2015 nun ist es endlich soweit,
eigentlich wollte ich ja schon 2014 starten, aber wir mussten die Reise
kurzfristig absagen. Umso mehr freue ich mich jetzt auf den Start. Wir
reisen zuvor 2 Wochen im Land herum, wir machen Wanderungen. Bei den
wenigen Läufen bin ich gar nicht in Form – wie das wohl geht, wenn ich
56km laufen soll und jetzt schon bei langsamen 10km kaputt bin. Nicht
gerade berauschend. Es wird mir richtig mulmig.
Am Donnerstag fahren wir zur Marathonmesse. Eine
riesiglange Kolonne um das Gebäude. Die stehen alle für die
Startunterlagen an. Nee, da habe ich keine Lust drauf und ich frage eine
Helferin ob das die Warteschlange wäre. Sie bejaht aber zugleich fragt
sie: "Are you international?", dann muss ich nicht anstehen, sondern
kann ganz nach vorne und dort meine Nummer abholen. Wow, also gehen wir
direkt ins Messecenter (die Südafrikaner stehen 2 Stunden an) und ich
erhalte meine Nummer + Unterlagen zum 6km-Friendship-Run, der am Vortag
geht aber wirklich nur Spass ist. Nein, ich starte da nicht, denn es ist
heiss, wir müssten früh raus und zusätzliche 6km einen Tag vor meinem
ersten 56km-Lauf? Das will ich dann doch nicht.
Wir fahren am Freitag die
Strecke ab und machen aus, wo mich mein Remo und sein Freund, der hier
lebt treffen. Sie werden mit dem grossen BMW Motorrad unterwegs sein,
flexibler als mit dem Auto. Oh, beim Abfahren der Strecke wird mir ganz
komisch. Daaas soll ich alles laufen? Trotzdem bin ich froh, dass ich es
gesehen habe und weiss was mich erwartet. - Am Abend treffen wir uns mit
unseren Schweizerfreunden Bruno und Markus. Mit Bruno laufe ich viel in
der Schweiz. Da er verletzt ist, kann er selber nicht starten aber den
Urlaub haben sie deswegen nicht abgesagt.
Um 3:30 Uhr morgens geht der
Wecker. Der Wetterbericht sagt: Sonnig, 24°C und 50km Wind. - Es kommt
dann aber anders, glücklicherweise: Es ist bewölkt, 1,5 Std. leichter
Regen und Temperaturen bis 19°C. Doch der Wind ist sehr stark
und deshalb fühlt es sich viel kühler an. Das kommt mir aber entgegen –
viel lieber als Sonnenschein und heiss. Einziger Nachteil: Nicht so
viele Bilder.
Das Rennen
In Südafrika gibt es keine
öffentlichen Verkehrsmittel also reisen alle mit dem Auto
an. Deshalb heisst es frühzeitig los, um nicht im Verkehrsstau stecken
zu bleiben. Obwohl – ich hätte ja den Vorteil, dass ich im Notfall aufs
Motorrad aufsteigen und zum Start bringen lassen könnte. Wir sind aber
gut dran und finden einen Parkplatz, wo das Auto bis zum Schluss stehen
kann. Die restlichen 1,5km gehe ich mit den vielen anderen Läufern zum
Start. Es ist noch komplett dunkel, aber die Strassen sind beleuchtet.
Im Startgelände herrscht schon Hochbetrieb und es ist gute Stimmung. Wir
hören den Startschuss für die Halbmarathonis, die 30min. vor uns
starten.
6:20 Uhr, jetzt geht es langsam los. Ein altes Fischerlied wird gespielt
und die Läufer singen mit. Sehr bewegend (siehe/höre
Video).
Es folgt die Nationalhymne, welche auch mitgesungen wird, dann wird das
Fischerhorn geblasen und kurz danach knallt der Startschuss. Hier gibt
es keine Nettozeit, die Zeit läuft ab Startschuss.
Ich laufe über die Startlinie
und gleich danach sehe ich viele freie Tixi-Klos. Diese Gelegenheit
nutze ich, da vor dem Start zu lange Schlangen waren. Nach dem Warten
bis zur Startlinie + Toiletten-Stopp starte ich dann nach gut 10min.
Wenn ich deswegen nur nicht die 7-Std-Cut-Off-Zeit verpasse und
dann keine Finisher-Medaille erhalte! - Aber im Moment kümmere ich mich
nicht darum – jetzt muss ich erst einmal los.
Schon nach 1km treffe ich auf
meine Supporter, noch im Dunkeln. Wenn ich nicht gerufen hätte, hätten
sie mich nicht gesehen. Die ersten 5km laufe ich alleine im grossen
Pulk. Dann schliesse ich zum Pacemaker 6:30 auf. In Südafrika heissen
die nicht Pacemaker sondern ‚Bus‘. Eine lustige Truppe. Ich komme
gleich ins Schwatzen und mir wird viel erklärt: Bus nennt man es, weil
es eine grosse Gruppe ist, die zusammen ist. In der Gruppe laufen auch
einige meiner Teamkollegen mit. Der "Busfahrer" ist ein sehr erfahrener
Läufer. Er ist auch Pacemaker beim berühmten Comrades Marathon und das
schon seit Jahren. Es geht lustig zu in dieser Gruppe. Nachdem klar ist,
dass ich ein ‚Internationaler‘ bin, werde ich ankündigt: "Runners, we
have an International in the bus, Marion from Switzerland". Und die
ganze 100-Leute-Gruppe johlt und begrüsst mich. Irgendwann wird bekannt,
dann ein anderer unserer Passagiere heute seinen 50ten Geburtstag hat.
Somit singt der ganze Bus "Happy Birthday". Es läuft einiges im Bus ab
und ist sehr kurzweilig. Der Busfahrer hat eine ganz spezielle
Strategie: Schon auf den flachen Stücken hält er alle 5km an und geht
ein Stück. Damit das alle mitbekommen schreit er laut: "Runners walk".
Da es nicht alle hören, reissen alle die Arme hoch und somit sehen die
hinteren Läufer und der Bus geht in Gehschritt über. Schon nach kurzer
Zeit ruf der Pacemaker wieder: "Runners running again" und der ganze
Bus fällt wieder in den Laufschritt.
Die ersten 20km sind alle auf
der gleichen Strasse und geradeaus. Trotzdem muss man
sehr aufpassen: Auf der Mittellinie und oft auch an den
Seitenlinien hat es sog. Katzenaugen, kleine Erhebungen
die leuchten. Läuft man jedoch im Pulk oder ist müde, dann sieht man sie
nicht und schnell stolpert man darüber und liegt flach. Zudem sind die Strassen nicht so gut wie bei uns und es ist
uneben. Noch mühsamer ist, dass die Strassen zur Seite neigen, d.h. die
Füsse sind fast permanent leicht in der Schräge. Besonders in den Bergabpassagen geht
das auf Sehnen und Bänder. Einige Läufer hatten mich vorgewarnt. Aber ich hätte mich darauf eh
nicht vorbereiten können, weil es das bei uns nicht gibt.
Ab km 25 geht es dann
zur Sache. Die angepasste Strecke führt über "On Kaapse Weg" und geht
6km stetig hoch. Links und rechts ist leider alles
abgebrannt von schlimmen Feuern. Gut, dass es bewölkt ist, sonst
müssten wir hier in der prallen Sonne – null Schatten – den Berg hoch.
Wir joggen immer 900m, dann 100m gehen und wieder joggen. So
kommen wir den Berg hoch – bei vollem Gegenwind. Oben angelangt ist der
Wind noch stärker.
Ich überlege ob ich mich lieber in der Gruppe vor dem Wind verstecke
oder vorne weg laufe? Ich entscheide mich vorne zu
laufen, habe zwar Gegenverkehr von Autos, aber ich sehe die Katzenaugen
besser.
Autsch, was ist denn das? Ich
habe plötzlich einen brutalen Stich unter dem letzten Rippenbogen,
aber nicht an der Seite. Ich muss mein Finger heftig reindrücken,
um es auszuhalten. Eigentlich müsste ich jetzt gehen, aber das will ich
nicht, da verliere ich zu viel Zeit. Also beisse ich auf die Zähne und laufe
weiter. Ich weiss ja, dass nach dem Berg meine Supporter wieder auf
mich warten (bei 35km, zu km19 konnten sie nicht kommen weil die
Strassen abgesperrt waren).
Unten angekommen nehme ich einen Apfelsaft, gehe und trinke. Remo sagt, dass sie nicht an die anderen abgemachten Punkte
fahren können, weil die Strecke geändert wurde und abgesperrt
ist. Also: Ich sehe sie erst wieder im Ziel.
Ich laufe wieder langsam los, der Schmerz ist weg. Nun läuft es mir
sehr gut. Und was ist denn das jetzt? Alle Läufer werden aufgehalten, damit der Verkehr
weiterfahren kann. Das habe ich noch nie gesehen. Normalerweise werden
die Autos angehalten, damit die Läufer nicht gestört werden. Na ja, das
ist Afrika. In Gedanken verloren sehe ich nur aus dem
Augenwinkeln eine grosse Schweizer Fahne. Und beim genauen Hinsehen: Ja
da sind meine Freunde Bruno und Markus. Vor lauter Aufregung und
Freude vergesse ich doch glatt ein Foto zu machen. Bruno wollte auch
laufen, aber er ist leider verletzt und muss zusehen. Ich habe
schon 38km.
Bei km 46 sehe ich jemanden weit vor mir 2
Motorradhelme schwenken. Natürlich erkenne ich sie sofort. Sie haben
einen anderen Ort gefunden wo sie mich nochmals anfeuern können. Mein
lieber Schatz und sein Freund. Ja das freut mich natürlich. Jetzt sind
es noch 10km bis ins Ziel. Es geht nochmals bergauf und auch auf den
letzten Kilometern ist es wellig. Langsam gehen mir diese schrägen
Strassen auf die Nerven.
Jetzt erkenne ich das
Universitätsgelände – wir sind auf dem letzten Kilometer. Bald biegen
wir auf die Wiese ein. Hier hat es so viele Zuschauer und ich erblicke
Bruno und Markus. Ich schnappe mir deren Schweizer Fahne und sehe Remo auf der anderen Seite – oh welche Glückgefühle!
Die Bildergeschichte
Startnummernausgabe – die Südafrikaner stehen 2 Std. an |
Gratis Getränk + Kuchen für Internationals, Einheimische müssen
zahlen |
Also das sieht doch gut aus |
Überall Swissness (steht für Qualität – aber auch teuer) |
Pink& Drive – von dieser Gruppe sind die Pacemaker für 6:30 h |
Total ausgeflippte Radlerhosen |
Die Laufroute
auf einen Blick (von Ozean zu Ozean) |
Das max. Zeitlimit
7 Stunden könnte knapp werden... |
...bei diesen 500 Höhenmetern |
Am Start kurz vor 6:30 Uhr ist es noch stockfinster |
Die ersten Kilometer werden im Dunkeln gelaufen |
Überall "Glühwürmchen" |
Es wird schon heller |
30 min. später ist es hell und beginnt zu regnen |
Den Südafrikanern gefällt der Regen gar nicht… |
…mir ist das ganz Recht. Bei 30°C wäre ich vom Schwitzen nass |
Darüber lässt sich streiten – so toll sehen wir im Regen
nicht aus |
Die Badehäuschen von Muizenberg – sehr bekannt, aber heute im
Regen |
Zeit für Posing in St. James... |
...bei mir läuft es gut |
Ein Helikopter beobachtet das Rennen |
La Roux‚ mein Fotograf für kurze Zeit – wir laufen 10km
zusammen... |
...erzählen uns viel. Noch ein Foto und dann geht es… |
…bergauf, weg vom Meer auf die andere Seite der Halbinsel |
Es geht wirklich 7km nur bergauf inkl. Gegenwind |
Auf der anderen Seite des Berges haben es die Läufer schon
geschafft.
Aber
für mich heisst es… |
…über den Berg.
Da braucht ich kein Schild, das merke ich selber
|
Leider nichts mit der Aussicht aufs Meer. Feuer haben gewütet,
alles ist abgebrannt |
Ich bin über den Berg. 35km sind geschafft, nur noch ein
Halbmarathon |
|
Überall hat es Musik (sie drehen sich kurz weg wegen dem starken
Wind) |
Nochmals bergauf, aber wir werden gut angefeuert – nur noch 6km |
Endlich im Ziel |
Einer nach dem anderen kommt an |
Wir haben es geschafft |
Ich bin kaputt, aber sehr sehr glücklich... |
..und etwas stolz mit Schweizer Fahne |
Das war mein Ziel – unter 7 Stunden ins Ziel und die Medaille
bekommen |
Der Sprecher ruft
im Zieleinlauf: "Another International, from
Holland". Nein, bin doch from Switzerland und schwenke heftig meine Schweizer Fahne.
Nur weil ich ein oranges Shirt trage bin ich doch keine Holländerin! - Ich laufe über die Ziellinie und falle meinem Remo
in die Arme. Wir haben beide Tränen der Freude und
Erleichterung in den Augen. Ich bin super happy, ich hab meinen ersten
56km-Lauf geschafft, und bin sogar 30min unter dem Zeitlimit.
Jetzt ist es
geschafft. Es war zwar leider nicht die Originalstrecke, die wegen ihrer
Schönheit (am Meer entlang) bekannt ist, aber das ist auch gut. Wir
haben dafür mehr Höhenmeter gemacht
J
und ich war froh, dass es nicht so heisses Wetter war.
Mir hat es sehr gut gefallen, schaut
Euch das
Video
an
Euer
Schweizermädel Marion
Infos:
www.twooceansmarathon.org.za
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