Ein wirklich "schneller Abstecher" nach Hamburg
Der Conergy Hamburg Marathon am 29. April 2007 stand als mein erst 5.
Marathon schon lange im Wettkampfkalender für dieses Jahr. Von genüsslichem
Joggen durch eine der schönsten Städte Deutschlands vor der
stimmungsvollsten Zuschauerkulisse keine Spur. Ich wollte meine bisherige
persönliche Bestzeit von Berlin 2006 mit knapp unter 3 Stunden verbessern.
Und diesmal sollten sich mir nicht wieder ab km 24 die Waden verhärten und
den Weg ins Ziel zu einer mentalen Herausforderung werden lassen. Deshalb
begann die Vorbereitung bereits im Dezember mit vielen längeren und ruhigen
Trainingseinheiten. Seit Januar kamen immerhin fast 1.400 km zusammen, die
ich teilweise allein, oft aber zusammen mit Wolf-Dieter Walter gelaufen bin.
Er läuft wie ich für die LG Eckental und kommt regelmäßig zum Lauftreff im
Nürnberger Nordostpark. Auch er will in Hamburg endlich die 3-Stunden-Mauer
durchbrechen. Unsere Trainingspläne wurden in bewährt gekonnter Weise von
Mario Wallrath, der rührig den Lauftreff in Nürnbergs Nordostpark leitet,
individuell zugeschnitten und auf das insgesamt knappe Zeitkontingent
abgestimmt.
Das Gefühl bei den Testwettkämpfen über 10km, 21,1km und 25km und den
letzten Trainingseinheiten ließen Wolf-Dieter und mich zuversichtlich am
Samstagmittag nach Hamburg fahren. Ich schwankte noch, ob ich wirklich die
erträumten 2:50 h angreifen, oder lieber 5 min langsamer angehen sollte.
Beim problemlosen und gut organisierten Abholen der Startunterlagen trafen
wir uns mit Mario, der selbst angemeldet war. In einem italienischen
Restaurant an den Colonnaden füllten wir zu dritt, umgeben von fast
ausschließlich anderen Marathon-Startern, noch mit 2 Gängen Pasta und einem
Bierchen die Kohlenhydrat-Speicher auf.
Pastaparty an der Autobahn |
Pasta Party beim Italiener (Wolf-Dieter, Holger, Mario) |
Am Morgen um 6 Uhr empfing uns der angekündigte
strahlend blaue Himmel, bei allerdings fröstelnd kalten 6°C. Die für den
Vormittag gemeldeten sonnigen und trockenen 15°C versprachen ideale
Wettkampfbedingungen und keine noch zu Wochenbeginn befürchtete
Hitzeschlacht. Einzig der Wind machte uns Sorgen, aber wir hofften, immer
wieder einen breiten Rücken vor uns zu finden. Eine halbe Stunde vor dem
Start gaben wir, erneut leicht frierend, die Kleiderbeutel ab und begannen
uns auf der Strecke warm zu laufen. Bei der überraschend früh auftauchenden
km1-Marke drehten wir um. Warm war uns immer noch nicht, aber die Gelenke
funktionierten schon recht geschmeidig. Urplötzlich tauchten die inzwischen
gestarteten Handbiker vor uns auf und wir mussten flugs auf den Fußweg
ausweichen. Die Geschwindigkeit und die Technik der Fahrzeuge beeindrucken
mich immer wieder. Am Start standen die Top-Läufer, v.a. aus Kenia, schon
bereit. Unser Startblock "C" war bereits prall gefüllt und kein
Seiteneingang sichtbar. Kurzerhand krochen wir an einer Lücke unter dem
Absperrzaun hindurch und arbeiteten uns nach vorn -- schließlich wollten wir
von Beginn an unser Tempo laufen und nicht einen Hindernis-Parcours zwischen
langsameren Läufern absolvieren.
Mental war ich inzwischen bereit, die Marke 2:50 h anzugreifen. Dies
entspricht einer Pace von fast genau 4 Minuten pro km.
Morgenkaffee |
Nach dem Abholen der Startunterlagen |
Die Ruhe vor dem Lauf |
Direkt vor dem Start |
Der Start klappte gut, nach nur 12 Sekunden überquerten
Wolf-Dieter und ich die Matten der Zeitnahme. Im ersten Gedränge verloren
wir uns aus den Augen, aber einen gemeinsamen Lauf hatten wir ohnehin nicht
geplant. Km 1 absolvierte ich in 3:58, alles war im Lot und ich nicht zu
schnell angegangen. Bereits auf dem zweiten km war ich frei und konnte mich
an ein paar zügige Läufer anhängen. Es blieb sogar Zeit, auf der Reeperbahn
nach den in einem Forum beschriebenen "blankziehenden Damen" Ausschau zu
halten. Leider Fehlanzeige, wahrscheinlich war es doch etwas zu kühl für
derartige Aktionen. Vorbei an einer wirklich tollen Zuschauerkulisse
passierte ich km 5 in ca. 19:30. Einige Läufer waren immer wieder um mich
herum, mit zweien unterhielt ich mich sogar kurz. "Felix", die Namen konnte
man unter der Startnummer ablesen, meinte, dass ich mit meiner
10-km-Bestzeit von gerade mal gut 39 Minuten sicher viel zu schnell
unterwegs sei. Mit "Vladimir", einem in Hamburg lebenden Russen, war es
sogar ein Satz auf Russisch.
Nun, auf dem Weg zurück Richtung Osten, begann ich zum ersten mal den Wind
deutlich zu spüren und suchte wiederholt "Schutz" hinter anderen Läufern.
Die 10-km-Marke durchlief ich bei ca. 39:30. Dann ging es hinab zu den
Landungsbrücken an der Elbe, mit 3:38 mein insgesamt schnellster km. Dort
tobte zum ersten Mal richtig der Bär und es bereitete riesigen Spaß zu
laufen. Ich hing mich an eine Gruppe an, bei der ich bis hinter die
Binnenalster blieb. Km 15 erreichte ich bei 59:10, immer noch knapp
schneller als geplant. Beeindruckend waren die etwa 500 m durch den
Walltortunnel. Die Gebläse waren einschaltet und sorgten für leichten
Rückenwind. Auch an der Alster war die tolle Zuschauerkulisse beflügelnd.
Die Marke an km 20 passierte ich in etwa 1:19 h. - Die
Halbmarathon-Zeit von 1:23:26 war um 21 Sekunden schneller als meine
bisherige Bestzeit! Das ist eigentlich ein Warnsignal für zu schnelles
Laufen, aber ich hatte besser als je zuvor trainiert und war zuversichtlich,
am Ende nicht einzubrechen.
Beim Anstieg zu km 25 verspürte ich leichtes Seitenstechen, das ich aber mit
tiefer Atmung wieder in den Griff bekam. Nun nach ca. 1:39 h begann ich
langsam die einsetzende Fettverbrennung zu spüren. Das Läuferfeld war schon
stark auseinander gezogen. Ich hatte keine Vorstellung, wie viele Läufer
überhaupt vor mir lagen. Anspornend wirkten immer wieder die Zuschauer, die
den Vornamen von den Startnummern ablasen und damit jeden individuell
anfeuern konnten.
Ab km 30 wurde es schwerer und ich musste im Tempo etwas nachgeben. Trotzdem
lag ich bei km 30 und 35 immer noch unter der geplanten Durchschnitts-Pace
von 4 Minuten pro km. Der Anstieg zum Rothenbaum auf km 38 war mit
beginnenden Verkrampfungen im linken Oberschenkel wirklich hart und mit 4:39
mein deutlich langsamster km. Nun war klar, dass es für 2:50 h nicht mehr
reichen würde. Trotzdem rief eine tolle neue Bestzeit! Hinab zum Dammtor
beflügelten die immer wieder den Vornamen rufenden Zuschauer die müden
Glieder wieder etwas. Ich sah sogar eine kenianische Läuferin vor mir
auftauchen und hoffte, sie noch überholen zu können. Der von vielen als
"Hammer" beschriebene Anstieg auf dem Gorch-Fock-Wall zum Ziel bremste mich
zur Krampfabwehr aber noch einmal aus.
Freudig eilte ich nach dem Ende des Anstiegs dem Ziel entgegen, der Ansager
begrüßte den "Mann mit dem schwarzen Stirnband und der Sonnenbrille" sogar
namentlich. Ich setzte ein stolzes Lächeln auf und durchquerte das Ziel mit
winkend erhobenen Armen bei 2:51 h, also 8 Minuten schneller als in Berlin
(Gesamtplatz 223 von 13.275, Platz 50 meiner Altersklasse M40). Mit
Finisher-Medaille wartete ich auf Wolf-Dieter und beglückwünschte den kurz
nach mir hereinkommenden Vladimir. Als ich Wolf-Dieter dann ca. 3 Minuten
vor 12 Uhr erblickte, wusste ich, dass auch er ein super Rennen gelaufen war
(2:56 h, Platz 20 in seiner Klasse M50).
Geschafft und glücklich gingen wir zu den Messehallen und gönnten uns das
wohlverdiente (alkoholfreie) Weizenbier. Ein Schmunzeln entlockten uns noch
die in den Containern in 6-er Gruppen duschenden Männer. Um diese Zeit sind
nur schnelle und gut trainierte Läufer mit entsprechendem Körperbau im Ziel,
ein sehr ästhetischer Anblick der auch unseren Frauen sicher gut gefallen
hätte! Dort traf ich auch Felix wieder, der 5 Minuten vor mir im Ziel war
und kaum glauben konnte, dass ich die 2:50 h doch fast noch geschafft hatte.
Um 13 Uhr saßen Wolf-Dieter und ich bereits wieder im Auto Richtung Heimat,
wo wir mit Mario, der noch einen Tag in Hamburg bleiben wollte, telefonisch
die Neuigkeiten austauschten. Auch er hatte mit 3:28 h eine unerwartet tolle
Leistung gezeigt.
Der Hamburg Marathon war ein wirklicher Höhepunkt in unserem Läuferleben. Zu
perfekter Organisation, Ambiente, Wetter und Stimmung noch der sportliche
Erfolg: das wird schwer zu überbieten sein.
Und ich bin auch wieder verblüfft und dankbar, wie Marios Trainingspläne
mich über die vielen Monate so perfekt auf diesen einen Tag vorbereitet
haben. Nun freue ich mich auf ein paar Tage Ruhe und Erholung, ehe mich mein
erster Ultra-Lauf, der Rennsteig Super-Marathon am 19. Mai 2007 mit 72,3 km,
rufen wird.
Holger Pampel vom „Team Bittel“
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