Im Sommer 2010
verbrachten meine Frau und ich zum ersten Mal Urlaubstage im Peak
District in Mittelengland, in einem Caravan, auf einer Milchfarm direkt
am High Peak Trail. Und wir lernten eine der schönsten Landschaften
Englands per Mountainbike und bei Lauftouren zu schätzen.
Bis 1961 existierten im Gebiet des White Peak 2 Eisenbahnlinien: Die "Cromford
and High Peak Line" (schon 1825-30 erbaut und damit eine der ersten
langen Eisenbahnverbindungen der Welt) und die "Ashbourne-Buxton Line"
als Teil der London and Northwestern Railway (1899 eröffnet). Nach ihrer
Stilllegung wurden beide Verbindungen 1971 als verkehrsfreie Trails
wieder eröffnet. Genutzt werden sie seitdem hauptsächlich von Wanderern,
Radlern und Reitern. Sie bieten eine ideale Möglichkeit, die
wunderschöne grüne Hügellandschaft von Derbyshire auf sich wirken zu
lassen.
Bereits seit 1977
veranstaltet der
Matlock Athletic Club
den White-Peak-Marathon (+ Half Marathon). Während der Marathon nördlich
von Ashbourne auf dem Tissington Trail startet, beginnt der Halbmarathon
zur gleichen Zeit auf dem zweiten Abschnitt der Marathonstrecke bei
Friden auf dem High Peak Trail. Ziel ist jeweils das Sportgelände des
Matlock Rugby Club am Ortsausgang von Cromford. Die Teilnehmerzahl für
beide Läufe ist auf je 200 begrenzt. Es lohnt sich, sich frühzeitig -
schon zu Beginn der Ausschreibung im Januar - anzumelden.
Unsere Anreise geht per Flug von Nürnberg über Amsterdam nach Manchester
und dann per Mietwagen in den White Peak. Hier haben wir ein Zimmer in
einem Bed&Breakfast in Wirksworth (3 Meilen von Cromford) gebucht und
mit dem „The
Wild Cherry B&B“
die beste Wahl getroffen.
Am Tag vor dem
Marathon fahren wir zur Einstimmung zum Matlock AC Sportgelände und hier
zeigt sich, was in Runners World zum White Peak Marathon mit "low-key
race" gemeint ist:
Matlock
Rugby Club vor dem Marathontag |
Die
letzten 100m ins Ziel werden morgen hier gelaufen |
Es
gibt kein Hinweisschild, keine Anzeichen für eine Marathon-Veranstaltung
am nächsten Vormittag. Einzig ein unscheinbarer Pavillon am Wiesenrand.
Bekannt ist, dass auf der Strecke Wasser und Saft in Abständen angeboten
würde und Anfahrtswege für Rettungsfahrzeuge kaum bestünden. Ein Grund
mehr, warum der Veranstalter mir
das Jonglieren während
des Laufens nicht erlauben konnte.
Anstelle von meinen
Beanbags (Jonglierbällen) geht also erstmals meine Kamera mit auf die
Marathonstrecke.
Das
Wetter am Tag zuvor ist mit 11°C recht kühl, hinzu kommt ein frischer
Wind. Aber es regnet nicht. Für den Event-Tag wird ergiebiger Regen
angekündigt. Eine mentale Herausforderung, die meine Laune nicht gerade
zu Höhenflügen führt.
Am
Start sind es dann 9°C, es ist recht windig, bis zum frühen Morgen hat
es geregnet. Aber der Regen hat erst mal aufgehört! Aufatmen. Im
Vereinshaus des Matlock Rugby Club sind um 9:00 Uhr (Start ist 11:00
Uhr) an den verschiedenen Punkten für Marathon und Halbmarathon schon
viele Läufer versammelt. Das
Gepäck wird vom Startpunkt zum Sportgelände zurückgefahren und dort am
Zaun ausgehängt. Wann fahren die Busse zum Start? Ian Milne, der
Veranstalter, begrüßt mich mit „Ah, you are the joggler“ und
entschuldigt sich noch mal, dass er Jonglieren nicht zulassen kann. Ich
erfahre, dass es Wasserstationen alle 4-5 Meilen (6-7 km) gibt und dass
Uli und ich die einzigen teilnehmenden 'Europeans' vom Kontinent sind.
Gegen 10:00
Uhr geht es zu den Bussen.
Hier gibt es Startnummern |
Busabfahrt zum Start 10:00 Uhr |
Die
gesprächsfreudigen Engländer erzeugen einen belebten akustischen Rahmen
während der 3/3-stündigen Fahrt von Cromford nach Thorpe zum
Marathonstart. Es ist trüb, aber Regen bleibt aus. Aussteigen an einem
Wiesenstück und ein paar Schritte zu einem Waldweg und man ist am Start.
Umkleiden, in nur kleiner Schlange am WC anstehen und die restliche Zeit
dichtgedrängt im windgeschützten Bushäuschen verbringen.
Schild zum Start |
Fast keine Schlange am WC |
Der Start ("Duck")... |
...und die etwas frierend wartenden... |
...200 Marathonläufer |
|
Der
Hinweis ‚DUCK‘ (anstelle von LUCK, da das Starttransparent so niedrig
hängt) zeigt englischen Humor. Relaxed, so ist auch bei der
Startaufstellung wenig Anspannung zu spüren. Die meisten sind nicht zum
ersten Mal dabei. Man kennt sich. Viele Locals, die für ihren Verein
laufen. Da der Regen ausfällt, kann ich die Kamera in der Hand halten
und bin gespannt auf das, was vor mir liegt. Ein paar Hinweise von Ian
zur Verantwortung der Läufer sich körperlich richtig einzuschätzen,
notfalls in der Nähe des Umkehrpunktes zum High Peak Trail bei Parsley
Hay auszusteigen (Mile11).
Und dann ein kurzes "GO!" und los geht’s. Uli läuft schneller an als ich
und so laufen wir unabhängig voneinander los. Eng ist es nur ganz am
Anfang, so dass es nicht schwierig ist das eigene Tempo zu finden. Auf
den ersten 7 Meilen steigt die Strecke leicht, das spüre ich wenig.
Fordernder ist der Wind der auf freien Strecken frontal entgegenbläst.
Auf dem Tissington Trail ist Tissington ein beliebter Ort für Radfahrer
und Wanderer. So kommt der eine oder andere auch bei wenig einladendem
Wetter hier den Läufern entgegen. Am Rand stehen ab und zu ein paar
Leute und klatschen, wenn die Läufer passieren. Meistens sind es heute
Angehörige, die ihre Läuferin/Läufer unterstützen.
Nur anfangs ist es etwas eng... |
...schnell zieht sich das Feld auseinander |
Auf der
ehemaligen Eisenbahnstrecke geht es immer wieder... |
...unter
imposanten Brücken hindurch |
Auch im Grau behält die Landschaft ihren Reiz,
die - auch hier verspätet - gerade erst ihren Frühling erlebt. |
|
Bei
Meile 4 hole ich Uli ein, die sich gerade in beste Laune gelaufen hat.
Die kleinen Schildchen mit Meilenangaben erweisen sich für den
km-Schilder-gewöhnten Läufer als psychologisch sehr wertvoll, da es
hiervon ja nur 26 gibt.
Viel
Grün... |
...und
sanfte Landschaft beruhigen |
Ich überhole Uli |
Immer wieder geht es durch kürzere Tunnel... |
...schon
wieder einer |
Ich erreiche ein paar alte Hasen |
Ich laufe auf eine
Gruppe mit alten Hasen auf: Roger Biggs vom 100 Marathon Club UK +
Michael Grehan von den Dunstable Road Runners, der heute seinen 252.
Marathon läuft. Mit Roger komme ich ins Gespräch, als er mein
Fürth-Metropolmarathon-Laufhemd erkennt und erzählt, dass er vor ein
paar Jahren auch beim
Fürth-Marathon
dabei gewesen sei. Ich solle dort im Juni Veranstalterin Anita Kinle und
v.a. John Dawson von ihm grüßen, und wie es dem „man with the hat“ (Mr.
Bittel) ginge.
Bei
Meile 8 ist die 2. Wasserstation:
Die freundlichen Helfer harren bei unwirtlichem Wetter aus |
Mit
den Höhenmetern wird es nebliger,
das gibt fotografisch der Strecke einen neuen Anreiz |
Langsam wird der Nebel dichter |
Meile 10 (nicht km10) |
So, jetzt tauchen wir in den Nebel völlig ein |
Mit Roger + Michael erreiche ich den Durchbruch... |
...bei Parsley Hay,
einer Station mit Fahrradverleih + Getränkekiosk
|
1/2 Meile nach Parsley Hay kommt der Umkehrpunkt auf dem High
Peak Trail. Hier steht ein betagter Marshall und leitet jeden
Läufer korrekt um die Mile-11-Marke herum. |
Auf
dem Rückweg kommt meine Uli entgegen und dass Küsschen lässt
meine Laufbegleiter belustigt mutmaßen, um wen es sich da wohl
handeln würde?
|
Der High
Peak Trail zweigt nun nach Osten ab, ein spürbares Plus, denn
der Wind schiebt nun an. Bald geht es an der Brundcliffe Farm
vorbei, wo wir 2010 mit dem Caravan unserer englischen Freunde
den Ausgangspunkt für Touren hatten. |
Kurz
dahinter ein weiteres Überschreiten einer Startlinie: Hier
ging es um 10:30 Uhr für die Halbmarathonläufer los. |
An der
Ziegelei von Friden vorbei kommt man...
|
...zur einzigen Straßenüberquerung, an der für uns Läufer alle
Fahrzeuge angehalten werden. |
Nach
Meile 15 geht es nur noch in kleinen Gruppen oder alleine
weiter. Oft ist der nächste Läufer...
|
...nur
noch am Ende des Weges... |
...und im Nebel auch nur schemenhaft zu erkennen |
Es
läuft sehr gut und ich genieße die Landschaft. |
Einzig mein letzter Riegel klebt zäh im Mund... |
...und so laufe ich mit Riegel in der linken Hand...
|
...und
der Kamera in der rechten Hand... |
...und
mit großer Sehnsucht nach... |
...der
nächsten Wasserstation (hier ist Mile 18, also km29) |
Roger ist schon eine Weile ein kurzes Stück vor mir... |
…doch jeder läuft nun für sich selbst |
Die Beine werden langsam schwerer und ich hänge mich an einen
anderen Läufer an, der in meinem Tempo läuft |
Die Strecke hier ist abwechslungsreich...
|
...ich befinde mich auf dem Teil der Strecke... |
...den ich 2010 noch nicht erlebt hatte, |
...Neuland ist jetzt gut für die Motivation |
Mile22 (km35): Am Eingang des Tunnels gibt's Applaus... |
...der längste Tunnel durch den wir Lokomotiven laufen |
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Nach dem Tunnel kommt man nach Middleton Top, hier beginnen die
‚Inclines‘, die steilen An- bzw. Abstiege, auf denen
Güterwaggons mit Kohle oder Steinen von stationären Zugmaschinen
hinaufgezogen wurden. |
Das Fotografieren der Hinweistafel will Leuten, die hier ein Picknick
machen, kurz erklärt werden und als sie hören, dass ich aus Germany
angereist bin, fragen sie mich, ob sie auch ein Foto von mir machen
sollen. Klar, die kurze Stehpause kommt gerade gut.
Der "Fürther" Peter |
Letztes
Gatter vor dem Abstieg |
Etwas matschig hier |
Der "Incline" beginnt... |
...und ab jetzt geht's abwärts |
Hier steht noch eine Incline-Zugmaschine |
Der Wald macht den Abstieg reizvoll |
Ich hänge mich an die leuchtenden Socken von Fredelina Yong (Reading Road
Runners) |
Das lange Hinunterlaufen geht auf die Beine und so wechseln
Fredelina und ich uns ab mit der "Führung" |
3 Meilen Abstieg sind hinter uns |
Ein harmloses Hindernis, aber mit schweren Beinen... |
...und beginnendem Krampf im Fuß ist Aufpassen angesagt. Ich bin
nicht alleine mit Schwierigkeiten, wie ich an der Silhouette
eines Läufers in Stretching-Pose am Tunnelausgang erkennen kann |
High Peak Junction: Auch mein Vorläufer muss ein Stück gehen.
Hier endet der High Peak Trail. Gut, dass an der Junction mit 4
Abzweigungen eine Helferin steht, die uns den richtigen Weg
weist. |
Mein Fuß ist wieder OK. Doch nun krampft es in der Wade, was
mich auf der letzten Meile am schönen und flachen Cromford Canal
zum längeren Gehen zwingt. |
Dann lese ich das handgeschriebene Schild "Nearly Home 26" und
ich bekomme auf den letzten 300m noch mal Schwung und es geht
noch was... |
Vor dem Abzweig über die Wiese hinunter zum Sportgelände sind schon
Stimmen zu hören. Und auf der Wiese – begleitet von Applaus und ‚Well
Done‘-Zurufen – trägt mich die Euphorie. Dann geht es scharf nach rechts
und durch den unscheinbaren blauen Pavillon und...
...ich bin im Ziel. Yep! |
|
Fredelina ist ein paar Minuten vor mir angekommen und hält schon eine
Tasse mit heißem Tee und eine Tüte mit Obst und Keksen in der Hand. Die
Tasse mit White-Peak-Marathon-Aufdruck ist das Präsent für alle Finisher,
anstelle von Medaille und Urkunde. Wir unterhalten uns gut gelaunt über
das gegenseitige "Anschieben" auf den letzten Meilen.
Die letzten Meter... Im "Change" treffe ich nur Roger + Michael |
Der blaue Ziel-Pavillion (nach 42,7km) |
Noch ein wenig Smalltalk mit 2 ganz erfahrenen Hasen, und als ich wieder
in den Zielbereich zurück komme, ist Uli gerade ins Ziel gelaufen,
genießt ihr Getränk und hat den Gepäcksack schon vom Zaun genommen.
Uli ist auch im Ziel |
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Dear Derby Runners, wir zwei vom Kontinent kommen gerne wieder!
Euer "Joggler" Peter
Infos:
www.matlockac.org.uk
(Strecke
und Profil:
hier)
(Finisher: Marathon=179 Halbmarathon=242)
PS: Wie sonnig es wenige Tage später aussah:
1 Woche später: Die Sonne lacht... |
...ich kann es nicht lassen und laufe 16km nochmals... |
...aber diesmal mit Bällen, jonglierend :-) |
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