33. Rennsteiglauf am 21.05.2005 – Ein kleines
Kompendium von Erwin
Es war warm und schwül, mal 30 Minuten Regen, am Ende viel Sonne. Wahrhaft
kein einfaches Wetter! Doch bei guter Einteilung klappt es. - Zu dritt durch
den ewiglangen Wald. Wie drei Nixla nur sooo weit laufen können?!?
Nixla kommt nicht von „Nixe“, obwohl da auch ein paar unterwegs
waren, sondern kommt von „nichts“. Na ja, die Lang-Läufer sind eben schmal
gebaut. Die meisten jedenfalls.
Es ist von uns ja schon ein par Mal über den Rennsteiglauf geschrieben
worden. Daher will ich hier mal ein kleines Rennsteig-Kompendium
wagen. Wie fühlt sich jemand, der zum ersten Mal dabei ist? Was zieht man an?
Wie isst man, was trinkt man? Welches Tempo wählt man? Welche Schuhe, welche
Socken? Und all die kleinen Details eben. Wo gibt es Unterschiede zwischen HM, M und SM? Ich will dann auch etwas über die Läufer und die Stimmung vor während und
nach dem Lauf schreiben. Und zum Schluss Stimmen erzählen lassen, wie es ist hinterher: was
bleibt?
Es gibt den 72,7km-Supermarathon (SM), den 43,1km Marathon (M) und den
21,1km Halbmarathon (HM). Die meisten Läufer sind aus Thüringen, klaro. Wir
haben von Nürnberg aus 3 Stunden Autofahrt bis Schmiedefeld (Ziel aller Läufe)
und weitere 1,5 Std. Busfahrt bis Eisenach (Start SM).
Auf der offiziellen Seite
www.rennsteiglauf.de
und in der 48 Seiten dicken Rennsteiglauf-Zeitung, die jeder Läufer mit der
Anmeldung erhält steht ja vieles. Zahlen, Fakten, Historie,
Streckenhinweise, Verpflegungspunkte, Busverbindungen. Aber es steht dort
eben nichts Persönliches. Das kommt nun hier ...
Start in Eisenach
Elf Grad am Morgen um 6 Uhr. Na, das ist ja fast warm. Ich denke mir,
wenn es mich schon am Start nicht friert, dann wird es warm. Wir dehnen uns
15 Minuten. Vorsichtig taktieren und langsam los laufen! Viele machen sich
Sorgen um das Wetter. Ich höre es überall. Viele sind in Jacken und manche
in lange Hosen gepackt. Regen ist angesagt, und es sieht auch so aus. Doch
es regnet am Start noch nicht. Und auch nach 2 Stunden noch nicht. Ha! Ich
mag keinen Regen, auch wenn es relativ warm ist wie heute. Ich denke mir,
vielleicht bleibt es ja wenigstens bis zur Hälfte trocken. Das muss der
Regen gehört haben, denn exakt nach der Ebertswiese und km 37,5 beginnt es
zuerst zu nieseln, dann oben am Berg zu regnen. Jacke, jetzt kommt Dein
Einsatz. Wofür hab ich Dich denn dabei? Und Jacke ist gut, denn es windet
kalt.
Die Nasseinlage dauert nicht lange, schon wird es schwül, und trotz
leichtem Regen ziehen wir lieber die Jacken aus. Ein sehr tückisches Wetter.
Mit Jacke schwitzt man, ohne Jacke friert man. Doch die 20 Minuten
mittelschwerer Regen sind auszuhalten. Auch auf der Höhe, wenn der Wind von
schräg kalt weht.
Gehsteig – Rennsteig
Unsere Taktik (nicht erst seit heute): auf der Ebene traben wir im
langsamen Trainingstempo. Bergab dann die Füße richtig rennen lassen: darum
heißt es „Rennsteig“. Die Steigungen werden gegangen: könnte man jetzt sagen
„Gehsteig“. Mit dieser Taktik kommen wir am leichtesten ins Ziel. Es
funktioniert.
Man trifft Leute
Wenn man nicht so eifrig unterwegs ist, Ultra laufend eben, dann begegnen
uns Leute. Wir treffen Andrea bei km 5, sie bleibt eine Stunde bei uns und
wir unterhalten uns. Wo kommst Du her? Ach wir haben einige gemeinsame
Bekannte. Was hast Du heute vor?
Plötzlich grüßt mich Andreas bei km 20. Wir
trafen uns vor kurzem auf einem anderen Lauf und erzählen uns wie jener für
uns zu Ende ging. Wir sehen ihn noch ein paar Male, aber bald geht er sein
eigenes Tempo.
Wir lernen Frank kennen, so bei km25, und erstaunlich,
er bleibt bei uns dreien. Immer wieder kommt er von hinten. Wir fürchten
schon, dass wir zu viert einlaufen werden und den Zielkanal verbreitern
müssen. Wir erzählen uns viel, lachen oft. Manchmal steht auf einem Shirt
etwas, das zum Gespräch anregt. Würzburg Marathon, Schwäbisch Alb Ultra,
Swiss Alpine, Team Klinikum Nürnberg, „Pain is temporary, Pride is forever“.
Dann spricht man sich an, und wir erzählen uns etwas über oder um den Lauf,
woher wir sind, erzählen uns manchmal einen Witz oder ein nettes
Lauferlebnis. So entstehen Lauffreundschaften.
Zum ersten Mal dabei
Ich glaube jedem ist es vorher mulmig im Bauch. Wochenlang mit steigender
Tendenz.
Hier wie es bei meinem ersten Mal lief: SM Bericht Erwin 2002
Weitere Erlebnisberichte:
Irgendwann kommt jeder mal hier her...
Tipps zum Laufen
Fangen wir mal mit den ganz praktischen Tipps an.
Was zieht man an?
Bitte nicht zu warm anziehen. Eine Jacke, die man
ausziehen und umbinden kann ist ideal. Kurze Hose, aber Vorsicht, es kann
zwischen den Beinen reiben. Träger-Shirt oder halbarm. Vaseline an die
Lippen, an alle Stellen, die reiben könnten, auch an die Zehen. Lieber
anfangs 10 min frösteln, es geht ja 25km bergauf, da friert bald niemand
mehr.
Wie isst man, was trinkt man?
Der Rennsteig hat so seine Eigenheiten
wie sonst nirgends: Thüringer Cola, Schmalzbrote wahlweise mit Schnittlauch
oder Gurke, heiße Würstchen, trockenes Brot und Thüringer Knackwurst. Und
natürlich den „Schleim“. Ich muss sagen, ich hatte Respekt vor dem
Experiment ihn zu probieren, aber jetzt schwöre ich drauf. Sehr leicht zu
trinken (als „Schleim-Suppe“), bestens verdaulich, prima lecker! Und jedes
Mal ein anderer Geschmack: mal Heidelbeere, mal Mandarine und am besten
Himbeere. Da werden Bananen oder Äpfel langweilig. Trinken so oft und viel es
geht. Wasser schmeckt bald nicht mehr, aber es gibt Schorle, Cola (wer es
mag), immer warmen Tee (auch den kann man bald nicht mehr sehen) oder Suppe.
Mit Essen frühzeitig anfangen, spätestens nach 2 Stunden, denn am Ende
braucht man die Energie.
Welches Tempo wählt man?
Gehen wir mal vom Marathon-Bestzeit-Tempo aus: den SM läuft man etwa 30%
langsamer.
Als 3:50-h-Marathonläufer kann man etwa 8:45 Stunden planen oder wie wir das
ganze in 9 Stunden mit Ruhe an den Verpflegungspunkten laufen.
Ein 4:12-h-Marathonläufer auf ebener Strecke wird dagegen im knappen
8-min-pro km-Tempo laufen und in etwa 9,5 Stunden ankommen. Das ist oft
langsamer als das langsamste Trainingstempo! Viele 30er-Trainings-Läufe sind
von Vorteil (spürt man gegen Ende zu). Keinesfalls zu schnell los. Aber wem
sage ich das? Jeder weiß es und ;-) keiner macht es. Trotzdem lieber anfangs
5 Minuten pro Kilometer mehr Zeit lassen!
Welche Schuhe, welche Socken?
Neue Schuhe auf gar keinen Fall. Die
ältesten sind gerade recht. Wir sehen auch zum Teil wirklich totgelaufene
Treter. Die Schuhe sollten feste Sohlen haben, aber das haben ja heute alle
Marathon-Schuhe. Schuhe eine Nummer größer als sonst ist anzuraten. Dickere
Laufsocken sind gut, aber nicht nötig. Wer Sorgen mit Blasen hat: vorher die
Zehen abkleben. Schon vor km 20 laufen wir auf heftigen Wurzelwegen
Unterschiede zwischen HM, M und SM?
Die HM-Strecke ist identisch mit
dem Ende des SM. Der
Marathon ist eine komplett andere Strecke, uneben aber nicht
mit so großem Höhenunterschied. Beim HM gibt es am Vorabend in Oberhof eine
große Party, beim SM ist in Eisenach um 23 Uhr Schlafesstille. Ich habe in
Eisenach immer urige Typen kennen gelernt, Laufberichte mal der ganz anderen
Art, lustige Biertrinker am Vorabend. Beim SM kommt man über einige 900er
Bergrücken, oft ist oben Nebel. Wir haben heuer viel Nebel bei km 45. Man
kann herrliche Gipfelfotos am Inselberg machen (910m bei km 25) und am großen
Beerberg (höchster Punkt, km 62), wenn man noch kann. Bei km 37,5 an der Ebertswiese ist ein kleines Fest, Kinder applaudieren, fast ein kleines
Volksfest.
Die Unterbringung?
Also wir sind in Eisenach spät angekommen am
Vortag und finden nur noch Platz im Flur oder Treppenhaus des alten
Gymnasiums. Die Klassenzimmer sind voll. Jeder liegt auf seiner Isomatte,
eingerollt im Schlafsack. Aber es ist okay. Gut, man kann schlafen.
Ein Tipp: Ohrstöpsel gegen unerwünschte Nachtgeräusche. Kissen ist ein Muss.
Die Läufer, die Stimmung vor während und nach dem Lauf?
Es gibt hier
wirklich seltene Gestalten, meist über 50, oft unterschätzt man das Alter.
Manche laufen mit Hund (immer an der Leine), manche in
Kostüm (Hallo
Hexe Uli!) oder mit Aufklebern „Rennsteig SM 25tes Mal“. Und nicht immer sind
Schuhe und Bekleidung aus diesem Jahrzehnt. Aber das ist das Schöne: kaum
gestylte Läufer hier. Die Ultra-Stimmung ist äußerst kameradschaftlich, es
wird immer viel geredet, außer eben zum Schluss dann, logisch. Man kümmert
sich um seinen Nebenmann, erzählt, lenkt sich ab. Zwar läuft jeder für sich,
doch manchmal gerne einen Schritt langsamer als man könnte, wenn sich nette
Plaudereien ergeben. Irgendwann geht dann einer weiter nach vorne, man
verabschiedet sich. Und wenn man sich eine Stunde später wieder trifft, was
oft vorkommt, dann gibt es wieder was zu erzählen. Mal steht ein Bläsertrio
voller Enthusiasmus (km 20), mal ein einsamer Trompeter an einem dicken alten
Baum (km 34). Danke! So werden die Stunden nicht so einsam. Und bei der
Hälfte steht jedes Jahr der Herr im Filzhut und bläst jedem (wirklich jedem)
Läufer aus seinem Alphorn (eine Thüringische Hirten-Schalmei, ich habe ihn
heuer gefragt!).
Tipps für während des Laufens:
Die Pieselpausen finden beim
Rennsteig, wie bei allen Ultras bereits ab km 0,5 statt. Nee, ohne Scherz.
Das fällt mir immer wieder auf. Keine Ahnung wieso schon so früh? Ist aber
im Wald problemlos. Und was macht man wenn man mal „groß“ muss? In Ruhe ein
Plätzchen suchen und na ja... entweder Tempo-Taschentuch, wenn man eines
dabei hat... oder (und dieser Tipp muss unter uns Naturfreunden erlaubt
sein)... Moos.
Abends im riesigen Festzelt in Schmiedefeld ist die Bombenstimmung, so
richtig laut nach der Waldesstille. Mir fast zu viel Getümmel. Eine Liveband
spielt, es gibt Suppe, Bier, was man will. Viele, viele bleiben bis in die
Nacht. Und manche nochmals über Nacht.
Und was bleibt?
- Stolz, das man es geschafft hat. Freudenschrei, Umarmungen, ich liebe
Euch alle, will die Welt mit Euch teilen. Freundschaften, Stunden
gemeinsamen Laufens (oder Leidens, das verbindet).
- Hey, mailen wir uns,
wollen wir uns bald wieder treffen?
- Hey, da komm ich wieder her, das war eine einzigartige Stimmung, so viele
Leute, prima und engagiertes Publikum, geniale Verpflegung.
- Das größte Ultra-Event Europas, Europa-Cup, 10.000 Läufer laufen am
selben Platz ein.
- Das unschlagbare Gefühl mit 45 noch ein jungen Läufer zu sein.
Weitere Stimmen zum Lauf
Der 21malige alte Rennsteig-Hase Uli findet:
Was nach dem Rennsteig bleibt? - Überall noch alles grün um mich herum,
weniger "Muskelgekatere" als nach einem Asphalt-Stadt-Lauf, viele neue
Kontakte zu nett verrückten Läufern, der Nachgeschmack der großartigen
heimatlichen Thüringer Kartoffelklöße, viele Mails mit Glückwünschen,
Traurigkeit dass schon wieder alles vorbei ist, starke Motivation endlich
Normalgewicht runter zu bekommen, nicht unbedingt wieder in Schmiedefeld
neben dem lauten Festzelt campieren.
(Mehr Stimmen folgen in Kürze)
Und es bleibt uns dreien das ewige Gefühl: „unglaublich, dass ein Nixla
so weit laufen kann“!
Auf Wieder-Sehen, Erwin vom „Team Bittel“
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