösste und bedeutendste Lauf der DDR. Wegen seiner grenzüberschreitenden Ausstrahlung wollte ihn die DDR-Führung verbieten. Er wurde finanziell sabotiert, mit der Begründung, die DDR brauche keinen 2. Wasalauf. Doch die Betonköpfe aus der Einheitspartei schafften es nicht, die Laufbewegung – und letztendlich den Drang der Menschen nach Freiheit – zu stoppen. Das längste Volksfest der Welt konnte als weiterhin gefeiert werden und wie bereits erwähnt, dieses Jahr zum 30. Mal. Beim Rennsteiglauf ist für jeden Läufer, für jeden Naturfreund etwas dabei. Neben dem Marathon, dem Halbmarathon und dem Supermarathon über 74 km, gibt es zahlreiche Wander- und Walkingstrecken. Von beiden Seiten des Rennsteiges strömen die Läufer(Innen) und Wandersleute nach Schmiedefeld, dem Zielort. Der Start des Supermarathons ist in Eisenach, der Halbmarathon beginnt in Oberhof und der Marathon fängt in Neuhaus am Rennweg an. Wie bereits im letzten Jahr, wollte ich in diesem Jahr den Supermarathon mit meinem Freund Erwin "Löwenherz" Bittel laufen. Doch eine heftige Erkältung über Pfingsten und meine (heilsamen) Erfahrungen beim Würzburg-Marathon haben mich zum Umdenken veranlasst. Dieses Jahr soll’s der Rennsteigmarathon von Neuhaus am Rennweg nach Schmiedefeld sein. 43,1 km sind es über Stock und Stein, es reicht für mich. Zum 5. Mal bin ich bereits dabei am Rennsteig, fällt mir gerade ein. Zweimal bereits beim Halbmarathon, je einmal beim Supermarathon und beim Marathon. "Mensch, langsam kann ich mich zu der Familie der Rennsteigläufer zählen", denke ich und muss ein bisschen schmunzeln. Ich bin gerne im Thüringer Wald. Nicht weit von meinem zu Hause im Coburger Land, erstreckt sich dieser Höhenzug. Ein paar Kilometer nur – und doch für lange Jahre eine Ewigkeit, getrennt durch Stacheldraht und Minenfelder. Die Anreise Diese Jahr möchte ich auch die Party am Abend vor dem Lauf geniessen und mir die Klösse schmecken lassen. Beim Rennsteiglauf gibt es keine Nudeln, sondern die leckeren Thüringer Klösse. Nach relativ kurzer Anreise, ca. 2 Stunden war ich mit Zug und Bus unterwegs, habe ich am Abend Neuhaus am Rennweg erreicht. Schnell die Startnummer abholen und noch ein Quartier für die Nacht suchen. Klasse – in der Turnhalle ist noch ein Plätzchen frei für mich. Ein bisschen laut vielleicht und etwas viele Leute, aber für 2 Euro Übernachtungsgebühr ist das schon ok. Langsam spüre ich es in mir. Das Rennsteiglaufgefühl. Es sind viele ältere Läufer(innen) hier. Ich schaue mich um, ich bin einer der jüngsten, mit meinen 30 Jahren. Ich freue mich, dazu zu gehören, zu der grossen Familie der Rennsteigläufer. Es ist wirklich eine grosse Familie, kein Vergleich zu den anonymen Stadtmarathons. Der Rennsteiglauf ist einfach etwas besonderes. Sogar ein eigenes Lied gibt es. "Ja, ja, ja der Rennsteiglauf, ja, ja, ja wir sind gut drauf..." oder so ähnlich fängt es an. Ich schaue mich noch ein bisschen um auf der Party. Coole Musik, nette Leute. Ich treffe Jürgen aus Lichtenfels. Ich unterhalte mich lange mit ihm, auch er ist mehr ein Erlebnisläufer und hat sogar einen eigenen Verein gegründet. Noch ein Bierchen zusammen und dann ab in den Schlafsack. "Was macht eigentlich Erwin?", fällt mir ein. Er war ja inzwischen nach Eisenach zum Supermarathon unterwegs. Also noch mal raus aus dem warmen Bettchen, ran an’ s Handy. "Alles klar, Löwe?" "Ja, ich bin da, es hat alles geklappt." Na super. Auch Erwin ist gut angekommen und hat noch ein Plätzchen für die Nacht gefunden. So, jetzt aber schlafen, wenigstens ein bisschen. Am nächsten Morgen stellte ich mir gleich beim Aufstehen die Frage: "Was ist wohl anstrengender, der Lauf selbst oder die Nacht mit hundert anderen in einer Turnhalle?" Ich musste schmunzeln. Ein Erlebnis war es schon, trotz des harten Boden und dem Chor der Schnarchenden. Jetzt geht’s los "Wie ist denn das Wetter heute?" Ich guck erst mal raus. Bewölkt, es regnet ein bisschen. Der Himmel ist wolkenverhangen. Wieder nichts mit einem Lauf in der Sonne. Genau wie bei meinen bisherigen Teilnahmen. Schade, so gerne hätte ich die Höhen des Thüringer Waldes bei Sonnenschein genossen. Langsam laufe ich zum Start. Ich sehe ein paar bekannte Gesichter, ein paar Worte, gute Wünsche für das bevorstehende Erlebnis. Noch ein bisschen Gymnastik, die Bänder und Muskeln lockern. Ich suche mir ein ruhiges Plätzchen und versuche, in mich zu gehen. Ich höre in meinen Körper. Und ich merke, dass irgendwas nicht so ist, wie es sein sollte. Ich bin gespannt, wie es wird. Ich reihe mich in den Pulk der Läufer und Läuferinnen ein. Geduldig erwarten wir den Startschuss. Auf der Ladefläche eines Lkw-Anhängers spielt eine Blaskapelle. Den Schneewalzer. Alle singen und schunkeln mit. Ich bekomme Gänsehaut. Über uns kreist ein Hubschrauber mit einem Team vom Fernsehen. Wir winken, freuen uns, heute hier dabei zu sein. Bummm – es geht los. Ich brauche einige Zeit, bis ich über die Startlinie komme. Ich drücke meine Stoppuhr und los geht’s. Ich denke an meinen Freund Erwin, der ja schon 3 Stunden unterwegs ist. Wie es ihm wohl ergeht? Wir laufen bergauf, durch das kleine Städtchen Neuhaus am Rennweg. Einige Zuschauer feuern uns an, klatschen, winken. Dann geht’s raus, immer den Rennsteig entlang. Anfangs laufen wir noch auf einer Strasse. Ich komme schnell in meinen Rhythmus, konzentriere mich auf meinem Atem. Nur nicht so schnell am Anfang, denke ich mir. Es geht bergab und ich lasse meinen Schritt laufen. Ich überhole schon einige an dieser ersten "Abfahrt". Wir biegen ein, auf einen kleinen Waldweg. Ganz schön eng hier, ich muss aufpassen, dass ich meinen Vordermann nicht in die Hacken laufe. Es geht runter nach Scheibe-Alsbach und dann wieder hinauf nach Friedrichshöhe. Wann kommt denn endlich der erste Verpflegungspunkt? Ah, da ist er schon. Es gibt Wasser, Tee, Cola und Bananen. Ich trinke einen Schluck Wasser. 10 km sind schon vorbei. Ich fühle mich noch gut, die Beine sind locker, ich merke sie kaum. Nur meine Gedanken spielen ab und an ein bisschen Katz und Maus mit mir. Aber es läuft gut. Es geht wieder bergab, Richtung Masserberg. Ich fliege förmlich den Berg runter. Ich habe das Gefühl zu schweben. Den leichten Anstieg auf dem breiten Schotterweg laufe ich ganz locker, lasse einige Lauffreunde hinter mir. Dann der erste Trail. Jetzt wird es ganz schön bergig. Ich gehe diese steile Passage, wie so viele. Ich schaue auf meine Uhr. Knapp 2 Stunden bin ich jetzt unterwegs. Klasse, der nächste Verpflegungspunkt. Bei Km 18,8 erreichen wir Masserberg. Hier ist Party angesagt. Und den typischen Haferschleim gibt es hier. In der DDR war er ein Ersatz für Bananen. Er soll viel Energie geben. Aber ich mag ihn nicht, er ist mir einfach zu schleimig. Ich trinke ein paar Schlucke Wasser und gehe ein Stückchen. Aus dem Lautsprecher johlt Wolfgang Petry: "Sieben Tage, sieben Nächte...". Und wieder kriege ich eine Gänsehaut. Mann, hier ist was los. Bei Km 23 der nächste Trail. Jetzt heisst es anstehen. Es geht durch einen engen, ausgetrockneten Bachlauf. Wenn der Schnee schmilzt im Frühjahr, verwandelt er sich wohl zu einem reisenden Gebirgsbach. Wir laufen einer hinter den anderen, müssen des öfteren anhalten. Nach kurzer Zeit kommen wir wieder auf eine Strasse und der Rennsteig führt uns in Richtung Neustadt. Dort ist wieder eine Verpflegungsstelle mit allem, was es beim Rennsteiglauf so gibt. Sogar Bockwürste! Ich laufe weiter über die Höhen, sehe in grüne Täler, auf Wiesen mit gelb leuchtenden Löwenzahn. Der Wald leuchtet in verschiedenen Grüntönen. Ich lasse diese Wunder der Schöpfung auf mich wirken, nehme sie mit in meinen Alltag. Oh je, meine Beine. 30 Kilometer sind jetzt vorbei und ich merke sie. Genau wie beim Marathon in Würzburg. Nach 30 Kilometern war damals der Ofen aus. So auch heute. Ich gehe den nächsten Anstieg hinauf und lasse meinen Schritt wieder bergab laufen. So komme ich gut voran. Ich denke viel nach. Wahrscheinlich habe ich einfach zuviel gemacht in der letzten Zeit, meine Körper zu wenig Ruhe gegönnt. Eigentlich will ich ja noch soviel machen, dieses Jahr, aber die Zeichen und Signale meines Körpers sind unübersehbar. Vieles geht mir durch den Kopf und dieser Teil des Marathons wird für mich reich an persönlicher Erkenntnis. Obwohl ich ziemlich fertig bin, meine Beine schmerzen immer mehr, bin ich doch glücklich, diese Erfahrungen machen zu dürfen. Ich muss lachen und schau mir die anderen an, die sich doch so quälen. Wie oft haben die das wohl schon gemacht? Mir wird klar, dass ich wohl erst meinen persönlichen Lebensweg finden muss, um weiter voran zu kommen. Egal, in welchen Bereichen meines Lebens. Ich muss an so viele denken und versuche meine Gedanken zu ordnen. Wieder geht es den Berg runter und wir kommen nach Frauenwald, den letzten Verpflegungspunkt vor dem Ziel in Schmiedefeld. Hier gibt es sogar Bier. Letztes Jahr beim Supermarathon hab ich auch eines getrunken, kurz vor Schluss. Aber heute ist es mir eher nach Cola. Ein, zwei Schluck und es geht weiter. Noch 5 Kilometer. Noch einmal runter, noch mal rauf. Ich trabe und komme gut voran. In der Ferne ist schon die Stimme des Sprechers im Zieleinlauf zu hören. Jetzt erreichen wir Schmiedefeld. Ein freundlicher Polizeibeamter winkt uns über die Strasse, schenkt uns Applaus. Der letzte Anstieg. Noch einmal einen knappen Kilometer bergauf. Die Zuschauer stehen links und rechts, wir laufen durch eine enge Gasse. Es ist wahnsinnig laut hier, alle schreien, klatschen, verleihen uns Flügel. Ich bin es gar nicht mehr gewöhnt, nach der langen Zeit der Ruhe im Thüringer Wald. Noch eine Runde um den Sportplatz und ich bin im Ziel. Im Ziel – es ist geschafft! Nach 4:44 h habe ich es geschafft. Eine nette Dame hängt mir die Finishermedaille um den Hals. Ich wanke mehr als ich laufe. Ich hole mir einen Becher zu trinken und entdecke Erwin Löwenherz. Ganz alleine sitzt er am Med.-Punkt. Er sieht mich und kommt gleich auf mich zu. Wir umarmen uns herzlich. Eine lange, lange Strecke sind wir aufeinander zugelaufen und jetzt haben wir uns getroffen. Gut ist es ihm ergangen. In 6 Stunden und 14 Minuten hat er den Supermarathon bewältigt. Ein reiner Triumphzug von Erwin Löwenherz. Ich freue mich so. Und da ist ja Birgit. Wir sind schon zusammen beim Würzburg-Marathon gelaufen. Heute ist sie von Oberhof nach Schmiedefeld gewalkt. Ich ziehe mich schnell um, wasche mich an einem Brunnen. Duschen gibt es zwar auch, aber das passt irgendwie besser. Noch ein paar Augenblicke sitzen wir im Festzelt zusammen und teilen unsere Erlebnisse. Dann kommt Anja, meine Freundin. Sie holt Erwin und mich ab, bringt uns wieder nach Coburg. Wir verabschieden uns von Birgit. Sie muss in die andere Richtung. Froh, endlich im Auto zu sitzen besprechen wir das Erlebte noch das eine oder das andere Mal. Und vielleicht sind wir ja im nächsten Jahr wieder dabei.
Mein persönlicher Eindruck Es war ein Ereignis für mich, dass mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Sportlich sowieso, schliesslich war ich ja schon zum 5. Mal dabei. Und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Irgendwie bin ich wohl schon ein richtiger Rennsteigläufer geworden. Allerdings muss ich feststellen, dass die Atmosphäre und das (Rennsteiglauf)-Gefühl im letzen Jahr, beim Supermarathon, intensiver waren. Dort, auf der Langstrecke geht es doch noch ein bisschen familiärer zu. Vor allem an den Verpflegungsstellen. Und unterwegs trifft man viele Wanderer, die dem Ganzen ein besonderes Flair verleihen. Für Rennsteigeinsteiger ist aber natürlich auch der Halbmarathon oder der Marathon geeignet. Persönlich hat mich dieser Marathon sehr weit gebracht. Er hat mir meine momentanen Grenzen aufgezeigt und mir die Richtung für die Zukunft gewiesen. Es wird wohl für längere Zeit der letzte Marathon für mich gewesen sein. Ich werde mir jetzt Zeit lasse und mir in Ruhe neue Ziele setzen. Fakten und Daten zum Rennsteigmarathon
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