1. Via Carolina
Running – 313km Nonstop, 33 Etappen, 16
Lauffreunde, 1 Team.
Und WM-Stimmung.
Prag
Freitag Nachmittag. Die Sonne brennt auf den
Wenzelsplatz in Prag. Alle sitzen im Schatten, bei Eis, Eiskaffee oder
einem kühlen Pils. Unweit davon machen sich ein paar Jungs um Mario auf
zu einem Abenteuer, das man sich kaum vorstellen kann: morgen um die
selbe Zeit wollen sie im 313km entfernten Nürnberg sitzen und dort ein
kühles Weißbier trinken... zu Fuß!!!
Er war oft nahe am Verzweifeln. Rückschläge,
Absagen, Widerstand. Doch er hat niemals aufgegeben. Der in seiner Idee
unbeirrbare Super-Mario hat es geschafft! Mit seinem Team von 16
schnellen Läufern, allesamt hoch motiviert und diszipliniert, und den
beiden Helfern klappt der
Staffel-Lauf in weniger als 24 Stunden. Und das bei bester Team-Laune,
trotz der heftigen Strapazen: der heißeste Tag des sowieso schon warmen
Sommers, Sonne pur, kein Windhauch, und dazu die Berge. Und jetzt
kommt’s: Etappen-Messlatte: „10km in 42min“... (schluck).
Es geht los bei 36°C Hitze, die Sonne brennt in
Prags Altstadt. Erste Etappe über die berühmte Karlsbrücke. Wolf-Dieter,
legt ein hohes Tempo vor, die Messlatte hoch. Stunden vergehen. Der
kühlere Abend tut gut. Ahhh! Jetzt geht es durch die Berge des
Böhmerwaldes. Ufff! Zum Glück ist die Nacht kühler. Doch die Sprinter
schwitzen auch bei 25°C sehr. Zudem kämpfen sie gegen den Schlaf. Das
Kernteam bestehend aus Mario, Marc, Wolf-Dieter, Holger, Thomas und
Robert teilt sich die Nachtetappen, immer wechselnd im Auto, begleitend
am Rad und selbst laufend. Mancher Läufer wird langsamer als gedacht.
Hitze und Berge fordern ihren Tribut. Doch der Coach liegt noch im Plan.
Wird es reichen?
Ich hatte mich vor 2 Wochen als Ersatz angeboten,
falls „Not am Mann“ wäre. Und das war. Ich bin gut im Lauftraining, die
Zeiten (Mönsch Mario, ey) scheinen machbar, doch ich bin diese Woche
nicht zum Laufen gekommen, es ist sehr heiß, und meine Strecke etwas
hügelig...
Schaumermal. – Ich erreiche Mario vor meiner
Abfahrt nicht, bin pünktlich 09:52h eine Stunde vorher an meinem
Einsatzort Hartmannshof. Und suche mir ein schattiges Plätzchen. Schwer
zu finden und bei bereits 36 trotzdem zu warm. Ich parke unterhalb eines
der typischen weißen Felswände am Hang. Nach meiner SMS meldet sich
Mario vom Fahrrad: „wir sind 50min zu spät, sorry, warte bitte“. Puh,
ich liege im Auto und schwitze. Lässige Musik, alle Türen auf, liege ich
am Rücksitz und versuche zu ruhen. Das einzige was sich hier bewegt ist
ein Paar Schmetterlinge, die sich in der stehenden Hitze jagen. Hey
Jungs, langsam! Mario meldet sich nach einer halben Stunde wieder: Chris
ist vor 7min los, in 35min dürfte er da sein. Ich lehne mich an, atme
durch, noch ein Schluck vom Zaubertrank und raus in die Welt: Dehnen.
Schweißtreibendes Dehnen.
Langsam verlasse ich meine Hanglage. Hanglage? Ja,
der Hang und ich auch. Ich bin matt, doch die Begeisterung beginnt mich
zu erreichen als Mario ein letztes Mal funkt, und als ich Wolf am
Treffpunkt sehe, und bald Holger dazu kommt am Begleitrad # 2. „Praha-Nürnberg
- 24 h“ lese ich darauf. Ich parke mein Auto, das mir später
nachgefahren wird. Gut organisiert alles! Dann kommt Begleitrad # 1 mit
Mario. Handklatschen, und gleich noch einmal von Chris, der rot im
Gesicht ansaust, schweißtropfend. Abklatschen, wenig Zeit für Worte. –
Joh, jetzt bin ich dran. Schschschwing auf den geteerten Radweg.
Fliegender Wechsel
Holger redet mit mir, schön uns endlich mal zu
treffen. Am Anfang unterhalte ich mich noch 15min mit, dann werden meine
Antworten kürzer, bald nur noch zum „Ja“ und „Hmmm“. Ich konzentriere
mich, beobachte meinen hohen Puls, will ja das Tempo halten. Während mir
Holger aus seinem noch kurzen aber erstaunlich erfolgreichen Läuferleben
erzählt nehme ich ein bisschen Fahrt raus. Nur ein bisschen, damit
dürfte es 2x 10km lang reichen.
Mein Toast-Dasein
Nach 10min bereits beginnt mein Toast-Dasein: die
Sonne von oben, der brennende Asphalt von unten. So muss sich ein Toast
fühlen! Nur mein Fahrtwind bringt eine Art Luftbewegung, minimale
Kühlung. Lächerlich. Doch die km rollen gut, ich greife immer wieder in
Holgers Fahrradkorb mit den Flaschen, trinke was geht und spritze meinen
Kopf und das Cäppie nass. 7km und kein Schatten. Vertrocknete
Getreidefelder, abgeerntete Stoppelfelder. Immer wieder geht mein Weg um
Ecken und bergauf. Gang raus, nicht überhitzen am Berg, sei besonnen,
Wüstenlöwe. Oh, hallo Wüste, da bist Du ja wieder...
Wüsten-Feeling
Endlich der erste Schatten am Badesee in Happurg.
Holger meint, ich solle mir die Badenixen ansehen. Doch das kühlt nicht
wirklich. Ach, und das bisschen Schatten ist auch schon wieder vorbei.
Zurück auf den Radweg. Die Luft steht. Der Asphalt flimmert, ebenso die
Bundesstrasse, die mal näher mal weiter neben uns ist. Trockene Hitze,
meine Füße werden heiß, der Popo auch. Ich krame in meiner
Sahara-Erfahrungskiste, gehe über in mein Wüstenatmen. Als 10km vorbei
sind, flott und prima in der Zeit, stößt Mario auf Via
Carolina-Führungsrad 2 zu uns beiden. Ohne zu wissen sagt er: dieser
Atem klingt gut, gefällt mir. Ich beruhige mein fast kochendes Blut mit
dem Atem. Es gelingt. So geht’s auf die zweite meiner Etappen, weitere
10km. Puh, not so easy! Ich höre Mario zu. Das
Begleitteam um ihn ist müde, groggy. Er muss schon aufpassen, damit er
vor Müdigkeit nicht vom Rad fällt. Sagt er.
Kurz vor dem Ende meiner zweiten Etappe |
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Schlaflosigkeit
Holger und er sehen nicht so aus vom Rad zu fallen.
Doch ich glaube es. Sie konnten keine 5min schlafen während der Nacht.
Und sitzen können sie nach hunderten von km und mittlerweile über 20
Stunden auch nicht mehr. Ich bin voll bei mir, freue mich zum Team zu
gehören, laufe und laufe was eben geht ohne mich zu quälen, denn das
kann ich nicht. Zum Glück finden sich jetzt immer wieder schattige
Passagen. Holger kennt den Weg gut, ist diese letzten 40km letzte Woche
noch mal mit dem Rad abgefahren. Die weißen VC-Markierungen am Teer sind
zu sehen. Super-Mario ist begeistert, sein Traum wurde wahr. Fasziniert
vom guten Zusammenhalt, den intensivern Kontakten während des Laufs, dem
Teamgeist meint er: wir brauchen keine WM, das hier ist mindestens
genauso gut.
Yes, Mario Klinsmann-Wallrath. Irgendwie spüre ich
das auch. Aber jetzt wieder nach innen gehen: Konzentration, noch 4km. -
Die Sohlen brennen, und nicht nur die. Auch die Kehle, der Kopf, die
Schultern und irgendwie alles. Nicht schmerzhaft, nur sehr heiß. So,
Kinder, durchhaltennnn. Der Lauf ist bald vorüber. In Lauf. Meine
Gedanken sind ruhig, spärlich, ich beobachte nur. Aus meiner Raumkapsel,
Lauf-Blase, Space Bubble oder wie auch immer. Wir durchqueren den
irgendwie recht langen Ort Ottensoos. Fast niemand auf der Strasse hier.
Mittagshitze. High Noon. - ...und es geht bergauf.
Coach Mario radelt voraus, organisiert ein Foto. Nur noch wenige Kurven
für mich auf dieser nicht ganz so heißen Waldstrasse. Und auf meinen
letzten 200m kommt mir schon das junge Lauftalent Sven entgegen.
Geschafft! - Abklatschen, und ich gebe ihm diesen Laufspirit mit. Run!
Und weg ist er mit nacktem hageren Oberkörper. Ein Läufer halt.
Sven (ohne Shirt) übernimmt... |
... ich lasse in der Hitze ausrollen. |
So, jetzt Durchatmen. Waldschatten und Durchatmen.
Ich bemerke, ich bin gar nicht außer Puste. Oh, war doch noch ganz okay
und gar nicht so schlimm. Aber ist gut jetzt. Die Jungs geben mir zu
Trinken aus dem Versorgungsauto mit den Rädern am Dach. Schulterklopfen.
Und ich? Ausatmen. Runter kommen. Ruhig werden, Körper. Rolling down.
Tschüß Sahara.
Mir geht’s nach 10min schon wieder dezent gut.
„Können wir noch was für Dich tun?“ - Ich gieße mir 10 Schluck Wasser
über den Kopf aus dem Wasser-Dusch-Kanister. Holger hält ihn für mich
hoch. Aaah, gut, kühl und nass! Dann nehme ich mir noch eine groooße
Flasche O-Saft und das Team fährt weiter. Ich sehe ihnen nach. Mein
mitgereistes Auto und ich bleiben. Völlig alleine im ruhigen dichten
Wald. Schön. Ich genieße das. Die Stille. In mir und um mich.
Unendlichkeit. - Bis die Saftflasche leer ist dehne ich mich wie immer.
Es geht schon lange von alleine, von innen aus mir heraus. Ja, ich
finde, das war heute eine großartige Stimmung und ich freue mich dazu
beigetragen zu haben.
Noch ganz in Gedanken, in der Stimmung...
Erwin
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