Rafael und ich reisen in Ruhe am
Vorabend an in Braunshausen, begrüßen einige Bekannte und breiten unsere
Schlafsäcke in der urigen spartanischen Blockhütte aus. Manche nehmen
sich ein Hotelzimmer nebenan. Wir plaudern mit Bernie und Bernhard
("B+B"),
den beiden Veranstaltern, auch bei „Team-Bittel“. Der alte Läuferhase
Bernhard wird natürlich nicht mitlaufen, wirkt etwas besorgt und ist
ständig beschäftigt. Klar, er weiß was Läufer mögen und tut alles dafür.
Alles im Griff, bestens, läuferfreundlich und in 100m Reichweite. So,
nun zum Abendessen im Hotelrestaurant mit Salat- und Nudelbüffet. Und
viele trinken ein Bierchen. Läufer gehen bald in die Koje, bei
Dunkelheit gegen 22.00 h ist keiner mehr auf den Beinen, hier am
Waldrand.
5:30 Uhr: Läufer stehen früh auf. Und jeder hat eine andere
Frühstücks-Philosophie. Meine heißt liegen bleiben so lange geht. Um 7
Uhr werden wir mit dem Bus (gratis) zum Start nach Wildenburg gefahren,
laufen dann abends wieder in unser Blockhüttendorf ein. Sehr praktisch,
alles kann liegen bleiben.
8:15 Uhr: Nach
Bernhards Feldwebel-Appell, jawoll es sind alle hier, folgen die letzten
Informationen, wo man sich unterwegs verlaufen könnte. Wildenburg, wir
gehen im Kühlen auf die Strecke. Und das heißt Wald. Und plaudern.
Ich habe mich auf viel klettern, gehen und rutschig eingestellt. Ist
aber nicht so, ich kann fast durchgängig traben. Die Wege wechseln
zwischen breiten Forstwegen, engen Wurzelpfaden und Wiesentrails. Sehr
schöne Landschaft und abwechslungsreiche Natur. Ich beginne die erste
Stunde ganz hinten, laufe mal ein Stück plaudernd mit dem und dann
wieder jemand anderem. Ich frage, und höre sehr interessante Lauf- und
Lebensgeschichten. Schon bis jetzt habe ich mehr als die Hälfte der
Teilnehmer kennen gelernt. Das ist so hier. Warum wohl die Familie der
Ultra- und Trail-Läufer so rasant wächst?
Langsam nehme ich
Fahrt auf, überhole immer mal wieder jemanden, kurzes Hallo oder ein
Pläuschchen. Da kommt Rafael. Das Feld hat sich auseinander gezogen. Ich
sehe immer häufiger niemanden mehr, und wenn, dann bleibe ich ein Stück
bei dem, der da gerade ist. Bald bin ich alleine im Wald. - Und auch ich
verlaufe mich. Die blau-grünen Zeichen des SH-Steigs sind nicht immer
leicht zu sehen. Bin ich 200m unkonzentriert, schwupps schon am Abzweig
vorbei. Also zurück zur letzten Markierung. Heute geht es allen so,
mehrfach. Manchmal habe ich Glück, jemand ruft mich zurück, oder kommt
gerade vom falschen Weg zurück. Manchmal trabe ich gedankenverloren in
die falsche Richtung. Deswegen ist es gut, sich auf 4km mehr als die
ausgeschriebenen 66km einzustellen. Ist eben so.
Mein Rucksack ist gut gefüllt mit Zaubertrank, denn Verpflegung gibt es
nur alle 10km. K-Schilder keine. Nach etwa 4 Stunden, alleine und gerade
wieder 3min ärgerlich verlaufen, erreiche ich VP3 am Feldrand: „Etwa
29km haste“. Ich finde alles was Läufer wollen, von Cola bis Kräcker,
Obst bis Iso. Von Läufer für Läufer gemacht, super! Ich fülle meinen
noch ¾-vollen Trinkrucksack mit Wasser auf, ein Stück Orange und tappe
weiter im unebenen Grastrail am Feldrand.
An der Berghöhe
wird der Weg steinig und uneben. Macht die Füße müde. Und dann gibt es
wieder rotbraune weiche Waldpassagen zum erholen. Ich bin in einem
perfekten Rhythmus. Meine Gedanken verlieren sich im dichten Wald, bin
aber wachsam. Immer wachsam. Nur noch selten treffe ich jemanden. Wilma
z.B. sie hat Knieprobleme und wird aussteigen. Schade. An VP4 stoße ich
auf eine Vierergruppe um Tanja, das flotteste Mädel heute. Ich bleibe
lange in der Nähe, mal sie mal ich ein Stück voraus. An kleinen
Wasserläufen mit Brückchen erfrischen wir uns, kurze Rast und weiter.
Manchmal stehen wir zu dritt und finden das nächste Schild nicht. Aber
mit viel Konzentration sieht man es doch an einem Baum, eben 20m weiter.
Es geht gerade wieder sehr viel und steil bergauf, die Sonne heizt dazu
kräftig. Gehe ich oder trabe ich diesen Ziehweg hoch? – Ich trabe, und
werde oben mit VP5 (km49) belohnt. Meine Finger kriegen die kleinen
Wasserflaschen nicht auf, man hilft mir, danke! Noch ein Stück Banane
und ab ist er am engen Singletrail bergab. Achtung, hier links! Ich habe
das kleine Schild gerade noch in den Augenwinkeln gesehen. Meine Füße
sind warm, die Waden noch wärmer. Mein Kopf ist gut behütet, ich
schwitze nicht zu sehr. Zum hundertsten Mal gluck-gluck kleine Schlücke
trinken im Laufen, Rucksackgurte nachziehen, Schultern und Arme etwas
ausschütteln. Ups, schon 500m kein Schild? Ich drehe 300m um. Einfach
nichts zu sehen, auch kein Läufer. OK, volles Risiko, einfach weiter.
Puh, Glück gehabt, nach 300m kommt wieder ein blaugrünes „SH“.
An der „Steinernen Treppe“, einem gigantischen Steinhaufen (Ringwall,
größte keltische Befestigung Europas aus 1.Jhd. v.Chr.) treffe ich auf
Oliver. Er ist müde, hat die letzten Wochen zu viele schnelle Marathons
gemacht. „Und, haste was gelernt?“ – O ja! Er läuft mit mir weiter und
wir erreichen zusammen den letzten VP. Noch 6 km. Ich bleibe bei
Zitronenwasser und etwas Grapefruitschorle, esse nichts. Er zischt eine
Flasche Bier rein. Ich laufe vor, „geradeaus bis zum Staudamm, davor
links“. OK. - Ratlos stehe ich nach 500m ohne Markierung im Wald.
Buchstäblich im Wald. Verlaufen. Also zurück zur Verpflegungsstelle,
nochmals gefragt an der 4 Wege-Kreuzung. Tobias rätselt dort auch noch,
wo es weiter geht? Also beschließen wir, einfach irgendwo grob Richtung
See zu laufen. Und finden dann irgendwo ein Schild zur Talsperre. Aha,
schön und grün ist sie. Und jetzt? Während ihn der Mut verlässt, beginne
ich flott am Radweg zur Staumauer zulaufen. Dort frage ich mehrere
Wanderer, wo es nach Braunshausen geht? Kennen wir nicht. OK, und
Nonnenweiler? Da runter. Es gibt wieder SH-Schilder, na wenigstens
etwas. Schnell stehe ich wieder ratlos an einer Kreuzung, gehe jeden Weg
200m. Und zurück. Dank dem Mann mit Hund finde ich den Ort Nonnenweiler,
frage dort an der schönen spätgotischen Kirche (Hochwald-Dom) ein paar
Leute nach dem Weg zur Rodelbahn. „Da lang, durch die Brücke. Ist aber
weit“. Mein Camelbak ist fast leer, aber meine Beine laufen noch recht
locker. Müde bin ich halt und will endlich in den Schatten und ins Ziel.
Plötzlich finde ich wieder weiße Markierungspunkte. Passt. Puh! Und bald
sehe ich auf der ewig langen hitzeflirrenden Strasse 500m vor mir 2
Läufer. Ich komme ihnen näher. Erst am steilen 1km-Anstieg zum Ziel sehe
ich, es sind Tanja und Kurt. So trabe ich den Berg hoch, geht ja noch
gut, zu ihnen und wir gehen zu dritt ins Ziel. – Meiomei, war das lang.
In der Tat gute 70km. Bernhard empfängt uns mit Musik, Getränken und
einer Umarmung. Hey Bernhard, unterwegs, vorher und hinterher, das habt
Ihr super organisiert!
So, und jetzt raus aus den verschwitzten Klamotten, unter die Dusche.
Und viel Stretching. Ich lege mich ein Weilchen in meine Hütte, trinke
und trinke. Langsam wird es wieder. Immer wieder gehe ich zum Ziel,
empfange Läufer und höre von jedem seine persönliche „Verlauf“-Story.
Extra-km haben alle. Und jeder erzählt sie jedem, das erleichtert. Und
Kratzer gibt es ab und zu, nichts Schlimmes, viele sind ausgerutscht,
einige hingefallen. - So ist Trail-Laufen. Nicht leicht. Aber sehr
schön.
Zum feinen Salat-Nudel-Abendessen ab 18.30 Uhr wieder im Sporthotel sind
fast alle da. Ein paar werden morgen nicht mehr dabei sein, verletzt,
verausgabt. Ich auch nicht, obwohl es mir recht gut geht. Leicht ist es
nicht, die Lauffreunde morgen alleine laufen zu lassen. Aber für mich
gibt’s ja noch was anderes im Leben außer Laufen (zwinker).
Servus, ich nehm
meinen Hut, bis zum nächsten Trail. Irgendwann.
Euer Lionheart
Hier die Videos des
Tages:
1)
Bernhards Startanweisungen
2)
Rafael cool am Start
3)
Km2 - Mit Heidemarie verlaufen
4)
Km11 - Sybille in den Berliner Bergen
4)
Auf dem Laufsteg
Bilder Teil 1
(alle Bilder im Großformat
gratis
hier zu haben)
Ankunft in Braunshausen: Unser Blockhüttendorf... |
...mit 8 Holzbetten |
Rafael ist guter Dinge: Wir werden gut schlafen |
Dusche und WC sind nur 50m entfernt |
Abendessen vom Feinsten |
Am Morgen vor dem Start: Bernhards Einweisung + Hinweise |
Mit dem Bus 40min zum Start... |
...auf 630m Höhe. Die Sonne scheint schon warm morgens kurz vor
8 Uhr |
Bernhards Instruktionen am Start: Jawoll Oberfeldwebel! (s.
Video) |
Rafael nimmt den Appell sichtlich sehr locker (s.
Video) |
Die hier haben davon noch gar nichts mitbekommen, oder? |
|
Tanja und Kurt werden zusammen laufen |
Dieses Symbol nie aus den Augen verlieren! |
So eine Art Familienfoto |
Klaus und seine berühmte gelbe Trinkflasche |
Tanja und Kurt |
Km2: Mit Heidemarie verlaufen (s.
Video) |
Viel Geröll am Gipfel, uff, wenn das so weiter geht? |
...aber wird gleich wieder besser... |
...oh nein, gleich wieder eine Steinlawine |
Ich hole Rafael ein |
Schön im dichten Wald: Es liegt noch rotbraunes Laub vom Herbst |
Ich hole Klaus die "Flasche" ein |
Km10 Verpflegung Nummer 1: Ich nehme mir Ein Fläschchen Wasser |
Weiter geht's durch die Felder |
Ich hole Martin ein am Waldweg |
Ein ganz kurzes Stück an der Strasse entlang |
Sybille aus Berlin kennt auch Berge (s.
Video) |
Am offiziellen Wanderweg sind die Bäume sauber weggemacht |
Oh, wen treffe ich denn da wieder? Hans-Peter... |
...genau zwischen den Felsen. Wir laufen ein kleines Stück
zusammen... |
...wir kennen uns vom
Keufelskopf letzte Woche |
Dann ziehe ich langsam weiter |
Hui ist das steil hier |
Ein stiller Anglerweiher |
An der Pferdekoppel vorbei, gleich wieder verlaufen wir uns
wieder (zu
zweit) |
Km20: Verpflegung 2 mit vielen guten Sachen |
Wo lang? Geradeaus und da geht's auch zum Nordpol (5.144km!) |
Kurzer Halt, den Ausblick genießen. Und weiter.... |
Ein Waldlehrpfad |
Was ist das, ein langer Steg... |
...sehr lang. Läuft sich super. mal was anderes (s.
Video) |
Und gleich noch mal ein Steg (immer aufs blaugrüne Symbol
achten!) |
Wieder ein langes kurviges Walstück auf weichen braunen Blättern |
Auf dieser Gerade sehe ich keine Schilder mehr |
Immer wieder grüne Blicke in die Weite |
Ich laufe schon längere Zeit alleine |
Durchs Tunnel... |
...und bis zur Strasse runter? Verlaufen! - Also zurück, den
Berg wieder rauf |
Km30: Endlich gefunden VP3 in voller Sonne. Trinkrucksack
auffüllen |
|
Panorama-Blick übers Kornfeld mit Klatschmohn |
Aufgepasst, scharf links den Hang runter. Ein 300m Schlenker... |
..auch hier wieder einer, 200m durchs Gebüsch. Aber super
Rastplatz hier! |
Alte Eisenbahngeleise, irgendwie riecht das nach Abenteuer |
An allen Jägerständen kann ich locker vorbei laufen (ich muss
nimmer hoch) |
Wilder Naturweg bergauf: Ich muss gehen... |
...und weiter gehen... |
...bis zum Ski- und Rodelhang des Erbeskopf (816m), wo... |
...VP4 (40km) ist. Ich stoße auf einen Läufertrupp + nette
Mädels mit Futter |
Oh geht das jetzt steil rauf. Jetzt weiß ich wieso unten
Schneekanonen waren |
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Puh! Verschnaufen und eine kleine Pause auf der Bank mit
Tanja... |
...und dem bunten Kurt. Das tut gut |
Die 4 Freunde trennen sich nun, oben angekommen... |
...bei den
Nato-Radartürmen am Gipfel |
Naturreservat mit Sonnenreflex |
|
Ach ist das schön, ich verweile ein Stückchen auf dieser Bank
und blicke ins Mittelgebirge Hunsrück |
weiter zu
Bilder Teil 2
Links:
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