Nächte zuvor konnte ich nicht schlafen... Was wird bei so einem Lauf
alles passieren? Ich bin doch noch niemals zuvor mit jemanden zusammen
gelaufen? Ohne Musik? So eine lange Strecke? Und auch noch in der
Nacht! Und mit Stirnlampe. Ich hatte schon ein bisschen Bammel aber
auch Ehrfurcht und ich war natürlich total aufgeregt.
Am Freitagnachmittag, ich konnte früher aus dem Büro abhauen, fuhren
wir, mein Mann und unser Hund als Cheerleader, mal wieder mit voll
gepacktem Auto los. Dieses Mal ging es nach Ulm. Bis 50 km davor ging
alles gut, dann kam der Stau... Aber dieses Mal löste er sich bald auf
und wir erreichten Blaustein um 18.30 Uhr. Wir suchten die Sportanlage
und ich holte meine Startunterlagen ab. Dann ging es los.... Schlag
auf Schlag.... Zuerst mussten wir einen Platz suchen für unser Zelt.
Es war angegeben, dass es eine Zeltmöglichkeit gibt, aber wo? Selbst
das Orgateam wusste nicht so recht, in welcher Ecke wir uns breit
machen durften. Nach längerem hin und her und mehreren Zeigefingern in
verschiedene Richtungen fanden wir ein Plätzchen direkt am
Startplatz.
Wir luden das Auto aus und bauten unser Zelt auf. Da kam schon der
Anruf von Jörg, er ist in Blaustein angekommen, holt jetzt seine
Unterlagen und kommt dann zu uns. Prima, das war der erste Streich
meines neuen Lauf-Feelings, mein Laufpartner und Lauffreund ist
eingetroffen.
Nicht viele Zelte waren dabei, muss sich wohl erst herum sprechen |
Chill- und Quatschzeit |
Da wir noch genügend Zeit hatten, quatschten wir noch über alle
möglichen Dinge und die Läuferwelt und tranken Kaffee. Je später der
Abend um so müder wurde ich... Nein, ich muss doch durchhalten... Oh
wie schwer. Meine Couch rief nach mir "Wo bleibst du denn heute so
lange, ich warte schon auf dich!" War das schon mein innerer
Schweinehund? Erst um 23 Uhr soll der Lauf losgehen. So 1
Stunde vorher zogen wir uns um und machten uns so langsam startklar.
Ready to go! |
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Die Heißluftballons der Sponsoren waren gefüllt und nach dem
Rhythmus der Musik wurden sie erleuchtet. Das war ein tolles Bild und
gab dem Ereignis eine besondere Note.
"Olympischer"
Heißluftballon... |
...toll ! |
20 Minuten vorher machten wir uns auf hinter die Startlinie, denn nun
ging es bald los und das Feuerwerk sollte vorher noch starten. Oh
Gott... wir hatten das Briefing um 21.30 Uhr vergessen... Jörg
versuchte mich zu beruhigen, aber so als Neuling denke ich natürlich,
jetzt ist alles vorbei.... Ich wurde immer stiller. Meine Aufregung
und Anspannung war schon fast nicht mehr auszuhalten.
Nach einem tollen Feuerwerk ging es los. Wir zählten den Countdown und
der Startschuss fiel. Eine dreiviertel Runde durch das Stadion und
dann ging es ab in die Nacht. Wir liefen noch ein Stück durch die
Stadt, um dann im Feld und in der Dunkelheit zu verschwinden. Es war
eine tolle Strecke, viel Feld und Wald und einige kleinere
Ortspassagen. Es ging bergauf und bergab.
Jörg, als erfahrener Ultraläufer, lief neben mir und ich hielt mich
direkt an seine Tempovorgabe. Im Gleichschritt und Gleichklang,
trapp,trapp,trapp, liefen wir durch die Dunkelheit. Es war
fantastisch, ich kam superklasse zurecht und lief absolut im
Wohlfühltempo.
Huhu... alles im grünen Bereich? |
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Wir unterhielten uns prächtig und diskutieren und lachten sehr viel.
Wow... was für ein tolles Feeling! Ich brauchte gar keine Musik auf
dem Ohr. Das war für mich wirklich neu. Es machte total Spaß und ich
fühlte mich richtig gut. Die Streckenteile im Wald waren total dunkel.
Jetzt war ich noch mehr froh, dass Jörg dabei war... So alleine als
Frau hätte ich Angst gehabt. Es wurde kalt... Kaum zu glauben nach den
Hitzetagen. Aber wir sind ja auch "auf" der Alb. Da ist alles etwas
kälter. Ich zog meine Armlinge an und fühlte mich gleich besser. Auf
der Strecke unterhielt man sich auch mit anderen Läufern, so etwas
kannte ich noch nicht. Bei Stadtläufen oder Stadtmarathons ist alles
viel unpersönlicher. Zwar konnte ich am Rennsteig schon kleine
Erfahrungen damit machen, aber das hier war anders. Selbst die
Feuerwehr, die immer bei einer Überquerung einer Strasse den Weg frei
hielt und uns leuchtete, war immer offen für einen kurzen Smalltalk.
Die Strecke war sehr gut gekennzeichnet, entweder mit Bändern oder
kleinen Leuchten oder Blinklichtern. Auch waren Pfeile auf dem Boden
gezeichnet, die im Schein der Stirnlampe immer gut zu sehen waren.
Leuchtstäbe im Gebüsch |
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Die Verpflegungsstellen waren der Hit. Jede Gruppe hatte sich etwas
einfallen lassen. Einmal hatten sie den Zuweg zur Verpflegung an
beiden Seiten mit großen Kerzen ausgeleuchtet, bei einer anderen
Stelle ging es erst einmal eine Runde durch das Stadion und bei einer
anderen Verpflegungsstelle stand eine Hollywoodschaukel.
Eine kurze Rast |
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Auch wurden wir "mitten in der Nacht" richtig überschwänglich
begrüßt. Mit Tröten, Rasseln, Kuhglocken und Klatschen standen viele
Menschen an der Seite und munterten uns Läufer auf. Alle Helfer waren
total freundlich und sprachen uns immer gut zu. Ein dickes Lob und
Danke an alle Helfer!!!
Da plötzlich erfasste mich Müdigkeit. Oh je... Jetzt kommt alles
heraus, weil ich die letzten Nächte nicht gut geschlafen hatte und
jeden Morgen ab 4 Uhr wach lag. Na klasse, das kann ja heiter werden.
Aaah, plötzlich auch noch Bauchschmerzen. Was ist denn das nun? Nein,
das geht doch jetzt nicht. Jörg versuchte mich abzulenken. Wir
wanderten ein Stück. OK, es geht wieder. Wir liefen wieder. Doch ich
merkte, dass ich nicht richtig zu Abend gegessen hatte. Die Spätzle
von der "Spätzleparty" waren nicht ganz mein Geschmack und so blieb
mein Magen ungefüllt. Wieder etwas gelernt. Niemals mit halb leerem
Magen losziehen! Bei der nächsten Verpflegungsstelle trank ich eine
Brühe. Ah wie gut! Meine Lebensgeister kamen wieder aus ihren Betten
gestiegen und mein innerer Schweinehund war wieder in die hintere Ecke
vertrieben. Bergauf und bergab, bergauf und bergab. Alles ging super!
Wir liefen durch einen Ort (Erbach) und kamen an verschiedenen
Kunstfiguren vorbei. Guck mal da, unsere Couch...
Ein
Kunstobjekt: Da ist sie, unsere Couch, kurz mal die Beine ausruhen |
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Zwischenstand! Na ja, Alpenkiwi hat seine Tante Erika beim Müritzlauf
und wir unsere Couch
Guck mal! Schon Kilometer 40 |
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Ab Kilometer 40 fiel es mir jedoch schwerer. Ich bin auch schon lange
nicht mehr eine soooo lange Strecke gelaufen. Marathonfeeling hatte
ich einmal in 2005. Das ist doch schon etwas her. Die Kilometerpunkte
waren hier irgendwie weiter auseinander als am Anfang der Strecke...
die Orga hat sich bestimmt vermessen... na ja.. kam mir auf jeden Fall
so vor.
Da
läuft mein Zugläufer |
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Die ersten Vögel zwitscherten.. was für ein Feeling: Gänsehaut pur!
Das ist es wert in den Morgen zu laufen. Morgenrot, der Nebel stieg
in den Feldern auf. Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen. Welch eine
Aussicht auf Ulm...
Nebel im Feld und der Duft des Morgens hmmm... |
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Dann eine Verpflegungsstelle mitten im Klosterhof (Wiblingen). Welch
ein Ereignis. Ich kam mir sooo klein vor in dieser riesengroßen
Klosteranlage. Schon wieder ein bisschen Gänsehaut.
Es ging an der Iller entlang. Eine schöne Strecke. Aber mein
Laufschritt war schon schlürfrig. Da, da vorne! Da kam es dann
endlich, 45 km... Jörg sagte: "Ultra!!! Jetzt bist du eine Ultra-Susan".
Stimmt, du hast recht! Aber da waren noch 5 Kilometer bis zum Ziel.
Dann erst kann ich mich richtig freuen. Meine Oberschenkel schmerzten,
meine Füße taten weh.Was ist das? So etwas kannte ich auch noch nicht,
mir tat sonst nie etwas weh! Mann, so ein Käse! Jörg lächelte und
meinte:" Du kennst doch den Ausspruch, der Schmerz geht, der Stolz
bleibt."
Es ging durch die Stadt Ulm und an der Donau entlang. Das Laufen fiel
mir immer schwerer. Ich musste mich richtig überwinden. Auch die
Müdigkeit kam wieder hervor. Aber mit dem Laufen-Wandern-Prinzip
klappte es ganz gut. Vor jeder Kurve dachte ich, da ist bestimmt das
Ziel. - Dachte ich... Doch dann endlich war es soweit, das Stadion war
in Sicht. Jörg sagte: "Auf, im Stadion laufen wir". Was, im Stadion
muss ich auch noch eine Runde laufen? Oh nein! Im Stadion angekommen
und Auge in Auge mit dem Zielbogen war plötzlich alles möglich.
Ich meinte zu Jörg: "Auf Endspurt!" Ein herzliches: "Du bist total
verrückt!" kam als Antwort. Stimmt! Da war sie wieder, die alte
durchgeknallte Nuss und der Schweinehund war ausgetrieben. Auf den
letzten Metern, ich musste wenigstens noch einen Läufer vor mir
überholen. Völlig durchgedreht! Huuuuuuuuurrrrraaa, und durch...
Glücklich umarmte ich Jörg.
Hurra!!! Ich habe es tatsächlich geschafft!!! Ohne Jörg wäre dieses
Abenteuer nicht möglich gewesen. Vielen, vielen Dank Jörg! Das 50km
Ziel war gleichzeitig auch eine Zwischenstation für die 100km Läufer.
Hier machten viele erst einmal Halt und frühstückten.
Breakfast time... |
...der
Kaffee schmeckt gut |
Das hieß, es gibt Kaffee. Oh mein Lebenselexier, Kaffee!!! Kaffee und
ein Stück Rosinenbrot. Aaaahhhh, schon ging es mir besser. Mit
einem Shuttlebus wurden wir an den Ausgangsstartpunkt Stadion
Blaustein wieder zurückgefahren. Da war sie, unsere Couch!
Geschafft! Unsere wohlverdiente Couch |
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Zurück am Zelt und nach einer wohltuenden Dusche war an Schlaf
natürlich überhaupt nicht zu denken. Wir chillten noch ein wenig und
ließen den Lauf revue-passieren, bevor wir uns auf den Heimweg
machten.
Mein Fazit: traumhaft, fantastisch, oberhammergeil! Bitte noch einmal.
Und noch etwas ist wichtig: Wir sind die ganze Strecke ohne Uhr und
Pulsmesser gelaufen! Ist das nicht grandios? Es war so klasse,
zusammen mit einem lieb gewonnen Lauffreund das alles erleben zu
dürfen. So ein Ultralauf hat seinen eigenen Charakter und ich bin
froh, dies kennen gelernt zu haben. Ich weiß, dass ich noch einiges
besser machen muss, z.B. nicht mit leeren Magen loslaufen und besser
schlafen die Nächte zuvor. Ich werde daran arbeiten, denn es ist es
wert! Eigentlich bin ich eine Heulsuse und in meinen bisherigen
Berichten musste ich das auch immer wieder zugeben. Aber dieses Mal
war und ist alles anders! Ich musste nicht heulen, ich konnte einfach
nicht. Vielleicht sind es die Endorphine. Ich weiß es nicht. Ich weiß,
es war ein unglaubliches Abenteuer, und ich bin einfach nur stolz.
Stolz auf mich selbst und mein Erreichtes. Es war auf jeden Fall nicht
das letzte Mal.
Jetzt bin ich eine Ultra-Susan! - Der Schmerz geht, der Stolz bleibt.
Liebe Grüße
Eure Susan