Zahlreiche Überstunden bescheren mir mitten im
Sommer ein paar freie Tage. Sofort starte ich das Internet und suche
nach einem passenden Lauf in dieser Zeit. Ein Marathon soll es sein,
wenn möglich auf einer reizvollen Strecke. So stoße ich per Zufall auf
den "34. Internationalen Silvretta Ferwall Marathon/Marsch".
Kindheitserinnerungen werden im mir wach, hatte ich doch meine ersten
Ferien vor mehr als 30 Jahren immer auf einem Bauernhof in Galtür
verbracht.
Sofort bin ich gemeldet und so fahre ich am 25.
August gespannt über Garmisch-Partenkirchen und den Fernpass ins
bekannte Paznauntal nach Galtür. Nur wenig hat sich dort seitdem
verändert, vieles erkenne ich erfreut wieder. Auch „meinen“ Bauernhof
finde ich ohne langes Suchen, doch erschrecken mich die starken
Lawinenschutzwälle, die erst vor wenigen Jahren wegen der Lawinengefahr
hier errichtet wurden.
Beschaulich geht es bei der Anmeldung im
Gemeindezentrum am Dorfplatz zu. Keinerlei Absperrungen weisen auf den
morgen hier zu startenden Lauf hin, obwohl neben dem Marathon auch ein
Halbmarathon, Kinderläufe, und drei Leistungswanderstrecken über die
Marathondistanz, 28km und 13,5 km auf dem Programm stehen.
Ich nutze den verbleibenden Abend für einen
Spaziergang und erkunde schon mal die Umgebung und den Zieleinlauf. Bei
meiner persönlichen Nudelparty im Nudelhaus treffe ich einige Läufer,
die mir von ihren Erfahrungen aus den Vorjahren berichten. So warnen sie
mich eindringlich vor dem Schlussanstieg zum Muttenjoch, der darauf
folgenden 1000 Höhenmeter umfassenden Gefällstrecke ins Paznauntal und
dem anschließenden zähen Anstieg zur Lareinalpe, für die ich mir einige
Körner aufsparen solle.
Begeistert zeigen wir uns alle von dem zu
erwartenden trockenen und angenehm warmen Wetter. Im Gegensatz zu den
Vorjahren sind keine Wegstrecken durch 30 cm hohe Neu- oder
Nassschneefelder zu erwarten.
Das Höhenprofil |
Anmeldung im Schiliftbüro |
Zielbereich |
Ziellinie |
Abenddämmerung... |
...im Paznauntal |
Bauernhof aus
meinen Kindheitserinnerungen.
Hier ist die Zeit stehen geblieben. |
Beschaulicher
Startbereich ohne Absperrungen.
|
Die Sonne verschwindet hinter den Bergen und ich in
meinem Zelt, das ich für 8 Euro auf einer Campingwiese hinter einer
Pension mitten im Ort aufgeschlagen habe. Um 4 Uhr morgens klingelt mich
mein Wecker aus den Daunen. Während ich im Zelt frühstücke, überlege ich
mir meine heutige „Renntaktik“. Ich schwanke zwischen einem gemütlichen
Genusslauf mit Blick für Berge und Zeit zum Photographieren oder einem
flotten Traininglauf ohne photographischen „Ballast“.
Letztendlich entscheide ich mich für die goldene
Mitte. Zügig werde ich es heute angehen, auf den Photoapparat und kleine
Genusspausen möchte ich trotzdem nicht verzichten.
Mein Auto parke ich direkt vor dem Ziel, das Packen
eines „Effektenbeutels“ ist heute also überflüssig. So kann ich die
verbleibende Zeit für einen Plausch mit meinem Nachbarn am Parkplatz
nutzen, dem Österreicher Mario Amann, Welt- und Vizeweltmeister im
24-Stunden-Mountainbiken in den vergangenen Jahren. Er hat seine aktive
Radsportkarriere letztes Jahr beendet und möchte heute seinen ersten
Laufmarathon absolvieren.
Zünftig werden wir pünktlich um 7 Uhr mit einem
Böllerschuss aus einer kleinen Kanone auf die Strecke geschickt. Die
ersten Kilometer verlaufen noch mäßig ansteigend hoch zum Stausee Kops.
Eine Gruppe Radler baut gerade ihr Nachtlager auf einer Wiese am
Wegesrand ab und ruft mir aufmunternde Worte zu. Sie werden für lange
Zeit die einzigen Zuschauer bleiben. Jetzt verlassen wir die befahrbaren
Wege. Es wird steiler. Doch noch immer kann ich die mich umgebenden
Berge genießen und mir die Zeit für ein paar Schnappschüsse nehmen.
mit dieser
„Kanone“ schickte uns ein Böller
(nur wenige Meter neben unseren Ohren) auf die Strecke |
noch sanfte
Anstiege hoch,
zum Zeinisjoch und Stausee Kops |
fast unsere
einzigen Zuschauer, eine Gruppe von zeltenden Radlern |
Start war um
7:00 Uhr; noch hängen die Schatten tief im Tal |
Milchig trüb ist
das Wasser des Stausees Kops |
Kurz geht’s
bergab zur Verbellaalpe |
Über die malerische Verbella-Alpe geht’s weiter
Richtung Heilbronner Hütte. Bald wird sie im Gegenlicht der noch tief
stehenden Sonne sichtbar. Gut 1:20 Std bin ich jetzt unterwegs, nicht
schlecht für 12 km und knapp 800 Meter Höhengewinn.
Auf den folgenden Kilometern wird der Weg steil,
die Umgebung rau und karg, ein kühler Wind treibt mich vorwärts. Ich bin
praktisch alleine auf der Strecke und kann mich voll meinen Gedanken und
der mich umgebenden Bergwelt widmen.
Die
Verbella-Alpe lädt zum Verweilen ein |
Blick zurück
über ein malerisches Bergpanorama |
Grandioses Bergpanorama
|
Bereits von
weitem zu sehen, die Verpflegungsstelle Heilbronner Hütte
im morgendlichen Gegenlicht |
Vor der
Verpflegung steht die Anstrengung,
kurz vor der Hütte geht es noch einmal steil bergan |
Das Panorama
spiegelt sich in den glatten Scheidseen
|
Km 12 erreicht! |
Freundliche
Verpflegung vor atemberaubender Kulisse |
Unversehens erreiche ich das Muttenjoch, Dach der
Strecke auf 2620 Metern. Von nun an geht’s bergab, zuerst auf einem
schmalen Bergpfad, dann auf einem breiteren Fahrweg. Ich freue mich über
die nun wieder üppiger werdende Vegetation und begrüße die Farbenpracht
am Wegesrand.
Begeistert werde ich am nächsten Verpflegungspunkt
auf der Friedrichshafener Hütte empfangen. Eine Schar junger Fans
begrüßt jeden ankommenden Läufer mit einem aufmunternden Hopp-hopp! Wer
kann dieser Aufforderung schon widerstehen und so fliege ich förmlich
die folgenden 600 Höhenmeter hinunter ins bereits wieder nahe Paznauntal.
Viel trinken,
wichtig vor allem bei Läufen in den Bergen |
Karge
Berglandschaft beim Blick zurück vom Muttenjoch (2620m) |
von nun an
geht’s bergab... |
..und langsam kommt wieder die Vegetation |
Die Oberschenkel etwas hart vom steilen Bergablauf
folgt nun der für mich härteste Teil des Laufs. Mäßig aber stetig
ansteigend sind nun noch einmal gut 300 Höhenmeter bis zur Lareinalpe zu
absolvieren. Das Panorama hat sich verändert. Dicht eingesäumt von hohen
Wäldern gleicht die Strecke nun eher einem Trail im Fichtelgebirge. Viel
lieber hätte ich deshalb noch einen Gipfel oder Pass in den Hochalpen
unter die Füße genommen, doch die Gegebenheiten vor Ort lassen leider
keine andere Streckenführung zu.
Bergflora |
eifrige
Anfeuerung an der Friedrichshafener Hütte |
Die
Labestationen lassen keine Wünsche offen |
Die Lareinalpe |
Blick ins
Paznauntal |
Galtür in Sicht |
Zum Glück erhasche ich gelegentlich einen
entschädigenden Blick ins Paznauntal, ehe ich auf der nun wieder
abfallenden Strecke die ersten Häuser von Galtür sichte. Ein paar Kurven
im Ort und ich erreiche nach gut 4 Stunden das Ziel, wo der eifrige
Sprecher jeden ankommenden Läufer namentlich begrüßt. Keiner wird von
ihm vergessen.
Die letzten Meter... |
...ins Ziel |
jeder ankommende
Läufer wird namentlich begrüßt und vorgestellt |
mit Feuereifer
dabei und vom Vater begleitet: der Nachwuchs (Kinderlauf) |
Überrascht erfahre ich hier, dass ich trotz meiner
zahlreichen photographischen Pausen den 3. Platz in der Alterklasse M40
erreicht habe und bei der Siegerehrung ein Pokal auf mich wartet.
Harter „Kampf
der Geschlechter“
beim Jugendlauf |
Die Sieger der
AK M40: 3. Dieter Ulbricht
1. Josef Steurer/Österreich; 2. Siegfried Pilser/Österreich |
Die Zeit bis dorthin lässt sich spielend
überbrücken. Der Eintritt ins Erlebnishallenbad ist heute für die Läufer
kostenlos. Reichlich Kuchen zum Kaffee und Gegrilltes ist im Angebot und
kann bei strahlendem Sonnenschein und Livemusik verzehrt werden. Dazu
stehen die Kinderläufe auf dem Programm, wo die Jüngsten – meist in
Begleitung ihrer Eltern und die Jugend eifrig ihre Runden durch den Ort
drehen. Auch ihre Endzeit wird durch ein erstmals eingesetztes
Chipsystem am Knöchel professionell gemessen.
Fazit:
Für das „Nenngeld“ von 20,00 Euro (bzw. 18,00 Euro
bei Voranmeldung) bekommt man ein unvergessliches Naturerlebnis
geboten. Die Organisation ist angenehm familiär. Zu keiner Zeit verspüre
ich Stress oder Hektik. Die Verpflegung lässt für mich keine Wünsche
offen. Verschiedene Getränke werden genauso gereicht wie ausreichend
Riegel und Gel von PowerBar bzw. Kekse und andere leckere Sachen.
Ich kann den Lauf absolut empfehlen! Da die
Anstiege nicht so schwer wie bei anderen etablierten Bergläufen sind,
bietet sich der Silvretta Ferwall Marathon für den an, der weg von den
Stadtmarathons mal einen echten alpinen Marathon ausprobieren will.
Es wird alles geboten, was den Reiz dieser Läufe
ausmacht. Dringend empfehle ich jedoch ein gutes „Bergab-Training“, da
1000 Höhenmeter Abstieg auf relativ kurzer Strecke Kniegelenk und
Muskulatur schon ordentlich fordern. Da das Wetter nicht jedes Jahr so
gut mitspielt, sollten wasserfeste Trailschuhe für ggf. verschneite Wege
im Gepäck nicht fehlen
Viele Grüße,
Dieter
Infos:
www.ferwallmarsch.at (2007: 84 Finisher)
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