Ich ahnte es schon immer, es gibt eine
kryptische Verbindung von Dingen und Menschen. Wahrscheinlich
entscheiden ganz allein die Dinge, ob sie dem Menschen positiv
zugetan sind oder nicht. Sei es der Autoschlüssel oder das Telefon,
das nicht mehr dort liegt wo es liegen soll. Jeder hat da so seine
besonderen Dinge, die sich seinem Zugriff entziehen. Bei mir sind es
die Socken. Als Paar in die Waschmaschine geworfen, wird auf
unerklärliche Weise eine Singlesocke daraus. Im Körbchen gesammelt,
war sogar ab und zu eine undurchschaubare Art der
Partnerzusammenführung zu beobachten.
So war bis letzten Sonntag alles in Ordnung.
Genau bis ausgerechnet eine Vertreterin meines
Lieblings-Laufsockenpaars nach dem entscheidenden Trainingslauf für
den Fränkische-Schweiz-Marathon verschwand. Die mit dem eingewebten
„L“ oberhalb der linken, großen Zehe. Atmungsaktiv, superkomfortabel
und von mir bei Wettkämpfen immer wieder gern getragen. Zwar schon
etwas in die Jahre gekommen, mit einem kleinen Loch darin, aber wir
zwei hatten schon viele erfolgreiche Läufe zusammen erlebt. Vom
schnellen Zehner über Halbmarathon, Marathon bis zum Supermarathon
am Rennsteig. Auch bei den 100 KM von Biel waren wir zwei
unzertrennlich. Wie jeder Laufschuh erzählt jede Socke ihre eigene
Geschichte.
Der Vorläufer des Strumpfs und des Sockens war
der Fußlappen. Im 13. Jahrhundert wurden beide Strümpfe zu Hosen
vereinigt, aber im 16. Jahrhundert am Knie wieder von den Hosen
getrennt. Soweit die Geschichte der Socke an sich. Mein persönlicher
Bezug zur Socke stammt noch aus der Kindheit. Oma's kuschelige,
selbst gestrickte Wollsocken zu Weihnachten sind zwar modisch
zeitlos aktuell, aber mich störte immer das Kratzen und Kribbeln am
Fuß. Da lieb ich mir meine Funktionssocken aus High-Tech-Garnen. Sie
sind bequem und neuerdings auch Geruchskiller. Nach längerer
Warterei auf die nächsten Waschgänge und erfolglosem Suchen durch
den gesamten Haushalt stand es fest: Socke „L“ ist verschollen. O.k.
muss es eben „unten ohne“ in Forchheim gehen. Schade, denn der
Fränkische-Schweiz-Marathon ist mein 25. Marathon, also mein
silbernes Jubiläum. Am Paradeplatz in Forchheim warte ich auf den
Start. Viele Lauffreunde sind da. Mirko, die alte Socke, kommt extra
aus Suhl und ist Marathonsammler. Er sammelt Jubiläumsmarathons wie
andere Briefmarken. Meine Vereinskameraden vom FSV Großenseebach.
Erwin und meine Freunde vom Team-Bittel. Sie stellen heute die
Zugläufer. Pünktlich um 9.00 Uhr werden wir lossocken.
Nur nichts überstürzen, also langsam einrollen
heißt die Devise. Wie hoch wird wohl die Sockenquote sein? Gemeldet
waren rund 1100 Teilnehmer. Mal zwei, das sind nach Adam Riese 2200
Socken. Vor mir ein paar ganz schnelle Sockenkrieger. Man erkennt
sie an den Kniestrümpfen. Wer vor ein paar Jahren noch den
Nasenzwicker beim Laufen trug, trägt heute Kniestrümpfe. Die
Kniestrumpfträger werden immer mehr. Wegen dem modischen Look sagen
die Einen. Wegen der Schnelligkeit die Anderen. Die Unentschlossenen
tragen Sneakersocken. Die Kenianer unter uns Läufern tragen gar
keine Socken. Vorsicht! Die Sockenträger sterben aus. Alarm! Wir
müssen etwas gegen das Sockensterben tun! Wie wäre es mit der
Kampagne: S.O.S. – Save our socks!
Ich persönlich bevorzuge Netzstrümpfe. Am
liebsten, wenn sie die Sambatänzerinnen in Streitberg tragen.
Forchheim liegt hinter uns. Streitberg ist noch weit. Wir fassen
erst einmal in Ebermannstadt Getränke. Es läuft gut heute. Trotz
dieses komischen Gefühls, unten ohne. Ein schöner Fun-Run. So
verlassen wir die Sockenhauptstadt Ebermannstadt. Weiter geht es zum
Wendepunkt Sachsenmühle. Hier steppt der Bär!
Auf dem Rückweg socken wir wieder die B470 an
der Wiesent entlang. Bei dem Wetter heute ein Genuss, die Sonne lugt
durch die Wolken. Manche Socken qualmen schon. Neben mir pfeift ein
Mitläufer wie die „Singing Sock Puppets“ vom Interaktionskünstler
Matthew Irvine Brown. In Streitberg treibt uns die Sambagruppe
weiter. Noch ein paar Links- und Rechtskurven – dort ist schon das
Ziel in Ebermannstadt (Ebs). Die Stimmung ist wie immer gut. Ich bin
völlig von den Socken. Ramba-Zamba in Ebs.
Sockenkönig beim Marathon-Opus 42,2 wurde Marek
Wasilewski aus Polen.
Apropos Socken, die Geschichte mit der Socke
wird noch ein Happy End haben. Nach dem Ferienworkshop unseres
Patenkindes. Aus gut unterrichteter Quelle (Läuferfrau) habe ich
erfahren, dass sie als Handspielpuppe und harmlos-buntes
Sockenmonster mit Wuschelwollhaaren und von Kinderhand aufgenähten
Knopfaugen zurückkehren wird. Um Rache zu üben an dem der sie, die
Socke „L“, seit Jahren mit Füßen tritt, wird sie knapp unterhalb
des roten eingewebten „L“ eine hämisch grinsende Filzzunge aus dem
Maul strecken.
Run happy and smile!
Euer Jochen ("Querläufer")
Nach dem Laufen... |
...werden alle Socken gewaschen... |
...auch die Socken mit dem R... |
...und ordentlich aufgehängt. |
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