Mein Name ist Oliver, ich bin 36 Jahre alt
und laufe sehr gerne lange Strecken. 2007 lief ich meinen ersten
Marathon. Das machte mir viel Spaß, es folgten weitere Marathons und ich
wollte mich schließlich mal an einer noch längeren Strecke zu
versuchen. Durch meinen Schwager, der auf Mallorca lebt und arbeitet,
bin ich auf einen sogenannten Ultratrail aufmerksam geworden, der durch
das mallorquinische Tramuntana Gebirge führt, den Ultratrail Serra de
Tramuntana (UTST). Ultratrail, weil die Strecke länger als die
Marathondistanz von 42,195 km ist und weil es durch unbefestigtes
Gelände durch die Natur geht. Der UTST durchquert beinahe das gesamte
Gebirge an der Nordwestküste Mallorcas. Insgesamt ist die Strecke knapp
107 km lang und es müssen 4300 Höhenmeter rauf und 4300 Höhenmeter
runter überwunden werden. Das ist in etwa die Strecke von München zur
Zugspitze und dann noch 1 1/2 Mal rauf und runter.
Vorbereitung auf den Ultratrail
Um so einen Lauf bewältigen zu können, braucht es eine gute
Vorbereitung. Ich laufe dafür im Jahr etwa 3000 km und in den Wochen vor
besonderen Wettkämpfen auch mal mehr als 100 km und zwar sowohl bei
Kälte im Winter, als auch bei Hitze im Sommer. Am liebsten trainiere ich
dafür im Wald, höre dabei Musik oder Hörbücher mit meinem MP3-Player und
versuche, möglichst oft Berge in die Strecke einzubauen. Bei sehr langen
Trainingsläufen habe ich auch immer etwas zu Essen und zu Trinken dabei,
denn es ist wichtig, seinen Körper mit ausreichend Energie zu versorgen.
Ich versuche, mich ausgewogen zu ernähren, esse aber einfach alles, was
mir schmeckt, wie z.B. Pasta, Obst und Gemüse, aber auch mal Schokolade
und Gummibärchen. Ich finde, wenn ich mich so viel bewege, darf ich auch
essen, worauf ich Lust habe.
Vor dem Start des Ultratrail 2011
Bereits fünf Tage vor dem Wettkampf bin ich mit meiner Freundin nach
Mallorca geflogen, damit ich mich an das Klima gewöhnen und noch ein
wenig trainieren konnte. Immer wieder habe ich mich gefragt, ob ich
genügend trainiert habe, ob ich fit genug bin und wie es mir während des
Laufs ergehen wird. Das besondere an diesem Lauf ist nämlich, dass er um
Mitternacht startet. Man muss also die ersten Stunden mit einer Lampe
laufen. Für mich bedeutete das außerdem, dass ich zu einer Uhrzeit einen
sehr langen Lauf starte, zu der ich normalerweise ins Bett gehe oder
bereits schlafe. Dies machte mich besonders nervös.
Eine Stunde vor dem Start war ich dann
bereits dort, habe meine Startnummer abgeholt und die anderen Läufer
beobachtet. Bei Läufen in Deutschland treffe ich meistens ein paar
Leute, die ich kenne. Beim UTST waren aber nur wenige Deutsche am Start
und ich kannte niemanden. Alle Läuferinnen und Läufer, die an so einen
Ultratrail teilnehmen sind sehr erfahren, haben viel trainiert und
wissen genau, wie so ein Rennen einzuteilen ist. Bei diesem Lauf gab es
die Regel, dass man keine Hilfe von außen annehmen darf (abgesehen von
Notfällen und Verpflegung an den Versorgungsstellen). Das bedeutete,
dass ich einen Rucksack mit Regenjacke, Rettungsdecke, Energieriegeln,
Mütze, Getränkevorrat und Mobiltelefon dabei hatte. Zum ersten Mal hatte
ich auch Wanderstöcke dabei, um eine Unterstützung beim bergauf und
bergab Laufen zu haben. Die Stimmung vor so einem Lauf ist schwer zu
beschreiben. Ich fühlte mich in etwa so, als ob ich gleich eine schwere
Schulaufgabe schreiben müsste ohne zu wissen, ob ich genug gelernt habe.
Andere Läufer wirkten auch angespannt auf mich. Es wurde sich wild
unterhalten, die Strecke wurde an der ausgehängten Karte nochmals
studiert, es wurde gegessen und getrunken.
Essen und Trinken
Essen und
trinken ist überhaupt sehr wichtig bei seinem langen Wettkampf.
Insgesamt habe ich während des Laufs etwa 13.500 Kilokalorien
verbraucht. Das ist so viel, wie ich ohne Sport zu machen in knapp einer
Woche benötige. Anders ausgedrückt entspricht das etwa so viel wie 45
Hamburgern oder 30 Tafeln Schokolade. So viel kann man unmöglich vorher
oder während des Laufs essen. Deshalb gibt es spezielle Nahrung, die
sehr viel Energie hat, ohne den Körper zu sehr zu belasten. Dazu gehören
Energieriegel oder Energiegels. An den insgesamt sieben
Verpflegungspunkten, die im Abstand von zwei bis drei Stunden erreicht
wurden, gab es auch Pasta, Nüsse, Schokolade, Brötchen oder Gummibärchen
– alles, was viele Kalorien hat. Daneben ist es wichtig, genügend zu
trinken. Insgesamt habe ich etwa neun bis zehn Liter getrunken. Das
meiste davon war Wasser, aber obwohl ich das sonst gar nicht so gerne
mag, trinke ich bei solchen Wettkämpfen auch sehr gerne Cola. Die hält
mich wach und hat viel Energie. Trotzdem werden in der Zeit des
Wettkampfs auch Energiereserven, die im Körper eingelagert sind,
verbraucht und man ist danach ein paar Kilogramm leichter als vorher.
Der Lauf
Etwa zehn Minuten vor dem Start hatten sich alle 250 Läuferinnen und
Läufer aufgestellt. Die Stirnlampen wurden bereits eingeschaltet und
auch die roten Rücklichter, die hier Pflicht waren, leuchteten bereits.
Alle Läufer wünschten sich gegenseitig viel Glück und alles Gute. Hier
war ich froh, Spanisch zu sprechen, da ich sonst nichts verstanden
hätte. Die letzten Sekunden wurden laut runter gezählt und ich bekam
eine richtige Gänsehaut.
Dann ging es endlich los und wir wurden in die Nacht entlassen. Um
diesen Lauf zu bewältigen, habe ich mir immer wieder kleine
Zwischenziele gesteckt. So wollte ich erstmal die erste
Versorgungsstelle erreichen, dann die nächste und so weiter. Ein
weiteres Zwischenziel war der Sonnenaufgang, den ich auf einem besonders
schönen Abschnitt nach 45 km, hoch über dem Meer, erleben durfte. Solche
Momente ließen mich die Anstrengungen vergessen und machten mich sehr
glücklich. Selbstverständlich gab es auch immer wieder Situationen
während des Laufs, in denen ich mich fragte, weshalb ich mir das antue.
Besonders dann, wenn der Trail sehr steinig und steil bergauf führte.
Die Muskeln wurden dabei immer schwerer, Blasen bildeten sich an den
Füßen und die Müdigkeit machte mir zu schaffen. Als immer noch über 40
km, also die Strecke eines Marathons, zu laufen waren, habe ich mich zum
ersten Mal ernsthaft gefragt, ob ich wirklich weiterlaufen sollte. Dann
versuchte ich mich durch die herrliche Natur abzulenken oder ich rief
meine Freundin an, die mich mit aufmunternden Worten motivierte, weiter
zu machen. Besonders die letzten 10 km waren sehr anstrengend. Ich war
mittlerweile so müde und erschöpft, dass ich nicht mehr laufen, sondern
nur noch gehen konnte. Immer wieder kam mir der Gedanke, mich einfach
hinzusetzten und aufzugeben. Andererseits wollte ich es auf jeden Fall
ins Ziel schaffen.
Das Ziel
Eine Platzierung war mir von vornherein egal. Viel wichtiger war es
mir, eine große Herausforderung zu meistern und wenn möglich bis ins
Ziel zu kommen. Der Veranstalter hatte dafür ein Zeitlimit von 24
Stunden vorgegeben. Wer später ins Ziel kommen sollte, würde also nicht
gewertet werden. Trotz schwerer und schmerzender Beine hab ich es
wirklich geschafft und das sogar noch, bevor es erneut dunkel wurde.
Nach 20 Stunden und 6 Minuten kam ich als 127ter ins Ziel und obwohl ich
sehr erschöpft war, hatte ich noch genügend Kraft meine Arme hoch zu
reißen und mich zu freuen.
Mir ist es tatsächlich gelungen, das Tramuntana Gebirge zu durchlaufen.
Mein erster Gedanke war, dass ich so etwas nicht noch mal machen
werde…..aber bereits am nächsten Tag, als die schlimmsten Strapazen
bereits vergessen waren, habe ich mir eine neue Herausforderung gesucht
und freue mich darauf, im Juli 2011 bei in den Chiemgauer Alpen erneut
einen Ultratrail zu laufen.
Text/Fotos: Oliver Schuberth // -jj- 16.5.2011
Infos:
www.TrailSerraDeTramuntana.com
(Teilnehmer: 235, davon 9 Deutsche, aufgegeben: 37) |