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Letzte Änderung: 23.06.2011


Holger am Start

Bericht vom Rennsteig Supermarathon
19.05.2007

von Holger Pampel

 (Fotos: Holger Pampel)


Voller Respekt und freudiger Erwartung

Bericht und Bilder

Der Bericht

Ich "laufe" ja so gerne am Rennsteig durch das Land...
oder: mein erster Ultra und dann gleich ein solcher!


Gerade 3 Wochen waren nach meinem überaus erfolgreichen Hamburg Marathon vergangen, da rief mich meine Thüringer Heimat zu einem besonderen Leckerbissen. Schon in früher Jugend bewunderte ich die Studenten meines Vaters, die sich an den langen Kanten auf dem Rennsteig wagten. Ich konnte mir damals beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein normal Sterblicher die bergigen 75km "über Stock und Stein" tatsächlich durchstehen konnte. Nach einem guten Jahr ernsthaften Marathontrainings und einigen Gesprächen mit erfolgreichen Rennsteig-Finishern glaubte ich, nun auch reif dafür zu sein und natürlich kam für mich nur der Supermarathon über 72,7km als Strecke in Frage. Naiv, mit dem reinen Durchkommen nicht zufrieden, hatte ich mir eine Zeit von unter 7 Stunden vorgenommen, was durchaus meiner gewohnten Laufgeschwindigkeit entspricht, aber hieß, im vorderen Zehntel das Ziel zu erreichen.

Die erste Hürde war die Logistik: Wann wohin anreisen, wo schlafen und wie dann wieder zum Auto kommen, kann man nach dem Lauf noch selbst fahren, was braucht man unterwegs? Letztendlich entschied ich mich für eine Nacht im Gemeinschaftsquartier in Schmiedefeld und den Bus um 3.30 Uhr morgens nach Eisenach. Im Nachhinein betrachtet keine schlechte Entscheidung. Einzig das wirklich nervige Schlangestehen an den Dixies vor dem Start hätte man durch ein nahes Quartier vermeiden können. Mit mir reisten Mario Wallrath, Erwin Bittel und Edgar Mücke, alles erfahrene Supermarathonies, von denen ich schon im Auto einige wichtige Tipps und Erfahrungen aus vergangenen Jahren erhielt. Die Anreise am Freitag Nachmittag ging wegen des Brückentages sehr zügig. Schnell waren wir auch im Gemeinschaftsquartier eingerichtet, dessen kühle Mauern uns allerdings etwas frösteln ließen.
 

Nachtlager in der Sammelunterkunft in Schmiedefeld

Abendessen im Thüringer Hof in Schmiedefeld

Nach einer kleinen Runde durch den Ort mit Besichtigung von Zieleinlauf und einer für mich in den neuen Bundesländern fast obligatorischen Soljanka nebst Bierchen im und am Partyzelt, kehrten wir noch im Thüringer Hof ein, in dem es am nächsten Morgen ab 2.30 Uhr Frühstück geben sollte. Auf der Suche nach kohlenhydratreicher und fleischarmer Kost fanden wir Klöße mit Waldpilzen (war wirklich lecker) auf der Speisekarte. Während des Wartens auf das Essen beim zweiten Bierchen philosophierten wir, wie viel Bier einem Ultraläufer den so zuträglich ist und konnten uns nicht einigen.


Bier...

...und Bier

Und da das Essen angesichts des auch vollen Nebenraumes auf sich warten lies, genehmigte ich mir auch noch ein weiteres Weizenbier -- immerhin schlafen würde ich im Gemeinschaftsquartier gut! Mario und ich nutzten auch die Gelegenheit, noch etwas die Werbetrommel für zweite Auflage unseren Staffellaufes von Prag nach Nürnberg zu rühren.

Nach überraschend erholsamen 4 Stunden Schlaf und kurzem Frühstück, ging es dann zu den bereits wartenden Bussen. Die Fahrt von 90 Minuten Dauer ließ noch eine ganze Stunde Zeit für das Abholen der Startunterlagen, Umkleiden und Abgeben des Kleiderbeutels, sowie ein paar Worte mit anderen Läufern. Das Wetter versprach sich von seiner besten Seite zu zeigen: blauer Himmel, nur am Nachmittag vielleicht ein paar Schauer. Ich entschloss mich, Erwins Rat zu folgen und nur in kurzem Trägershirt zu laufen. Nach kurzem In-Uns-Gehen reihten Mario und ich uns relativ weit vorn in das Starterfeld ein. Als aktiver Chor-Sänger war ich enttäuscht, dass das sonst angeblich immer angestimmte Rennsteiglied von Herbert Roth diesmal nicht gesungen wurde. Dafür spielte man ein neues modernes von Dr. Hotte ein ("Dieser Lauf wird kein leichter sein"), für mich ein nicht nachvollziehbarer Traditionsbruch!

Dann ging es endlich los. Da ich seit Mittwoch den Regenerationsbedarf meines Körpers nach dem HH-Marathon deutlich spürte, hatte ich auch auf ärztliches Anraten vor, das Ganze etwas langsamer anzugehen und auch meinen Pulsmesser dabei. Gehörigen Respekt hatte ich vor den ersten Streckendrittel, auf dem es bis zum Inselberg fast ausschließlich bergauf geht. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich das Feld etwas entflochten hatte und dann in Doppelreihe Richtung "Hohe Sonne" emporstieg. Ich holte erst Erwin ein, mit dem ich noch etwas fotografierte, dann Mario und schließlich Edgar. Der meinte nur kurz, ich sollte zulaufen, schließlich gehörte ich unter die ersten hundert - ein Scherz, wie ich annahm. Ich bemühte mich, den Puls im Bereich zwischen 150 und 160 zu halten und konnte trotzdem immer wieder Läufer überholen, ohne nicht auch gelegentlich den Blick für die schöne Landschaft zu heben.

Eine tolle Atmosphäre war auch am Rande der Strecke. Zwar, vermutlich auch der frühen Morgenstunde geschuldet, bei weitem nicht so zahlreich wie z.B. in Berlin oder Hamburg, dafür aber umso herzlicher und wohl v.a. die sportliche Leistung honorierend. Das 5km-Schild am ersten Wasserstand schien völlig deplaziert. Ich rechnete aus den 35 Minuten Laufzeit ca. 7km hoch. Dies bestätigte sich an der 10km-Marke, die ich nach knapp 52 Minuten mich immer noch bremsend erreichte. Nun fühlte ich mich richtig wohl und auch das "Regenerationsgefühl" war verschwunden. Deshalb legte ich etwas zu. An steileren Anstiegen überholten mich immer mal wieder Läufer, die ich aber an den kurzen Bergab-Passagen oft wieder einholen konnte. Vermutlich half mir hier meine alpine Erfahrung zu einem zügigeren Laufstil. Beim Anstieg zum Inselberg zwischen km 20 und 25 wurde auch der Weg immer uriger und erforderte volle Konzentration, um nicht zu stolpern. An den steilsten Stücken gingen die meisten Läufer, was ich ihnen gleich tat. Ich begann zu spüren, dass ich meine Waden beim gehen besser Dehnen und Strecken und so Krämpfen besser vorbeugen konnte. Auch an den perfekt organisierten Verpflegungsstellen konnte ich immer wieder einzelne Läufer überholen, die sich mehr Zeit bei der Nahrungsaufnahme (der Haferschleim ist wirklich lecker!) und beim Trinken ließen.

Den Gipfel des Inselsberges (km 25) erreichte ich nach ca. 2h10, nie zuvor bin ich da gewesen und genoss so wenigsten im Vorbeilaufen das Panorama! Beim sehr steilen und rasanten Abstieg konnte ich erneut etliche Läufer überholen, die erheblich bedächtiger zu Werke gingen. Auch deswegen legte ich die nächsten 5km in gerade mal gut 20 Minuten zurück. Auch im folgenden flacheren Teilstück ging es recht zügig voran. Die Halbdistanz (36,35km) passierte ich bei fast genau 3 Stunden. Das hatte ich wirklich nicht erwartet. Eine Hochrechnung auf eine Endzeit um 6h verdrängte ich schnell, wohl ahnend, dass da noch einiges bevorstand. Auch den Zuruf einer Frau "Platz 59" glaubte ich nicht richtig verstanden zu haben. Bis zur (nicht gesehenen) Marathonmarkierung, die ich bei ca. 3h30 passiert haben musste, ging es mir blendend.

Dann kamen die 200 Höhenmeter Anstieg auf der "Schmalkalder Loibe". Ab diesem Zeitpunkt begleiteten leichte Krämpfe in den Aduktoren jeden Schritt bergauf. Ich konnte, wie auch etliche andere Läufer, die Anstiege nur noch gehend bewältigen. Auch bergab lief es nicht mehr so rund. Meine Pace fiel deutlich auf etwa 6 Minuten pro km ab, aber zum Glück auch mein Puls, was auf eine gewisse Erholung hoffen ließ. Wissend, dass man bei km 54 am Grenzadler aussteigen kann, beschäftigte ich mich sogar mit entsprechenden Szenarien. Dann setzte sich aber die Überzeugung durch, dass es schon weiter und nun bald ja fast nur noch bergab gehen würde und ich beim ersten Rennsteiglauf auf keinen Fall aussteigen will. Auch motivierten mich Zuschauer und entgegenkommende Radfahrer, welche immer mal wieder eine Platzierung zuriefen. Von Platz 63 zählte ich noch bis ca. 80 die mich überholenden Läufer mit, dann verlor sich mein Interesse daran. Am Grenzadler nahm ich noch ein große Prise Salz (das habe noch nie vorher an einem Verpflegungsstand gesehen!) zu mir und hoffte, auch damit Herr über die Verkrampfungen zu werden.

An der Suhler Ausspanne bei km 60 kurz vor dem höchsten Punkt der Strecke ließ ich mir sogar kurz die Aduktoren massieren (Danke an die nette junge Dame!) und konnte so sogar schmerzfrei den letzten Anstieg zu Plänkers Aussicht auf 973m NN durchstehen. Dann ging es endlich bergab. An meine schnelle "Gebirgstechnik" war nicht mehr zu denken, aber es lief trotzdem wieder recht zügig. Mit einem anderen Läufer, der gerade bergab Probleme zu haben schien und zeitweilig ging, unterhielt ich mich kurz. Erstaunen, aber auch neue Motivation schien bei ihm meine Aussage hervorzurufen, dass die 7-Stunden-Grenze immer noch locker drin ist.

An der Schmücke (km 64) und auch der letzten Getränkestation gönnte ich mir jeweils einen kleinen Becher Schwarzbier, welche Wohltat nach den Strapazen auf den letzten 20km! Der Abstand der Läufer war inzwischen scheinbar riesig. Den Läufer vor mir, im Ziel hatte ich knapp 30 Sekunden Rückstand, sah ich nur noch gelegentlich um die nächste Kurve biegen. Auch hinter mir schien eine größere Lücke zu sein, im Ziel waren es ebenfalls knapp 30 Sekunden. Bei km 68,3 bogen ganze Heerscharen von Wanderern auf die Strecke ein und damit begann für mich das eigentlich tollste Gefühl: meine Annäherung hörend räumten sie den Weg frei und begannen zu klatschen. Viele drehten sich auch um und zeigten mir auch so noch mal ihren Respekt vor meiner Leistung - es war ja sonst keiner da, dem das gegolten haben könnte! Kurz vor der Zielgeraden rief mir ein Ordner noch zu: "Du bist 94-ter und keiner hinter Dir - genieße es". Und dann habe ich es genossen. Es war wie bei einem großen Sportevent und ich ein (kleiner) Teil davon! Richtig konnte ich auch noch nicht glauben, mit 6:41 h sogar noch deutlich unter den erträumten 7 Stunden geblieben zu sein. Locker verzieh ich auch dem Ordner den Zählfehler, ich war "bloß" 95ter von 1.525 Finishern...


Edgar und Holger im Ziel

Glücklich und zufrieden gönnte ich mir 2 Becher Wasser und dann mein Finisher-Bier und wartete nach der Abholung meines Kleiderbeutels endlich sitzend auf meine Eltern und die Laufkameraden. In mir war ein Gefühl voll tiefer Zufriedenheit gepaart mit der Freude, es tatsächlich geschafft zu haben und dann auch noch so! Ich befürchte, nun auch vom Rennsteig-Virus infiziert worden zu sein und im nächsten Jahr wiederkommen zu müssen! Bis alle wieder komplett waren, saßen wir noch ein Weilchen im Zielbereich herum.


Holger Pampel (LG Eckental und  Team Bittel)

 
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