Meine Frau sagt, wenn Laufen wirklich so
meditativ wäre, gäbe es in Haushalt und Wohnung keine Probleme mehr.
Nein, sie will sich auch nicht beschweren über die vielen einsamen
Sonntagsfrühstücke, wenn ich meinem Sport nachgehe, der angeblich so
wenig Zeit in Anspruch nimmt. Richtig ablachen kann sie aber, wenn ich
ihr erklären will warum ich so gerne laufe: „Ich kann so wahnsinnig toll
nachdenken beim Laufen. Da kommen mir die besten Ideen.“ „Ideen“, meint
sie dann nur, „was bräuchten wir Ideen. Zum Beispiel, wie wir endlich
unser Küchenregal an der Wand befestigen. Aber bitte so, dass es nicht
gleich nach der zweiten Berührung wieder auf den Boden kracht. |
Ich bin ganz ruhig. Mit jedem Atemzug spüre ich, wie meine Schritte
größer werden. Meine Beine berühren kaum noch den Boden. Mein Körper
wird leicht. Ich hebe ab. Ich schwebe. Ich denke an nichts. An nichts!
Beim Laufen sind die Gedanken frei. Neben mir hustet jemand, zieht
seinen Schleim hoch und spuckt aus. Das reißt mich kurz aus meiner
Meditation. Wo bin ich? In Bad Windsheim, 10 KM-Lauf. Genau!
Alain, Birgit, Elisabeth, Günther und Helmut sind mit dabei. Elisabeth
und Günther starten mit mir beim 10er. Die anderen 3 laufen den
Halbmarathon. Ich setze ein Bein vor das andere. Es gibt keinen
schlechten Zeitpunkt oder schlechten Ort zum Laufen. Das ist das
Besondere am Laufen. Ich spüre meinen Körper und bin mit mir im Reinen.
Alles ist gut. Total klar. Probleme? Was ist das? Mittlerweile haben wir
den ersten Anstieg hinter uns gelassen und laufen an KM 4 vorbei.
Laufen entspannt. Und wenn dann mein Gehirn ein Stunde Pause hatte, dann
kann ich die dringend auf Lösung wartenden Probleme dieser Welt wieder
frisch angehen. Meine Frau hat da eine ganz andere Vorstellung. Manchmal
sitzt sie nach meinen Läufen betont entspannt im Wohnzimmer, doch ihr
Blick verrät sie. Eigentlich könnte sie auch mit den Regalbrettern für
das Küchenregal in der Wohnungstür auf mich warten. Ihr Fuß würde
bedrohlich wippen und sie würde mich fragen, ob ich jetzt eine Idee
hätte, wie dieses Regal endlich an die Wand kommt. Wie banal! - Im
Moment geht es nur darum, wie meine Seele der Erleuchtung
entgegenfliegen kann. Und ich kämpfe um die Plätze. Die
Verpflegungsstation liegt hinter mir. Heute läuft es gut. Ich gleite
über den Asphalt. Der Wind bläst wie immer in Bad Windsheim. Aber das
stört mich nicht. Mittlerweile geht es wieder leicht abwärts. Zeit um
das Tempo anzuziehen.
Meine Frau versteht das nicht. Wenn ich sage, ich
kann beim Laufen prima nachdenken, dann denkt sie ausschließlich an
Praktisches. Es geht um Stauraum für Gewürzgläser, Kochbücher und
Tupper-Behälter. Behälter mit so lustigen Namen wie Eidgenossen,
Gewürz-Zwerge, Gewürz-Riesen, Wichtel, Julchen, Hitparade und
Quick-Chef. Letzterer klingt wie ein neuer Kosename für mich. Und wehe
es steht nicht alles an seinem Platz! Dann kommt der wahre Chef und es
setzt einen Anpfiff.
Ich blicke auf die Startnummern um mich herum, alles Halbmarathonis. Ich
liege gut in der Zeit. Noch 2 Kilometer. Jetzt heißt es kämpfen. Schritt
für Schritt. Nicht nachlassen. Alles braucht seine Zeit. Auch ein
Gewürzregal. Ich brauche eben Zeit und ein paar Anläufe bis solche
Großprojekte, wie das Anbringen eines Küchenregals analysiert sind. Doch
beim Laufen geht es um mehr, ums große Ganze, nicht um solch schnöde
Details. Man hat hinterher einen ganz anderen Blick auf die Welt. Knoten
lösen sich, Lösungen zeichnen sich ab. Aber nicht für Regalbretter. Mehr
übertragen meditative Lösungen.
Die Zielgerade. Endspurt. Geschafft. Heute war ein
guter Lauf. Viele gute Ideen!
10 KM-ZIEL, aber für mich ist noch nicht Schluss.
Wie letztes Jahr hänge ich noch eine Runde dran. Eine
„Gewürzregal-Gedächtnisrunde“. Der Wind bläst stärker. Für mich läuft es
weiterhin prima. Ich komme zum zweiten Mal zum Ziel und stifte ein wenig
Verwirrung, als ich neben dem Zielkanal vorbei laufe.
Zielzeit festhalten |
Stöcke festhalten |
Lauffreund Rudi |
Die 5 vom Laufteam aus Großenseebach |
Gut gelaunt gehe ich zur Siegerehrung. Auf der
Heimfahrt denke ich noch einmal darüber nach: „Laufen macht frei! Da
löst sich vieles von selbst!“ Ich weiß schon jetzt was meine Frau darauf
antwortet: „Es löst sich nur deshalb vieles von selbst, weil ich es
löse, während du läufst. Und außerdem: Buddha, der Erleuchtete – er
sitzt. Oder liegt. Er ist dick. Und er lächelt das glücklichste Lächeln
der Welt. Hast du schon einmal einen laufenden Buddha gesehen? ---
Eben!“
Run happy and smile!
Jochen
Infos: www.weinturmlauf.org
Weitere Berichte vom Weinturmlauf 2009:
2009 Julio |
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