Freitag,
meine Arbeitswoche mit wenig Schlaf geht zu Ende. Ich springe ins Auto,
um schnellstmöglich nach Bad Ragaz zu kommen. Ich freue mich schon auf
das Wiedersehen mit meinem Bruder dort und seiner Familie, aber zuerst
müssen die Startunterlagen geholt werden. Vor der Tourismus-Zentrale
steht dazu Umberto mit seiner Partnerin.
Ein kleiner
Wermutstropfen: Wegen der widrigen Wetterverhältnisse wird die Strecke
geändert. Die Schweizer Bergrettung hat die Laufstrecke nicht
freigegeben wegen der Schneehöhe auf 2.300m und der Regenfälle in den
tieferen Lagen. Also Plan B: Aus der Rundstrecke wird eine Hin- und
Rückstrecke, mit Wendepunkt an der Spitzmeilenhütte. Die neue Distanz
beträgt jetzt 70km mit 5.000 Höhenmeter.
Samstag,
ausgeschlafen ist etwas anderes. Aber voll freudiger Erwartung auf einen
spannenden Lauf, treffe ich mich mit Thomas Schmidtkonz in Wangs an der
Pizolbahn. Gemeinsam fahren wir hoch zum Start, Furt (1.522m). Ein paar
Berghotels gibt es hier oben, und auch ein größeres Schlaflager zum
kleinen Preis. Hier oben herrscht schon reges Treiben, die allerletzten
Vorbereitungen werden getroffen. Es ist noch kühl, aber die Vorhersage
verspricht bestes Läuferwetter. Wir gehen zuerst zur Überprüfung unserer
Pflichtausrüstung. Alles ist komplett. Eigentlich würde
ich gern mit Stöcken laufen, aber da ich nie mit Stöcken trainiert habe,
entscheide ich mich dagegen. "Kein Experiment im Wettkampf" heißt es.
Nur 4 der 82 Läufer starten ohne Stöcke. Stunden später weiß ich warum:
Solche Strecke mache ich nie wieder ohne Laufstöcke.
Pünktlich um 08:30
Uhr knallt der Startschuss. Einige hundert Meter geht es bergab und die
Ersten sprinten, als ob es um einen Hundertmeterlauf geht. Thomas und
ich starten wie immer als Schlussläufer. 20min später, es geht bergauf,
befreie ich mich von der langen Laufbekleidung. Die Landschaft
ringsherum ist einfach nur schön (die Wege weniger). Da dies mein 1.
Trail ist, gehe ich es ruhig an und versuche meinen Rhythmus zu finden.
Oft bleibe ich hinter Läufern, da das Überholen auf diesen schmalen
Wegen nicht einfach ist.
Nach 1:20 h und 6km komme ich an die 1. Verpflegungsstation in Gaffia.
Leider nicht ganz unversehrt: Socke und Knöchel leicht lädiert, aber es
geht schon. Und weiterhin nur bergauf, vorbei am Baschalva-See, bis auf
2.309m zum Gamidaurspitz. Danach bergab über die Gamidauer Alp,
Oberprecht und Unterprecht, teils mit 54 % Gefälle, nach Schwendi bis
auf 908m runter. Aus vielen km Entfernung vernehmen wir ein lautes
Glockengeläut. Heute ist Alm-Abtrieb (siehe Video), dazu
werden den Kühen extragroße Kuhglocken umgehängt. Sie werden zu
Hunderten, runter in die Dörfer geführt.
Von Schwendi nach
Weistannen, zur großen Verpflegungsstelle, ist es nicht mehr weit. An
einer Weggabelung stehen 10 Läufer und beraten, ob sie den Weg hoch oder
runter nehmen müssen. Zum Glück entschieden wir uns für den Bergab-Weg.
So können wir nach 20km endlich unsere Energiereserven und Trinkbehälter
auffüllen.
Allein laufe ich
weiter, bis Werdenböll. Hier gibt es noch mal frisches Bergwasser.
Die Streckenposten verteilen Gel und Riegel. Ich treffe auf Daniel
Steiner, ein lustiger Schweizer Laufreporter. Sehr unterhaltsam geht es
weiter.
Um 13:54 Uhr kommt
uns der führende Läufer, Ueli Schneider entgegen. Während wir noch 2
Stunden bis zum Wendepunkt benötigen, ist er schon seit 50 min auf dem
Rückweg. Auf dem Foto seht Ihr, das er wirklich noch topfit unterwegs
ist.
Kurz nach Obersiezsäss geht es wieder steil bergauf. Vorbei am
Chammhüttli steigen die nächsten 2km von 1.809m auf 2.275m. Puh! Dann
kommen nur noch 5km Hochebene bis zur Spitzmeilenhütte. Oh, es eröffnet
sich ein wunderschönes Panorama, wenn nicht gerade ein paar Wolken die
Sicht behindern.
Endlich an der
Spitzmeilenhütte angekommen, will ich mich eigentlich nur
schnell verpflegen, umziehen und gleich wieder zurück. Doch kaum habe
ich mich kurz hingesetzt, spielt mein Kreislauf verrückt und die Welt
dreht sich um mich… Damned!
- Die Sanis sind sofort zur Stelle und helfen mir. Mein Blutdruck ist zu
hoch und der Puls will selbst nach 1 Stunde, nicht unter 95 Schläge
fallen. Alle Läufer, die ich längst überholt hatte, sind nun an mir
vorbei, auf dem Rückweg. Da kommen zum Glück als Schlussläufer noch
meine Lauffreunde Thomas Schmidtkonz und Bernd aus Hagen zum Wendepunkt.
So muss ich nicht
allein bei Nacht durch die Berge, was zu gefährlich wäre (nicht wegen
der Bären, sondern wegen meines kleinen Aussetzers). Unser Rückweg wird
gemütlich, aber auch sehr anstrengend. Das Wetter spielt jetzt super mit
und so können wir viele schöne Ausblicke im Bild festhalten.
An einem VP-Punkt gibt es nur
Wasser + Gel, weil der Transport anderer Sachen zu aufwändig ist
(und wegen dem Naturschutzgebiet auch nicht genehmigt).
Zu
uns 3 Schlussläufern kommen die Streckenposten, die hinter uns die
Streckenmarkierungen einsammeln. Sie haben dabei viel Spaß und wir
kommen oft ins Gespräch. Zwar sind die Burschen ausgeruht, haben aber
neben ihren großen Rucksäcken auch noch die Markierungshölzer zu tragen,
und damit sicherlich 30kg Marschgepäck dabei.
21:00 Uhr, es ist
längst dunkel und wir sind wieder in Weistannen eingetroffen. Wir
verpflegen uns ausgiebig und wechseln nochmal die Kleidung. Der Himmel
ist sternenklar und es wird kälter. Thomas und Bernd sprechen darüber,
dass sie für die letzten 17km noch 7 Stunden planen. Dies Vorstellung,
noch mal solange unterwegs zu sein, und durch die Nacht, das deprimiert
mich. In meinen Gehirnwindungen entsteht der Gedanke hier und jetzt
aufzuhören. Bis zum Wendepunkt hatte ich 7:30 Stunden
benötigt, der Sieger gesamt nur 8:23 Stunden.
Doch bald ist mein
Kampf- und Teamgeist wieder erwacht. Langsam geht es weiter. Es dauert
nicht lange und wieder gesellen sich Streckenposten zu uns, um alle
Markierungen zu entfernen. Hiermit, möchte ich mich für die tolle
Leistung und das Engagement der freiwilligen Helfer bedanken.
Sie haben an diesen Tagen nicht weniger geleistet, als wir Läufer!
Manche VP-Stationen sind nur zu
Fuß in mehrstündigen Wanderungen erreichbar.
Und immerhin sind auch sie schon seit 05:00 Uhr unterwegs und laufen
jetzt noch viele km, bis weit nach Mitternacht, mit uns durch die Berge.
Am Ende ihres Weges geben sie uns sogar noch Riegel und Tee aus ihren
eigenen Vorräten.
Bernd fängt an zu
frieren und mag nicht länger mit Thomas im ruhigem Ultra-Schlapp-Schritt
laufen. Da wir Thomas in guter Gesellschaft der Streckenposten wissen,
gehe ich mit Bernd, denn allein sollte niemand unterwegs sein. Ab 2.000m
finden wir Raureif auf den Wiesen. Bernd hat die beste Lauflampe die es
gibt, mit 900 Lumen kann die Flugzeuge vom Himmel holen. Leider hat er
damit 1 kg Gewicht am Kopf hängen. Dann endlich sind wir wieder über den
höchsten Punkt (2.300m), es geht runter nach Chalchofen (1.870m) und von
dort immer die Skipiste runter bis zum Ausgangspunkt Furt/Wangs auf
1.522m.
03:03 Uhr zeigt
meine Uhr als Zielankunft! Umberto und sein Team stehen immer noch
bereit, um uns zu empfangen.
Wir haben fertig,
fix und fertig! Nur noch schnell ins Berghotel Furt, und etwas essen.
Hier sitzt Thomas Wossning, ein junger Mann aus Freiburg, den ich
gestern auf einem Teil meines Weges bis Schwendi begleitet habe. Er ist
den Rückweg mit 2 Läufern aus Immenhausen gelaufen und 70min vor uns
angekommen. Schnell essen und trinken wir, denn unser Shuttle wartet, um
uns runter nach Wangs, zu unseren Autos zu bringen.
Thomas Schmidtkonz kommt 20min nach uns ins Ziel und hat viel zu
berichten. Er hat mit den Streckenposten über Gott und die Welt
philosophiert.
Die schönen
Bilder
(alle Bilder im Großformat
gratis
hier zu haben)
Sven vor seinem 1. Ultra-Trail |
Thomas Schmidtkonz, alte "Bergziege" |
Zur
Einstimmung die Höhenmeter
(Bild:
Veranstalter) |
Die Berge in der Morgensonne |
Fertigmachen im Hotel... |
...oder davor |
Es gibt hier ein paar weitere Berghotels |
Hier führt auch ein Skilift herauf |
Ausrüstungskontrolle |
|
Die 183 Starter kurz vor dem Startschuss |
Und los geht's... |
...bergab... |
...die Schnellen rennen davon |
Ganz hinten kommen die Genussläufer... |
...Thomas (und ich) |
Bergab im Wald |
Ein Wasserlauf quert unseren Morgenweg |
Blick auf Wangs |
Kühle Wälder |
Im Tal wieder Wangs |
Thomas flieht vor den Wanderern, denn... |
...ein paar über
60jährige Kampfwanderer verfolgen ihn |
Weiter oben: Wieder ein Blick ins tiefe Tal |
Das ist der Pfad |
Schnee, das Übel weswegen die Tour gekürzt wurde |
Noch einmal Wangs |
Über Bergweiden |
Gipfel auf 2.011m |
Schneegrenze erreicht auf 2.000m |
Unten kommt die erste Sonne |
Von jetzt an geht's lange abwärts (1. Berg vorbei) |
Km6,5: Unsere 1. Versorgungsstelle in Gaffia |
Blick zurück nach Furt (Start + Ziel) |
Hart an der Schneegrenze |
Kurz vor dem... |
...Baschalva-See |
Nach dem See ist bald der höchste Punkt erreicht... |
...Bergwacht/Streckenposten (Blick zur
Gamidauer Spitz 2.309m |
Abwärts nach Schwendi, Blick auf den Schwarzschopf (2.460m) |
Wir laufen seit einer Weile zu dritt |
Blick ins Tal |
Hütte und "Not-Wasser" bei Oberprecht |
Mit 54% Gefälle bergab! |
Pfad am Rande des Massivs entlang (Gamidauer Alp) |
Für einige Zeit laufe ich jetzt mit... |
...dem jungen Thomas Wassnig |
Das Schwendi-Tal |
Zum Glück kein elektrischer Zaun |
Genialer Blick auf die Bergkette, oder? |
Endlich feste Wege (fein!) |
Wir lassen es rollen |
Vorbereitung für den großen Alm-Abtrieb... |
...mit extra-großen Kuhglocken... |
...eine alljährliche Festlichkeit |
Weiter runter bis Schwendi |
Nach 3 Stunden und ca. 20km... |
...am rutschigen regennassen Weg... |
...erreichen wir Schwendi |
|
Weiter nach Weißtannen |
Kuscheliges gemütliches Heim |
Nach dem Verwirr-Verirr-Punkt... |
...wieder auf dem rechten Weg, Einrollen nach Weißtannen |
VPS, unser "Haupt"-Verpflegungsstelle... |
...mit warmer Bouillon, Käse und Salzigem |
Ruhige flache malerische Wege |
Kleine Berghütte |
Ganz leichte Steigung... |
...am Fahrweg |
Blick voraus Richtung Wendepunkt |
Wasser rieselt überall vom Berg |
Kleine VP-Stelle mit Gels und Wasser... |
...aus dem Trog... |
Wegposten halten sich am Feuerchen warm... |
...sie wissen nicht, wie laaange sie noch auf uns warten müssen |
Wieder ein wunderschöner Blick |
Unten die Berghütte von vor 20min |
Der Führende, Ueli Schneider... |
...kommt uns entgegen (wir brauchen noch 2 Std bis zur Wende) |
Der Zweite |
Da links geht es gleich hoch: Beschwerlich! |
Mit Daniel (auch Laufreporter)... |
...ist es immer lustig |
Blick zurück |
Der Dritte rauscht vorbei... |
...ohne Gnade durch's Gelände |
Begegnung mit dem Viertplatzierten |
Kein richtiger Weg hier: Blick zurück... |
...auf Obersiezsäß |
Wieder einer kommt entgegen... |
...kurzes Mini-Interview... und weg ist er |
Blick ins Tal beim Aufstieg zum Chammhüttli... |
...ich lasse die beiden hinter mir |
Die 1. Frau fliegt heran... |
...und weiter |
Von da steil unten kommen wir her (2km 500 Höhenmeter).
Und da müssen wir am Rückweg wieder runter! |
Die Zweitplatzierte
|
Die Dritte ist zu schnell weg |
Knapp unter der Wolkendecke (eingeschränkte Sicht) |
Hochebene |
Sehr nasser Boden |
Ist es nicht ein herrliches Bild? (Tiefe Wolken vor der
schwarzen Spitze) |
Wieder ein Schneller am Heimweg... |
...kurz vor der Wende... |
...an der VP Spitzmeilenhütte... |
...mit Broten, Gurken, Riegel+Gels, Schokolade, Bouillon,
Cola... |
Nach meiner 1-Std-ZWangspause: Thomas, der Schlussläufer |
Die Sonne strahlt bunt (Thomas kommt, die Sonne scheint!) |
Thomas mit GPS (stimmt auch nicht 100%ig) |
Ganz oben auf der Hochebene |
Super Panorama... |
...das kann man gar nicht auf Foto festhalten |
Am Heimweg: Diese Weg... |
...kennen wir, und diesen Blick... |
...auf die Bergkette |
Wir wandern heimwärts |
Wieder in die tief hängenden Wolken rein |
Ständiger Wechsel mit Sonne |
Wir sind zu dritt |
9 1/2 Stunden unterwegs |
Immer noch auf der Hochebene |
Ein paar Reste Schnee von den jüngsten Wetter-Kapriolen |
Sehr selten: Wegweiser |
Noch 1 Std hell, kurz vor dem steilen Stück abwärts... |
...es wird kühl |
Eine Wand mit Schnee, dort wäre der Originalweg |
Chammhüttli: Bergwacht/Streckenposten pausieren |
Die Sonne ist fast weg... |
...nur noch an den Gipfeln |
--> So..., leider gibt es nun keine Fotos mehr in der
Dunkelheit.
Ich habe noch 8 Stunden Nacht-Laufen vor mir. |
Nach 18:33 Std bin
ich endlich im Ziel.
Fazit:
Ein super-schöner, aber auch sehr anstrengender Trail. Nichts für
Anfänger!
Alles ist bestens organisiert, mit ausreichend Verpflegung.
Bis auf 2 Ausnahmen ist der Weg sehr gut ausgeschildert und markiert.
Jetzt werde ich
mich wochenlang gut erholen und ausschlafen. Ganz sicher!
Euer Sven
Infos:
www.sardona-ultratrail.com
(Finisher: 158 von 183 gestarteten)
Link: zum
Bericht von Thomas
Schmidtkonz
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