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Letzte Änderung: 29.03.2009

Jochen glücklich über seine Zeit...

4. Hartmannlauf

Neustadt/Aisch

29.03.2009





 


 

 (Bericht+Fotos: Jochen Brosig)


...und seine Frau, die das meist nicht versteht

 

Gute Zeiten, schlechte Zeiten
 

Über das unterschiedliche Verständnis von "Zeit" zwischen Mann und Frau.



Wenn ich von einem Wettkampf heimkomme, fragt meine Frau: „Und, wie war´s?“ Sie erwartet dann eine Beschreibung, wie ich die Grenzen in meinem Innern überwunden habe, wie der Moment war, als der Kopf sich frei machte, ob die Anfeuerungsrufe der Zuschauer heute geholfen haben oder wie mein Gefühl war durchs Ziel zu laufen. Oft ist die Antwort ein Grummeln: „Hm, war schon o.k.“ Sie versteht das nicht. Ging es dir schlecht? Bist du umgeknickt? Hast du den Weg nicht gefunden? Hat dir im Ziel jemand das letzte alkoholfreie Weizen weg getrunken? Oder was? Nichts von alledem. Noch ein Grummeln: „1 Minute zu langsam.“

Wie abgesprochen fuhren wir heute auf dem Parkplatz in Neustadt ein. Alain, Birgit, Günther, Heinz, Helmut und ich. Eine starke Truppe. Halbmarathon war heute angesagt. Um 10.15 Uhr sollte es am Steinsweg losgehen. Warmlaufen, Dehnen, fertig machen. Ich hatte ein gutes Gefühl am Start und drücke meine Polar ab. Von da an liefen die Sekunden unerbittlich.

Meistens sind es nur zwei Zahlen. Sie entscheiden am Ende über Sieg oder Niederlage. 60 Sekunden zum Beispiel. Je nach Strecke sind es dann umgerechnet auf den Kilometer zwischen 1,5 und 3 sec. Ich stoße auf Unverständnis. Meine Frau versteht mich nicht. Wie auch? Denn sonst könnte sie unterscheiden zwischen halb eins und zehn vor eins, zwischen zwölf und zwölf Uhr zwanzig. Die Zeiger ihrer Uhr interpretiert sie fantasievoll. Unser gemeinsames Leben verbringe ich meist mit warten. Vor dem Schuhgeschäft, vor dem Friseur, vor ihrer Lieblingsboutique. Deshalb ist es für sie unverständlich, dass es bei 1 Minute um Lichtjahre, Äonen, Fantastilliarden geht.


Warmlaufen vor dem Start

Wird es klappen mit der vorgenommenen Zeit?

Der Wind blies uns entgegen. Zwei ganz schnelle waren schon außer Sichtweite. KM4 – Ich lief in der Verfolgergruppe auf Rang 3. Es ging erstaunlich gut. Bin ich zu schnell, dachte ich mir. Nein, ich war im Plan. Mit Thomas aus Burghaslach wechselte ich mich im Wind ab, KM5 – KM19. Was war das doch gleich für ein Kilometerschnitt.

Zahlen waren ein Mysterium für mich. Bis zu dem Tag, als die Zahlen plötzlich lebendig wurden, dass sie förmlich an mir hochsprangen und sich an meinem Funktions-Shirt festkrallten. Ich war elektrisiert. Sieg oder Niederlage, Sehnen oder Leiden, Leidenschaft und Tränen. Der erste Marathon. Das erste Mal unter 3 Stunden. Der erste Rennsteiglauf. Mein erster Lauf über 100 Kilometer. Monatelanger Fleiß, literweise vergossener Schweiß, Gewichtsverlust, konsequente Ernährung alles ausgedrückt in ein paar Zahlen.

Der Wendepunkt lag längst hinter mir. Inzwischen lag ich an Position 4. Und es lief immer noch hervorragend. Heute war ein Tag zum Beißen. Das konnte eine echt gute Zeit werden. Ich zog das Tempo an und rannte dem Ziel entgegen.

Meiner Frau bleibt bis heute das Strecke-Zeit-Kontinuum verborgen: Die gestoppte Zeit ist eines der vielen Dinge, die Laufen zum wunderbarsten Sport der Welt machen. Kein Schiedsrichter, der pfeift wie er will, kein Linienrichter, der das Abseits nicht sieht, keine Jury, die Haltungsnoten bewertet. Es gibt nur die unbestechlichen Zahlen, die im Ziel alles sagen. Die kann mir keiner wieder nehmen. Hier gibt es nichts zu diskutieren. Deshalb ist es auch so hart. Aber heute sind die Zahlen auf meiner Seite. KM19 – Ein Blick auf meine Uhr verriet mir: Es sieht gut aus, Jochen! Mein Urschrei zündete die letzten Adrenalinreserven für eine Tempoverschärfung. Das muss das Runner´s High sein!

Es ist ein wundervoller Tag, die Sonne schmunzelt durch ein paar Wolken, so dass die Vögel zu singen angefangen haben. TSJAKKA! Fünf popelige Zahlen hängen in der Luft, getrennt durch zwei Doppelpunkte und mit einem verdammt sauguten Karma. 1:22:15 h! Omm!

 

„Und, wie war's?“, fragt meine Frau. „Wunderbar!“, antworte ich während ich meinen Teller leere.
Heute brauche ich keine Urkunde, auch keinen Altersklassen-Preis. Als 1. Preis bekam ich ein Wok-Reis-Gericht.
Egal, wenn sie auch nichts vom Strecke-Zeit-Kontinuum versteht, aber beim Kochen ist sie ganz vorne dabei. 

Run happy! Need more speed!

Euer Jochen


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Hartmannlauf
 

 

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