Der
Baltic Run von Berlin nach Karlshagen (Usedom)
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Grundsätzliches:
Mehrtagesläufer sind es gewohnt
die Dinge gelassen anzugehen, sie nehmen den Tag so wie er ihnen
erscheint, nicht wie sie ihn sich wünschen. Dabei wünschen sie sich
nicht das Ende des Laufes herbei, was quälen würde. Es ist einfach
so, wenn der Lauf nach Stunden zu Ende geht, ist man durch sich
selbst mit sich selber den Tag hindurch gelaufen. Assoziativ oder in
ungefühlte Sphären anderen Empfindens abgelenkt. Mit einer
unglaublich hohen Dichte unaustauschbaren Eigenseins. Das mein ich
ist der Unterschied zum "Zeitläufer". Der Mehrtagesläufer ist ein
Erlebnisläufer, wobei Himmel und Erde sich traumhaft vermischen
können. Wo inneres und äußeres Empfinden sich als komplexe,
verwobene Einheit zusammenfindet. Manchmal wird der Läufer eins mit
seiner Bewegung, wenn er ausnahmsloses Glück hat. Manchmal kann er
auch als psychische Einheit auseinanderfallen, was als Krise während
des Laufens erlebt wird, die transitiv ist, wieder heilt. Weil
Laufen insgesamt uns ergänzt und stärkt und heilt. Dieses
Sich-Auftun einer unhinterfragbaren Selbstverständlichkeit gelingt
nicht immer, aber das wäre Laufen, wie man es sich wünscht.
Mehrere Tage hintereinander laufen durch die Landschaften nördlich
von Berlin, Schorfheide, Brandenburger Seen und durch die Uckermark,
am Haff entlang, wo Horizonte so beeindrucken, das sie scheinbar
nicht zu durchlaufen sind. Usedom die Insel, und 40km an der Küste
der Ostsee entlang, täglich 60km bis 70 km. Das ist, wenn einen die
Füße noch tragen, der Geist frei bleibt von innerer Not, ein tiefes
Erlebnis, eine geschenkte Zeit.
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Die Vorgeschichte
Frühzeitig im März habe ich mich zum
Baltic Run angemeldet. Gott sei dank, denn je näher der Start kommt,
desto mehr verliere ich mich in Zweifel die 325 km bewältigen zu
können, Mutlosigkeit fasst mich. Die Strecke dehnt sich, Berlin und
das Meer liegen, wie an zwei Enden eines Kontinents, so weit
voneinander entfernt. Klar, ich bin diesen Lauf schon einmal vor 2
Jahren gelaufen, jetzt aber irritiert: Bin ich noch ein Läufer? Das
kilometerlange Geradeauslaufen in der Schorfheide zu bestehen bringt
mich in Not. Mich auf märkischen Sandwegen zu überanstrengen ist
vorstellbar. Auf langen Alleen und an Feldrainen entlang nicht mehr
weiter zu kommen, spielt sich mein Gehirn täglich vor. Und
spätestens in der Uckermark, nahe dem Stettiner Haff, in all der
sumpfigen Einsamkeit hört vielleicht mein Herz auf zu schlagen.
Sollte ich aber die Küste erreichen, habe ich überlebt. -
Erleichterung, ich darf laufen, grünes Licht.
1. Tag: Von Berlin nach
Hubertusstock (Schorfheide), 64 km
Am Sonntag, dem 22.07.2012 stehe
ich morgens um 8 Uhr mitten in Berlin mit 64 anderen Läufern seltsam
unaufgeregt im angenehmen Morgenschatten des Berliner Doms. Berlin
hat in der Nacht gefeiert und schläft noch. Viele Läufer und
Läuferinnen kennen sich. Bei Mehrtagesläufen, der Königsdisziplin
des Laufens, bleibt man mehrere Tage zusammen, freundet sich auf der
Strecke an, schläft eng zusammengelegt in den Turnhallen
nebeneinander, steht geduldig in der Warteschlange beim Abendbuffet,
lacht miteinander beim wenig vergnüglichen Sockenwaschen, hält
einfach zusammen. Freundschaft entsteht, weil Respekt alleine
zuwenig wäre: Veteranen vom Spreelauf, vom Isarlauf, die Sympathie
einmal erlangt, hält kontaktlos auf Jahre. Sogar Teilnehmer des
Swiss Jura (Genf-Basel) sind mit am Start und viele vom Baltic Run
2010, als ich ihn gelaufen bin. Wir grüßen uns herzlich, wünschen
uns Glück, Genuss und versprechen uns Gewaltlosigkeit der möglichen
Anstrengung gegenüber, der wir ausgesetzt sein werden. Heute liegt
eine Strecke von 63 km vor uns. Über den Prenzlauer Berg, fast der
einzige Anstieg auf der ganzen Stecke bis zur Küste, laufen wir 10
km immer gerade auf leeren Fußgängerwegen aus Berlin hinaus. Rote
Ampeln so früh am morgen ignorieren wir meistens. Schon hat sich das
Läuferfeld auseinandergezogen und ich bin bemüht, erst mich
einzufühlen in die Gangart des Laufens. In meine eigene Symmetrie,
die ich hoffe wiederzufinden. In den Gleichmut und die stillen
Freuden, die das Laufen uns schenkt. So ein selten bewusst gefühlter
Moment an glücklicher Lebensbejahung in einer Situation, die ganz
schön anstrengend ist, ist schon sonderbar. Jede Zelle leuchtet.
Berlin hört nach und nach einfach
auf eine Stadt zu sein. Landeinwärts an krautigen Wiesen und Koppeln
geht es zuerst unübersichtlich, aber in der Richtung unverändert
nach Bernau hinein. An der alten Stadtmauer im Halbbogen laufend,
schleudert die Stadt uns mit doppelter Energie Richtung Schorfheide,
wo die Wälder dichter und dichter werden. Sandwege wechseln zu
geteerten Wegen, die sich wie schwarze schlängelnde Bahnen durch den
endlos ausgedehnten Wald ziehen. Der alte Kaiser und der sog.
Reichsoberjäger Göring schossen hier deliziös auf das angetriebene
Wild. Wir folgen der Markierung, die täglich morgens von Grit
Seidl angezeichnet wird. Sie fährt uns 1 Stunde mit dem Fahrrad
voraus. Wir treffen auf viele freundliche Radfahrer, die viel
schneller weiterkommen als wir. Wir überqueren den Finow-Kanal, für
Langstreckenschwimmer eine Verbindung hinauf bis zu den
Mecklenburger Seen, für uns ein reizvoller Anblick.
Mit Michael Beckmann laufe
ich vom Start weg, zeitweise in einer auf Außenreize reduzierten
wunderbaren Selbstempfindung. Erst beim letzten Versorgungsstand, wo
uns der lokale Sportverein ein Bier spendiert, wartet er nicht mehr
auf mich. Dabei ist für mich Bayern Bier Kortison für die Seele. Es
schützt die Seele, weniger den Leib, vor Gleichgewichtsschwankungen,
Unterzuckerung wird vermieden und gleichzeitig eine Minderung
unserer Leistungsfähigkeit, die wir nicht akzeptierten, wenn sie
nachteilig wäre. Die Bitterstoffe des Hopfens beruhigen den Magen
und beschleunigen die Entkaterung. Auch macht Bier nicht müde. Wie
anders sollte man mein gesteigertes Redebedürfnis erklären und meine
neue Energie, Michael vor dem Ziel noch einholen zu wollen. Noch 4
km am spiegelnden Ufer des langgedehnten Werbelinsee entlang, wo ich
wieder irdisch werde und eine Gehpause einlege, wieder anlaufe,
alles so leicht empfinde. Beim Hotel Hubertusstock
befindet sich das Ziel, ringsum umgeben von aufgeräumten Wäldern.
Heute übernachten
wir ausnahmsweise im Doppelzimmer. 7 Stunden hat der Lauf gedauert.
2. Tag: Von Hubertusstock nach
Prenzlau, 67 km
Die abendliche Massage hat die
gepeinigte Muskulatur gut entspannt. Der Veranstaltungsleiter
Jörg Stutzke (Team LG Nord) warnt uns beim kollektiven Briefing
um 7:00 Uhr morgens vor der ansteigenden Hitze am Nachmittag. Wenn
wir vor Prenzlau in den schattenlosen Endmoränen liefen, sollten wir
uns vorsehen. Wir wären sonst zum Verdursten verurteilt. Vor
Hitzschlag und Hautverbrennungen warnt er uns ausdrücklich. Zuerst
aber führt der Weg hinter Joachimstal immer weiter im angenehmen
Schatten durch den Wald, der bald lichter wird. Wir queren nur noch
Waldinseln, dann beginnt der Lauf sehr schwer zu werden. Noch 25 km
bis Prenzlau. Die Hitze erschöpft mich völlig. Weite Felder,
goldgelbes Getreide wogt über die Endmoränen. Silberne Inseln
stiller kleiner Seen zieren die dörferfreie Landschaft, die sich
dort, wo die agrarischen Steppen enden, in grüne Zentren unserer
Sehnsucht verwandelt haben. Schön wär's jetzt nackt zu sein, ins
frische Wasser zu tauchen, die Hitze an unserer Haut verdampfen zu
sehen. Wir laufen paarweise, lenken uns ab, machen uns Mut. Tom
Kuschel sei Dank und all Euch anderen. Heute sind 67 km zu
laufen. Die letzten km: Die Türme von Prenzlau spitzen aus einer
Entfernung von 14 km über den gleichlautenden See. Ich entspanne
wieder, falle zurück in meine Sicherheit, das Ziel ist jetzt wieder
begreifbar, auch gehend komme ich weiter. Kurz war Zeitbedrückung da
gewesen, jetzt auf einmal nicht mehr. In Etappen läuft es sich
leichter: Bis zum nächsten Anstieg, bis ans Ende eines unbewohnten
Dorfes, bis zum nächsten Verpflegungsstand. Ein Gefühl, etwas ganz
Stilles ist es, wenn man das Laufen wieder beginnt. Mehr als das
Gehen stillt einen die läuferische Fortbewegung. Im Ziel: Jeder wird
mit Freude empfangen, die Leistung einmalig gewürdigt, mit Namen
angekündigt. Ich lege mich, weil nicht sofort in der Lage mich
umzuziehen oder zu duschen für 1 Stunde erschöpft ins Gras. Danach
muss aber die Wäsche gewaschen werden. Duschen sollte man auch
täglich, denn am Abend, kommen wir Läufer uns doch zu nah. Wer an
den Verpflegungsstellen, die im Abstand von 8 km organisiert sind,
Kleidung oder Versorgung deponieren möchte, sollte sich jetzt auch
darum kümmern. Um 19:00 Uhr gibt es ein großes Abendessen mit
Grillbüffet in der Turnhalle. Durch die Euphorie heute in der
morgendlichen Kühle habe ich jede Vorsicht vergessen, die Arme dem
hellen Tag geöffnet, mich ausgezogen. Mein Rücken ist verbrannt! Im
Rausch der Gefühle habe ich jeden Schutz vergessen. Ich sitze
aufrecht die halbe Nacht im Luftzug, der von der offenen Tür in die
große Halle zieht, wo alle lautlos schlafen, um die Schmerzen
wegzukühlen.
3. Tag: Von Prenzlau nach Egesin,
70 km
Heute ist die längste Strecke zu
laufen. 70 km wird die Distanz zwischen Prenzlau und dem Zielort
Egesin sein, 8 km von Uckermünde entfernt, wo das Stettiner Haff
schon weit ins Land heranreicht. Im Frühlicht laufen wir durch die
belebten Außenstraßen von Prenzlau in eine abwechslungsreiche
Landschaft. Unberührt mit weißen steigenden Nebelschleiern liegt das
flache Land vor uns. Darin Bäume, Obstgärten, lange gereihte
Häuserreihen. Dahinter weite Wiesen, in der Ferne wieder
Waldbestand. Hier oben war lange niemand freundlich zu den Menschen.
Man merkt wie erstaunt sie sind, dass wir im Vorbeilaufen ihnen mit
einem Grüß-Gott einen freundlichen Morgen wünschen. Irgendwie sind
durch eine furchtbare Epidemie, die nicht zu heilen war, große Teile
der Bevölkerung im Kollektiv verstummt. Unbeeindruckt und ohne ein
Wort zu sagen, schauen sie uns nach. In Pasewalk, die erste Stadt
seit Berlin, das schon 150 km hinter uns liegt, leiste ich mir zwei
große Erdbeershakes. Und löse damit meine am Gaumen angetrocknete
Zunge. Trotzdem springt mein Motor nur stotternd an. Wieder laufe
ich die Strecke allein. Kilometer für Kilometer trotze ich dem
Nachmittag ab. Über mehrere Stunden geht es nur geradeaus an der
Bundesstraße entlang. Die Wälder riechen nach Harz, die Sonne
flirrt, Läufer überholen mich angestrengt. An den zusätzlich
eingerichteten Wasserstellen ist es wichtig, den überhitzten Körper
zu kühlen. Das hilft tatsächlich. Die Körpertemperatur muss sinken.
Wie gestern schon scheide ich nicht über die Nieren aus, sondern nur
über die Haut, ich tropfe wie ein verrosteter Wasserhahn. Dabei
trinke ich gut 10 Liter. Wenn das so weiter geht, vergiftet sich
mein Körper. - 50 km erreicht. Nach vielen Km in der Sonne kurzes
Anhalten im Schatten, Selbstvergewisserung. Es stimmt alles mit mir!
Noch 20km, na also. Aber irgendwie macht es keinen Spaß mehr. Nur
cool bleiben und daran denken: "Ich bewege mich, also komme ich
weiter". Diesen Satz habe ich auf dem T-Shirt von Dauerläufer
Klaus Neumann gelesen. Meditierend ohne Anschluss an andere
Räume meines Bewusstseins trete ich dieses Mantra mit jeden Schritt
in die Erde vor mir - "Ich bewege mich, also komme ich weiter" -
Jörg König, Europa bis zum Nordkap durchgelaufen, und der
muselmanische Wunderläufer Mike Friedl laufen heran. Ich
aber, um nicht vor Bewunderung zu erstarren, laufe wieder erstarkt
leider voraus. Diesmal bleibe ich nach dem Zieleinlauf und nachdem
ich mich mit einen Gartenschlauch ausgiebig auf 0°C heruntergekühlt
habe, länger im Dämmerschlaf auf meine Luftmatratze im Schatten
liegen. Kreisende Gedanken halten mich gefangen. Ich stelle fest,
dass ich wie gestern nur Suppe zu mir nehmen kann, löffelweise. Wie
soll man da laufen können, sagen die anderen, die gerade genussvoll
das vierte Mal nachportioniert haben, mit Nudelbergen und
aufeinandergetürmten Steaks, wie um eine Woche im voraus satt werden
zu müssen.
4. Tag: von Egesin nach Usedom
(Stadt)
Das Weglaufen am Morgen folgt
immer demselben Ritual. Jörg Stutzke und sein Team schicken uns,
nachdem die Nummeranwesenheit lautstark kontrolliert wurde, um 7:00
Uhr auf die Strecke. Wären wir bei keinem Lauf, wir wären liegen
geblieben. Müde
und unausgeschlafen
macht die Truppe sich auf den Weg
und trabt nach einer guten Stunde, etwa 1km hinter der Stadtgrenze
von Uckermünde. Der Hafen lag beim Vorbeilaufen kurz sichtbar
linkerhand am Ufer des Haffs, den ersten Kontroll- und
Verpflegungsposten. Hätten wir im Hafen das Schiff genommen, in 2
Stunden wären wir in Usedom gewesen. Salz ist wichtig und Essen. Ich
kann nicht, spüre keinen Hunger 2 Tage lang. Nur nach viel Trinken
verlangt mich. 200 m hinter der Verpflegungsstelle kotze ich gequält
aus leeren Magen, das zweite Mal schon. Aber es geht weiter.
Wir laufen nicht weit vom Meer
entfernt. Aber es ist eine endlose Landschaft. Bis zum Horizont ist
ein seltsam niedriger Himmel gespannt. Einzelne Gebäude, unscharf in
der Ferne zu erkennen, verwirren mit ihren weißen Profil. Ein
Palast? Nein, ein Getreidesilo. Unscheinbar, wenn man endlich daran
vorbeiläuft. Der Läufer muss in der Monotonie seiner Bewegung
vertraute Sicherheit finden, muss genügsam sein, denn das Außen
affiziert ihn mit wenig Abwechslung. Nur bei den Verpflegungsstellen
findet er vertraute, freundliche Menschen, die sich seiner annehmen,
ihn ermuntern und weitergeleiten. Dank Euch allen. Der Atem geht, du
lebst, du läufst. Deine Beine bewegen sich, du gibst ihnen keine
Befehle. Dein Herz schlägt, du kämpfst nicht. Du wirst bewegt. Aber
so leicht ist Laufen nicht immer. Ich habe keine Kraft mehr, mein
Herz schlägt auf Anschlag. Wann kommt Anklam? Ich will aus diesem
Sumpf heraus. Der abgestorbene Stangenwald auf den Seen
beeindruckt. Oder
ist es schon die Küstenlinie? Nachts wäre ich in die Priele gefallen
und ertrunken. Auch Diethardt Steinbrecher, naher Begleiter
auf vielen Strecken, ist mir nun enteilt. Er hat kein Interesse mehr
an diesen amphibischen Naturschutzgebiet. Anklam kommt, wieder eine
Stadt. Ein Bier beruhigt den Magen. Ein großer Milchshake, ich
dränge mich in der Eisdiele einfach vor, rede von Wettkampf und so,
baut mich wieder auf. Jetzt überholen mich schon die „Schnellen
Hirsche“ (Ingo Schulze), die eine Stunde später gestartet sind.
Rene Strosny, zukünftiger Sieger, zieht mit einem sympathischen
Lächeln so unangestrengt vorbei. Morgen Abend werden wir (unvergessbar,
was wir heute noch nicht wissen) bei seiner Hochzeit mit Angela
dabei sein dürfen. Weit voraus sehe ich die blau gestrichene Brücke,
die über den Sund auf die Insel hinüber führt. Endlich, endlich! Das
Meer. Nein nur ein schmaler Streifen Wasser, keine 300 m breit.
Usedom beginnt gleich dahinter unverändert mit Wiesen und mit grünen
Buschrainen umrandeten goldgelben Feldern. Denn erst, wenn wir die
Insel durchlaufen haben, dann erst kommt das Meer. Lange vorher
sehen wir die Kirchtürme der Stadt Usedom, die lange nicht näher
kommen. Im Halbkreis drehen sie sich in gleichbleibender Entfernung
zu uns her. So auf Umwegen müssen wir die Stadt umkreisen. Hinter
mir höre ich einen Läufer laut singen, irre geworden von der Hitze
und dem Alleinsein. Ich lasse ihn passieren, hefte mich aber an
seine Fersen, um nicht dasselbe Schicksal erleiden zu müssen.
Tag
5: Von Usedom nach Karlshagen 60 km
Die Zeitkorridore, das Diktat unseres
Unterwegsseins, die Not nach der Uhr zu laufen, sind endlich
aufgehoben. Heute kann jeder ankommen, wie er möchte. Der Läufer von
gestern lädt mich unterwegs zu einem Bier ein. Ich trinke schnell
aus, laufe weiter, als er noch länger auf einen Nachzügler wartet.
Die Küste kommt nicht spektakulär in Sicht, wie ich beim ersten Lauf
erwartet habe. Sondern auf einmal aus dem Buchenwald herauslaufend
gelangt man unversehens in eine Zone touristischen Wahnsinns.
Schnurgerade an der Küste entlang. Die angereihten prächtigen Villen
links. Das mühselige Fortkommen gegen ignorante, aggressiv geltend
gemachte Platzansprüche entgegenkommender Urlauber, meist kugelrund
aus Mangel an Bewegung, stört den Lauffrieden der letzten Tage. Über
Steilanstiege, alles so herrlich schön. Die Aussichten auf das Meer
von der Steilküste aus. Ach Ostsee, du Stille, du Glitzernde, ich
verteile deine Freuden an alle. Wie an einer Leine laufen wir die
mondänen Ostseebäder hintereinander ab. Immer an der Promenade
entlang. Türkisblau symphonisiert die Ostsee durch Spaliere in den
Dämmen vom verlockenden küstenweißen Strand herauf: Ahlbeck im
Osten, Bansin, Heringsdorf, das sich gerne als Elite unter den
anderen Orten fühlt, Ückeritz, Zinnowitz und dann Karlshagen, unser
Ziel. Nur dahinter gibt es noch einen bösen Ort, den wir nicht
betreten: Penemünde. Der längste Campingplatz Deutschlands muss
durchlaufen werden. Kioske verführen zum verfrühten Genuss. Die
Leute kennen uns, fünfmal hat der Baltic Run hier durchgeführt.
Manche der Urlauber, denen wir nicht im Weg herumlaufen, empfinden
sogar Bewunderung, eher Unglauben, halten uns für sensationelle
Überläufer. Dabei ist Laufen so einfach. Man braucht einen
Beschluss, es jetzt zu tun. Die Fitness trainiert man sich.
Motivation und ein Gefühl braucht man, dann ist alles so einfach.
Weit zu laufen, ist kein Geheimnis. Meist sind die Grenzen, die wir
anerkennen, ohne Vertrauen in unsere Fähigkeiten selbst gewählte
Beschränkung. Ich bin am Ziel. Läuferisch habe ich die Tage
überraschend gut überstanden. Die Schwellungen an den Füßen werden
zurückgehen. Die Achillesferse ist entzündet, schmerzt heute nur
noch erträglich. Ans Nordkap hätte ich damit nicht laufen können,
aber jetzt ist Karlshagen um die Ecke. Nur eine Sandpassage durch
einen harzig duftenden Kiefernwald noch. Dann hat die Natur keine
Chance mehr gegen den properen aufpolierten Badeort. Michael ist im
Ziel, umarmt mich. Schön angekommen zu sein.
Gottfried Oel
Bilder Vortag
(alle Fotos von Tom Fedler)
Briefing |
Das letzte Essen vor dem Start |
Ruhelager in der Halle beziehen |
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Bilder Tag 1
Start vor dem Reichstag in Berlin |
Naturwege außerhalb Berlins |
Durch kleine Ortschaften |
So sieht eine Verpflegungsstelle aus |
Außerplanmäßiger Stopp: Biergarten |
Boote auf den Kanälen |
Werbellin-See |
Zielempfang |
Bilder Tag 2
Sammeln zum Start (irgendwie unspektakulär) |
Sumpflandschaft |
Die Sonne brennt |
Nochmals am Werbellin-See |
Noch spenden Wolken etwas Schatten |
Still durch die Landschaft |
Taubenturm in Glambeck |
Aah, schattiges Wegstück |
Jetzt gibt es Sonne pur und wird sehr warm |
Verpflegungsposten |
Farben pur: Roter Weg, blonde Felder, blauer Himmel... |
...blaue Ackerblumen am leuchtendgelben Sonnenblumenfeld |
Radweg |
Wir sind mitten in der Uckermark |
Seenlandschaft |
Am Radweg zu Fuß |
Prenzlau ist in Sicht |
Ziel Tag 2 an der Sporthalle |
Ausruhen, und jeder richtet sein Schlaflager... |
...dann wird geplaudert bei Essen |
Bilder Tag 3
Sammeln zum Start |
Die Schnellen starten 1 Stunde später |
Los geht's wieder |
Letzter Blick zurück: Der Prenzlauer Dom |
Weite Felder-Landschaften |
Auch ein Feld: Nach 45min ist das Läufer-Feld noch zusammen |
Typisch für Mecklenburg-Vorpommern: Alleestrassen |
Dorfkirche Nechlin |
Viel Wind gibt es hier, leider nur nicht heute |
Ostesee-Radweg |
Kühler Buschweg |
Pasewalk |
Stadttor |
Typische lange Geraden |
Mal wieder ein Waldstück |
Nochmal über die Ücker... |
...wo man herrlich paddeln kann |
Zielankunft... |
...an der Sporthalle |
Jetzt den kühlen Schatten suchen und ausruhen... |
...oder einfach mal hinsetzen |
Autor Gottfried (links) ist ganz schön geschafft
(Foto: Veranstalter) |
Abendessen |
Bilder Tag 4
Schon Routine: Sammeln vor dem Start... |
...und der Tagestrott beginnt |
Hafen Ückermünde |
Viele Kanäle hier... |
...und kaum mal Schatten... |
...dafür viel weites ebenes Land |
Immer wieder Seen |
Die Strasse ins Nirgendwo |
Anklam |
Stadttor |
Wieder in die weite flache Landschaft... |
...und wieder mal eine Alleestrasse |
Leuchtturm bei Karnin |
Übel zu laufende Strasse, die Füße sind sehr müde |
Wir erreichen endlich Usedom... |
...Stadttor |
Ah, das Ziel ist da |
Jetzt Füße ins kalte Wasser stellen |
Bilder Tag 5
Start zum letzten Tag |
Wieder flach und weit |
Herrliche Alleen |
Radweg Insel Usedom |
Viel Schatten heute |
Ahlbeck |
Endlich erreichen wir die Ostsee - Reinspringen wäre jetzt gut! |
Strandhotel |
Strandpromenade |
Der Kontrast "Laufen" und "Strandpromenade"...
(Foto: Veranstalter) |
...macht irgendwie frei
(Foto: Veranstalter) |
Eine Seebrücke |
Hügelig |
Schöne Sumpflandschaft |
Sehr schwere letzte km: Sandweg |
Oh, es wird noch schlimmer |
Durch den Zeltplatz... |
...ins Ziel |
Und jetzt endlich ans Meer... |
...und in die kühlenden Wellen steigen |
Überraschung: Angela+Rene (Sieger) heiraten |
Infos:
www.baltic-run.de
(Teilnehmer: 70)
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