Servus!
Den halben Freitag in der Bahn, entsteige ich, Südie, um 20:35 h dem Zug in „Waren
(Müritz)“. Den Ort gibt’s also wirklich. Im Norden. Welcome to MäcPomm! Ich wollte
schon immer mal in dieses Bundesland. Wirklich schön hier: es ist gerade bunter
Sonnenuntergang, ganz andere Wolken als im Süden, ein Vorgeschmack auf den
weiten Himmel beim Laufen morgen? Ich räkele mich. Meine Knochen sind
etwas steif vom langen Sitzen in der Bahn. Ups. Was ist das, ein Fotoblitz vom Gleis
gegenüber empfängt mich. Oh, bin ich berühmt, vielleicht der erste Bayer
hier? Nein. Es ist Olaf. Meine Lauffreunde Olaf und Andrea sind mit dem
Auto doch schneller als ich mit dem Zug. Kurz darauf lerne ich Susanne aus
Lübeck kennen, die mit Ingo (aus Halle) anrollt. "Deutschlandtreffen",
sage ich.
An einem Bahnhof irgendwo im wenig besiedelten Norden. Mir kommt das Bild eines
Filmes: „Okay, zuerst die Ware, dann das Geld“. Statt heißer Ware tauschen wir
uns aus, d.h. was ist wo? Der Campingplatz, die Turnhalle zum Übernachten, der
Start. Es sind nur 58 Einzel-Starter (und 36 Staffeln ja 8 Läufer), daher ist das Angebot für uns Läufer
eher sparsam. Aber freundlich.
Nach ausgiebigem Pläuschchen am
Bahnhof setze ich mich zu Susanne, Ingo und
je einer 15-jährigen Tochter, Paloma und Henni, eine Weile mit vor ihre
Zelte am Campingplatz. Tausend Leute hier und tausend Sterne. Dann laufe
ich durch die laue Nacht zu meinem Quartier.
Die Nacht ist vorbei, ich habe gut
geschlafen. Als ich in der Halle, Marke "Original-DDR" meine Ohrstöpsel
quietschend rausziehe sind nur mehr 2 Läufer da. Es ist
friedlich und ruhig, verführerisch zum Weiterschlafen. Weil es aber schon 7:25 h
ist, stehe ich auf. Um 8:00 h ist ja der Start. Olaf
steht ausgeschlafen neben mir und kann schon grinsen. Erstaunlich. Guten Morgen.
Wie im Schlaf geht meine Morgenroutine, Waschen, Packen und Dehnen. Die nette
Dame am Hallenausgang nimmt meinen Rucksack in Obhut und bietet mir Kaffee, Tee, Brötchen
mit Marmelade und Käse. Doch ich lehne wortkarg ab. Zu früh, you know me.
Während der wenigen Minuten vor dem Start stellt mir
Olaf noch 2 Franken vor, Bernd und Petra. Fürther hier? Das gibt’s doch
nicht. Gruppenfoto.
Turnhalle Marke "DDR" (gratis Läufer-Nachtlager) |
Operative Force "Müritzlauf" |
Susanne + Ingo am Start (Hafen) |
Die Franken-Crew |
Ich bemerke es gibt hier viele
Landschaftsläufer, jeder zweite um mich hat eine Kamera dabei. Aber keine
scheint meiner an Größe (und Gewicht) nahe zu kommen.
2 min Startaufstellung,
los gehts |
Egal, auf die Strasse rüber.
Ich stehe noch nicht, schon knallt die Pistole knapp neben mir. |
Zuerst durch 3km Alleestrasse |
Unser kleines Feld zieht los entlang des Sees durch
die morgendliche Allee. Lauwarmer Morgen.
Bin noch müde. Bitte weckt mich bei km10.
Wir sind eine kleine Gruppe von 7 Leuten, die 5 Franken und Susanne
und Ingo. |
Wir plaudern, lernen uns kennen und
laufen gemächlich in den Morgen. Mir jetzt am Anfang fast zu schnell.
sumpfiges Uferland |
Radweg, 4 meiner anfänglichen Laufgruppe |
überall immer wieder Teiche |
Himmel und Weite |
Wir laufen auf Radweg und Strasse,
vorbei an Stoppelfeldern, sumpfigem Land und Seeufern. Mich beginnt
langsam der Himmel zu interessieren. Er erscheint mir so weit, die Wolken
sind anders als sonst. Doch zuerst werden lustige Geschichten,
Erlebnisse und Witze erzählt.
Erste Verpflegungsstation
km10 |
Langsam bekomme ich Durst, doch die erste Verpflegung
kommt erst bei km10.
Wie ab jetzt alle 10km gibt es Wasser, Tee, Cola, Apfelschorle,
Bananen und Apfelstücke.
Weiter im Wald. |
Ich werde von einer Schnecke überholt... |
...da bin ich
platt! |
Susanne und Ingo treiben nach vorne,
sind bald außer Sicht. Ebenso die beiden Fürther.
Dafür gesellt sich
jetzt Stefan zu Andrea, Olaf und mir. Wir werden bis nach km40 zusammen bleiben: Funny Olaf, Andrea, Erkan
(eh Erwin) und Stefan.
Stefan passt einen Moment nicht auf, biegt nicht ab, läuft 100m in die
falsche Richtung. Hey, hier geht’s lang! Ich bin wach, und ich trinke
soviel wie geht.
Mache mir mit Olaf einen lustigen Tag.
Wir weichen nicht-klingelnden
Radfahrern aus, grüßen Zaunzuschauer, knipsen Landschaftsbilder oder den
See mit Booten. Wir flachsen mit den Kindern oder Helfern an den
Verpflegungspunkten, die jetzt zahlreicher werden.
Yachten... |
...in einer Bucht (Hafen) |
Kinder am Verpflegungspunkt |
Mit Gottes Segen |
Die zwei Betenden Knaben, sind sie nicht brav? |
|
Und wir gehen in eine kleine offene Backsteinkirche am Straßenrand, um uns
Gottes Segen zu holen. Der freudig erregte Pfarrer gibt ihn uns. Juhu. Wir
zwinkern uns zu. Kurz danach an der Verpflegungsstelle (nur Wasser)
schnappe ich mir ein Funkgerät und bestelle einen Martini geschüttelt und
nicht gerührt. Unbezahlbare Stimmung!
Unbezahlbar gute Stimmung |
King Olaf am Thron (Spaß muss sein) |
Was guckst Du, Pferd? |
Gaudi, Gaudi |
Laufen ist wie Fliegen, oder? |
Müritz-Lauf,
olé olé! |
Jo mei, kann Laufen
spaßig sein. - Prost! |
|
Bei all den Geschichten bemerken wir
wie Andrea langsamer wird, Olaf bleibt bei seiner Frau.
Genau das ist "Müritzlauf"... |
...Stefan (King der Landstrasse) |
... noch 30km (Park am Ufer) |
...weiter am Radweg |
Ich gehe weiter
mit Stefan. Wir unterhalten uns gut. Bayern meets Berlin. Das geht eine
Stunde gut. Nein, nicht wegen Nord-Süd-Problemen, sondern weil Stefan
Magen-Darm-Probleme bekommt. Er muss gehen. Eine Verpflegungsradfahrerin
reicht uns im Vorbeiradeln eine Flasche Schorle. Ah, sehr sprudelig, aber
doch gut. Stefan geht es schlechter, so schlimm, dass er 10min Pause
machen, sich setzen muss. Es ist mittlerweile heißer Nachmittag, 50km sind
gelaufen. Ich gebe dem Organisationspersonal einen Tipp zu Stefans
Zustand: kümmert Euch um ihn. - Ab jetzt läuft Erwin alleine...
Ich fliege alleine weiter: Felder... |
...Weide und Weite... |
Titelfoto "Der Müritzlauf" |
Schwäne und Kähne |
Manche machen Kanuwanderung... |
...die
meisten aber Radwanderungen |
Seekühe? |
Ein Apfel für unterwegs |
Ich ziehe nun alleine weiter, mir
geht es fantastisch gut. Felder, Alleen, Äcker. Leichter Wind und viel
Sonne, die jetzt über eine weite Strecke windstill hernieder brennt. Ab
und zu erreiche ich einen kämpfenden Müritzläufer. Der eine hat sich das Shirt vom Leib gerissen, glänzt vor Schweiß, der andere trabt kämpfend, in
sich gekehrt vor sich hin. Einer hat einen Krampf, stützt sich auf seine
mitlaufende Frau. Der Tribut des Ultralaufens. Ich behalte immer noch
leichten Fußes meinen Schritt. Ich werden den Rest, fast 30km alleine mit
mir sein, was mir gerade gut passt. Ein Zustand wie Kanutreiben,
Segelfliegen oder Beifahrer auf der Autobahn sein. Ich schalte alle
Funktionen auf Autopilot, komme jetzt endlich auch aus der Sonne in den
kühleren Wald. Immer wieder kommen Radfahrer entgegen oder überholen mich.
Wir laufen auf dem Müritz-Radrundweg. Immer wieder voll bepackte
Tourenradler. Schon eine
Weile überholen mich Staffelläufer, die 2 Stunden später gestartet sind.
Auch sie, jeweils nur 10km laufend schwitzen stark.
Schatten! - Ab in die Allee |
Schön, wieder mal
der See zu sehen |
Kleine Ortschaften
am See... |
...und
sogar Schlösschen |
Badeurlaub an der
Müritz
Jungs, ich würde jetzt echt
gerne mitmachen... |
Badende, Sandstrand... Kioske in der Sonne, es
riecht nach gegrillten Würstchen, Kokos-Sonnenöl. |
...und mit vollem Trab reinspringen! |
Beach-Music, Faulenzen in der Sonne. |
Doch ich laufe weiter...
Die letzte Verpflegungsstation
|
Völlig verschwitz aber immer noch guter Stimmung,
keine schweren Beine. Im Flug zum Zielflughafen, kurzer
Zwischenlandung in Klink. Eine Mannschaft spielt nebenan Fußball. Die
Staffelläufer warten sehnsüchtig auf Ihren Kameraden.
Ich erwische zum Glück wieder mal einen Becher Schleim, dazu Tee. Ich
weiß nicht mehr, was ich trinken soll. Ein kühler süßer Saft wäre
jetzt super!
Nur noch 9,7km. Wenn das mal gut geht? |
Der Schleichpfad der Apachen
|
Was'n das??? - Ein paar km enger Dschungelpfad. Na,
das wird ja heiter zum Schluss. Aufpassen, dass ich nicht stolpere,
Äste, Wurzeln...
Und immer Augen auf, damit ich kein Schild verpasse. |
Ab km30 esse ich Äpfel, wenig
später dann auch Bananenstücke. Ab km45 versuche ich einen Becher Schleim (klingt nicht gut, tut aber
gut). Publikum gibt es keines, außer im Ziel und an den großen
Verpflegungsstopps alle 10 km. Doch welchen Landschaftsläufer stört das?
Wir laufen sowieso gewöhnlich zu zweit. Es findet sich immer jemand, mit dem man
eine Weile oder länger laufen mag.
Kilometerschilder gibt es um die
Müritz keine. Gewöhnungsbedürftig. Nur an den Hauptstopps steht die exakte km-Distanz.
Ich finde es wäre gut, wenn wenigstens auf den ersten 10km Schilder
wären, da erfahrungsgemäß (wie auch heute) die meisten Läufer zu schnell
starten und ab 2/3 des Weges einen „Einbruch“ erleben.
Ab km73 zeigen kleine weiße Schilder:
noch 5km, 4km, 3km. Ich erwache langsam, immer mehr Staffelläufer huschen
vorbei. Ich freue mich langsam, dass das Ziel naht und dass es heute
wirklich gut läuft.
Überraschung: die Heimatfahne (und ein Glas Sekt) |
Auf dem letzten km weht mir eine große bayerische
Flagge entgegen, mitgereister Fanclub aus Franken. Das mir freundlich
entgegen gebotene Glas Sekt lasse ich lieber aus.
Das Ziel prickelt schon fast in der Seele... |
Nur noch 100m bis ins Ziel |
Auf der Uferpromenade
laufe ich in den Hafen ein, ein letztes Foto und… Jouh, geschafft! |
Oh, ist das warm! Schatten, Schatten
wo bist du? Ich will trinken. Jetzt viel trinken! Alles gibt
es im kleinen Zelt mit dem Getränketisch. Wieder keine Überraschungen,
wieder nur Cola, Wasser, Apfelschorle, Äpfel mit Wespen und Bananen. Aber
okay. Ich lande, mache meine Gymnastik, empfange die ankommenden Läufer und
stelle mich für die Massage an, die fantastisch gut tut.
Andrea, die
Siegerin (bei der Massage) |
Glückwünsche hier und dort, die Sieger, die
Siegerinnen. Es gibt für jeden eine Urkunde. Und sogar eine kleine
Medaille. Andrea strahlt mich völlig fertig an: "ich hab zum
allerersten Mal gewonnen!" - Was für ein Gefühl das sein muss... |
Olaf und Andrea im Ziel |
Allmählich kommen meine Lauffreunde ins Ziel, Susanne
mit Ingo, erschöpft aber glücklich.
Und Olaf mit Andrea - die auch echt genug haben für heute. .
|
7 haben es leider nicht geschafft. Im Ziel erlösendes Stöhnen.
Viele Freudentränen (oder vor Erschöpfung?). Wir sammeln uns zum
Nudelessen mit Bier, tauschen das Erlebte aus. Geschichten runden unseren
Lauftag ab. Jetzt kommen die dicken schwarzen Regenwolken heran. Noch
scheint die Sonne. Es wird langsam Abend. Erstaunlich, wie man einen
ganzen Tag verbringen kann mit nicht anderem außer Laufen…?
Die Müritz macht Helden.