Vor
genau 1 Jahr machte ich die Erfahrung des Spontanlaufens. Erwin Bittel,
in der Laufszene bekannt als „Lionheart“ oder „Der Mann mit Hut“, hatte
den Querläufer zu einem Spontanlauf auf einem 54 km langen Teilstück des
„Fränkischen Karpfenradweg“ eingeladen. Keine Startnummer, kein
Startgeld, keine organisierten Verpflegungsstellen und keine
ausgeschilderte Strecke. Nur die grobe Orientierung am Karpfenweg. |
Für heute haben wir uns wieder
verabredet. Meine Verletzungsmisere hatte einen früheren Termin
unmöglich gemacht. Jetzt bin ich wieder bereit. Blauer Himmel und
strahlender Sonnenschein sind für uns perfekte Bedingungen. Von
Dietenhofen soll es nach Markt Erlbach gehen. Wieder gibt uns der
Karpfenweg Start und Ziel vor. Alles andere bleibt ungefähr. Der
Einstieg gestaltet sich schwierig. Das Karpfensymbol ist unauffindbar.
Ratlos stehen wir auf dem Marktplatz. Hier werden noch die Stände für
die Kirchweih aufgebaut. Ein umtriebiges Gewusel von Menschen. Mit der
Frage nach dem Karpfenweg ernten wir nur Schulterzucken. Vier Arme
zeigen in vier Richtungen. Doch die Bratwurstbraterin weiß Bescheid. Und
sie hat gleich einen Tipp für uns: „Lauft doch lieber über Leonrod. Die
Strecke ist viel schöner.“
Lionheart Bittel und dem Querläufer muss
sie das nicht zweimal sagen. Ohne Startnummer sind wir so was von
flexibel und vor allem völlig tiefenentspannt. Der Zeitdruck fehlt
völlig. Die beste Läuferfrau aller Zeiten ist bei einem Filzkurs. Ich
habe frei bekommen. Das heißt, alle Zeit der Welt. Und Erwin, der
Meditationsprofi, nimmt es sowieso ganz locker. Kaum sind wir aus
Dietenhofen raus, geht es bei Vogelgezwitscher und Grillengezirpe über
eine bunte Wiese. Der Mann mit Hut klärt mich über die Meditation auf.
Die Hauptbeschäftigung der Mönche und Novizen besteht darin, mehrmals in
der Woche 90 Minuten lang gemeinsam still dazusitzen. Das macht den Kopf
frei, geht aber ganz schön in die Beine.
Aha, denke ich mir.
Bei mir wird auch der Kopf beim Laufen frei. Und in die Beine geht es
sowieso. Wir lassen uns treiben, Erwin berichtet vom Weg zu sich selbst.
Biegen einmal links ab, dann wieder rechts. Immer wieder kreuzen wir den
Zentralradweg. Wohin er führt? Keine Ahnung. Aber irgendwie kommen wir
nach Neuhof an der Zenn. Zenn, das klingt schon sehr meditativ. Erwin
erklärt mir die Technik beim Stillsitzen. Man schiebt ein Kissen unter
den Steiß und verknotet die Beine zu einem halben Lotus. Zuletzt ruckelt
man, bis alle Wirbel und Knochen richtig sitzen. Die nächsten 90 Minuten
wird regungslos in dieser Haltung schweigend verharrt. Die ganze
Aufmerksamkeit gilt der Haltung, der Atmung und dem Auftauchen und
Verschwinden der Gedanken. Wahrscheinlich mit der Hoffnung, dass jemand
vorbei kommt und den Knoten wieder löst.
Und wozu ist das
gut? Darauf hat Lionheart viele Antworten und zugleich keine. Der Weg
ist das Ziel. Wie beim Laufen. Soso, das Laufen zum Selbstzweck. Nicht
mehr das Ankommen ist wichtig und schon gar keine Zeit. Am Kreisverkehr
lassen wir eine Münze entscheiden in welche Richtung es weiter geht.
Laufen ohne Uhr. Man wird gelassener, weniger engstirnig und kann besser
loslassen. Man empfindet mehr Gefühl. Stress wird abgebaut und
Achtsamkeit entwickelt. Der Blutdruck normalisiert sich, und die Augen
beginnen, wieder zu leuchten. Das gilt für die Meditation wie für das
Laufen.
Ein Radlerquartett
kreuzt unseren Weg. Die Vier bringen uns wieder auf die richtige Spur.
Richtung Markt Erlbach müssen wir. Bergauf, bergab, durch ein Wäldchen,
über Wiesen und Felder. Manchmal philosophierend, dann wieder schweigend
den Augenblick genießend. Beliebig wählen wir die Abzweigungen und sehen
in Hagenhofen vor uns ein Schild, dass uns Markt Erlbach ankündigt. Es
war ein verschlungener Weg, aber heute der einzig richtige. Der Weg nach
Innen.
Run happy and smile!
Euer
Querläufer (Jochen
Brosig)
Begleitet uns mit den Bildern
Start am Marktplatz in Dietenhofen neben dem... |
...Rattenfänger von Dietenhofen (700 Jahre vor dem von Hameln) |
Nur für uns |
Wo verläuft hier der Karpfenweg? |
St Bonifatius von außen eine Blechdose... |
...aber innen wirklich sehenswert |
Wir starten auf der Suche nach dem Karpfenweg |
Fränkische Windmühle |
Karpfenweg? Nee, Zenntal-Radweg. Aber OK, laufen wir mal da lang |
Ein ganzes Feld Kornblumen |
So grün hier, im Naturpark Frankenhöhe |
Ja wo sind wir denn jetzt? |
Alter Unimog |
Wisst Ihr wo der Karpfenweg verläuft? |
Wandbemalung |
Holzwurm |
Hier könnten man eine Weile rumhängen (tun wir dann auch) |
Ich muss da jetzt rauf... |
...auch wenn es kein richtiger Jägersitz ist |
Nee, echt? |
Stadttor Neuhof |
Zeit für ein Foto der Läufer... |
...und der Hüte |
Das Rathaus mit dem... |
...Rübezahl-Brunnen (siehe
Video)... |
...und dem Bürgermeisterauto (Franken sind sparsam) |
Alles klar, aber wo ist der Karpfenweg? |
Laufen wir mal da lang |
Rastplatz |
Querfeldein |
Weizen? Eines zum Trinken wäre jetzt gut, es ist warm |
Naturpark Frankenhöhe |
Wenn die jetzt nur schon voll wären... |
...dann würden wir schlemmen (aber so meditieren wir weiter) |
Meditatives Strohballenrollen (siehe
Video) |
Na laufen wir mal da lang |
Rast am Waldrand... |
...mit schönem Ausblick |
Frisches Quellwasser... |
...yeah, das tut gut! |
Und nach 3 Stunden sind wir am Ziel |
Mit unserem hier stationierten Auto fahren wir nun wieder nach
Dietenhofen zurück, wo das andere steht.
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Zurück in Dietenhofen, und wow wie schön das war! |
Link zum
Bericht
von unserem Karpfenweg 2014
---> Zeitungsbericht über den
Spontanlaufen + Fragen an Lionheart:
Erwin Bittel - der Mann mit Hut
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