Ich hab`s geschafft!
Mein erster
Ultra-Cross Lauf, der erste Landschaftslauf und das erste Mal jenseits
der 63Km! Wahnsinn! Es ist schwer das Erlebte in Worte zu fassen und
stündlich flackern neue erlebte Momente vor dem geistigen Auge auf. Aber
der Reihe nach: Ein Stand auf der Marathonmesse in Köln im Okt 2007
weckte mein Interesse. Zwei „ältere Herrschaften“ betreuten den Stand
des „Rennsteiglaufs“ und wir kamen ins Gespräch. Unvorstellbar für mich
die Vorstellung 73km durch den Wald über Berg und Tal auf über 900 Hm zu
durchqueren. Aber dies beiden vor mir Stehenden haben es schon zig mal
geschafft! Beeindruckend! Ich hatte am Tag drauf meinen ersten 63Km Lauf
zu bestehen aber ein Laufziel keimte schon auf: der Rennsteig.
Nach der Euphorie
meines
geschafften 1. Laufs jenseits der 42Km stand für mich fest: „Der
Rennsteig ruft“.
Über meine Mitmachen bei "Team Bittel" entstand ein netter
Mailkontakt zu Manuela, und auch Erwin musste sich meine 1.000 Fragen
anhören und war immer mit Rat & Tat beiseite. DANKE euch beiden!
Meine beiden Männer zuhause hatten Geduld mit mir und ließen mich meine
Runden durch Köln ziehen. Woche für Woche fast autistisch lief ich brav
nach einem Plan aus dem Internet: „In Würde ankommen“, wobei ich mich
nicht immer dran halten konnte. Ich hasse Tempotraining, also lief ich
lieber mal 20km statt 10km. Der Respekt vor der soooo langen Distanz war
mein „Animateur“ ;-) Auf jeden Fall kenne ich nun jeden Baum und
jeden Grashalm in Köln, hat auch was für sich!
Eisenach, 16.05.2008
Zur Feier des Wochenendes mieten wir uns ein Wohnmobil und kommen guter
Dinge in der schönen Stadt Eisenach an. Schnell finden wir ein gutes
Plätzchen auf einem öffentlichen Parkplatz nahe der Bahn, der für die
Teilnehmer des Laufs schon reserviert war (super Organisation), und los
geht’s zur Startunterlagenausgabe. Lustig! Kein Gedränge, kein
Massenandrang, sondern freundliche Menschen (so sind sie halt, die
Thüringer) erwarten uns in der kleinen Tourist-Information. Alles ist
hier sehr übersichtlich und perfekt organisiert. Draußen kriegt jeder
eine Flasche Köstritzer mit Limo in die Hand gedrückt. Na das kann ja
lustig werden. Wir verzichten auf die Kloßparty, die im Zelt gleich
neben dem Start stattfindet, setzen uns lieber in ein Cafe auf dem
Marktplatz und genießen die Sonnenstrahlen! Ja, das Wetter ist prima und
für morgen ist zwar Regen aber 18°C angekündigt.
Unser Wohnmobil |
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17.05.2008, der
Rennsteig ruft!
Die Nacht war kurz. Um 4 Uhr klingelt mein Wecker, aber ich habe super
geschlafen, trotz der immer größer werdenden Nervosität. Wahrscheinlich
lag der gute Schlaf an den Ouzos, die der freundliche Eisenacher Grieche
uns gestern Abend noch im Restaurant aufdrängte. Ohje! Tolles "Carboloading".
Ich drücke mir schnell 1 Banane und einen Powerbar rein, mehr geht
nicht. Gut, dass ich keine Pulsuhr mithabe, mein Herz klopft bis zum
Hals! Viele Ultraläufer pellen sich aus ihren Autos,
Lieferwägen/Sprintern oder Wohnmobilen und pilgern teils ruhig, teils
etwas lauter zum Start auf dem Marktplatz. Wahnsinn! Hier geht’s gleich
los! Und wenn alles gut geht sehen wir uns in Schmiedefeld wieder!
Das Abenteuer beginnt
Der Startschuss! Die Menge setzt sich langsam in Bewegung. Nach der
Durchquerung der Einkaufsmeile geht’s direkt stramm bergauf! Oh Gott,
die ersten gehen schon mal ein paar Schritte! Ich auch. Ob ich mich hier
nicht doch übernehme? Das fängt ja heiter an. Kurz drauf treffe ich
Manuela & Jörg, die mich aus meinen Sorgen reißen, und wir verbringen
einige km miteinander. Jörg fotografiert fleißig und wir erzählen uns
über Gott und die Welt. Die beiden sind ein so nettes eingespieltes
Team, es macht Spaß mit ihnen zu laufen. Ab km12 beginnt es plötzlich zu
regnen und wir legen doch besser die Regenjacken an. Es ist ja erst der
Anfang des Laufes. Hoffentlich regnet es sich nicht ein. Aber unser
sorgenvoller Blick hellt sich nach einiger Zeit wieder auf. Der
Wettergott ist gnädig! - Die Zeit vergeht wie im Fluge. Die 1.
Getränkestelle km7 ist vorbei. "Nach jeder Verpflegungsstelle geht’s
bergauf!“, sagt Manuela schmunzelnd. Und sie hat Recht! Schon sind wir
bei km17. Doch nun muss ich die beiden ziehen lassen und bestreite mein
Abenteuer auf eigene Faust weiter. Der Weg wird immer unebener. Wir
klettern über dicke Wurzeln, müssen aufpassen nicht zu fallen und mir
fällt auf, dass ich diese Stelle schon in den Fotoberichten von Erwin
gesehen habe! Plötzlich sehe ich meine beiden Betreuer. Torsten und
Lucas haben es geschafft mit dem Wohnmobil bis Glasbachwiese zu
kommen. Welch Freude! Lucas stürmt auf mich zu und rutscht prompt auf
dem rutschigen Boden aus. Nix passiert zum Glück! Jetzt geht es
immer weiter bergauf. Es ist in der Tat so, dass die Anstiege i.d.R.
gegangen werden. Ich wollte Erwin und den anderen nie glauben, aber so
ist es! Wie eine Schar Lemminge schlängelt sich die Läuferschar den
Thüringer Wald hoch. Das muss ein Bild sein. Irgendwie lauf /geh ich wie
in Trance und gelange endlich zum Inselberg (km25), der mit 910 Hm die
zweithöchste Stelle des Laufs ist. Welch Erleichterung! Geschafft. Der
ältere Mann auf de Marathonmesse in Köln sagte mir damals:
„Das Schwierigste sind die ersten 25Km, danach ist das Schlimmste
geschafft!“
Ob
er Recht hat? Wir stürzen die steilen Stufen und den rutschigen Rest auf
der anderen Seite des Inselberges runter. Hilfe, ich weiß nicht ob gehen
oder fallen lassen das Beste ist, so rutschig ist es hier. Heil erreiche
ich die Verpflegungsstelle Grenzwiese und Torsten und Lucas sind
wieder da. Wie schööön! Hier gibt's den berühmt-berüchtigten Schleim.
Neugierig probiere ich und: er schmeckt toll! Cola, süßer Tee und Limo
sind so nicht mein Fall beim Laufen. Auch die Kohlensäure des Wassers
finde ich nicht so toll, aber der Schleim ist eine Wohltat! Weiter
geht's. Natürlich wieder bergauf. Aber irgendwie scheint es jetzt
längere Zeit relativ eben zu laufen. Ich hänge meinen Gedanken nach und
betrachte mir den Wald. Wie im Märchenwald: die Wiese reicht bis dicht
an die Bäume heran, auf den Lichtungen fehlt nur noch das Reh und ein
Hexenhaus. Bald kommt die Ebertswiese. Km 37,4 Halbzeit (quasi).
Sie liegt in einem Tal und wir fallen freudig auf sie zu. Hier bemerke
ich auch die Wanderer, teils mit Stöcken, teils ohne. Sie teilen sich
den Weg mit uns. Aber irgendwie geht's mir nicht gut. Ich glaube ich hab
zu viel getrunken. Meine Hände sind geschwollen und ich muss mir den
Schleim und das Wasser reinzwängen. Gut, dass es jetzt wieder bergauf
geht (klar, nach er Verpflegung…).
Es läuft noch gut... |
...aber es wird immer schwieriger! |
Ich kann nicht mehr!
Mir fällt ein Mitläufer auf, den ich immer wieder treffe. Mal überholt
er mich, mal ich ihn. Er läuft mit Musik im Ohr. Komisch denke ich, hier
in der Natur, aber so hat jeder seine Motivationshilfe. Auf jeden Fall
freu ich mich immer ein bekanntes T-Shirt zu treffen. Aber so ist es
wohl. Immer wieder kommt man kurz ins Gespräch mit seinen Mitläufern. So
treffe ich einen älteren Herren, der schon zum 32. mal startet, aber
schwört, dass es nun sein letztes Mal sein wird, „diese Plackerei“. Ich
empfinde Hochachtung vor seiner Leistung und möchte ihn am liebsten
drücken, weil es mir so leid tut, dass er im Moment so entnervt ist. Mir
geht's wieder gut. Eine weitere skurrile Begegnung Minuten später. Ich
treffe auf einen Läufer in MBT-Schuhen. Da ich weiß wie
gewöhnungsbedürftig das Laufen in diesen Schuhen ist und man damit ja
höchstens „rolltrabt“ (die laufende Fortbewegung mit denselben) muss ich
ihn ansprechen und erfahre, dass er schon seit heute Nacht unterwegs ist
und in Schmiedefeld genau 100 Km unterwegs ist. Verrückt! Ich denke an
den Spruch:
“Niemand ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren findet,
der ihn versteht!“
In
der Tat treffe ich während des langen Weges (Erwin verglich den Lauf mit
dem Leben in all seinen Facetten) noch einen Barfssläufer und Läufer in
Trekkingsandalen, mit Hund, mit Bart, mit Mütze, mit Hut. Genau! Wie das
Leben! So vergeht die Zeit, und schon ereiche ich den Grenzadler
bei km54. Kurz vorher gesellte sich eine Frau zu mir und wir geraten ins
Quatschen. Auch der Mann mit der Musik im Ohr taucht an der
„Futterstelle“ auf und wir 3 teilen die nächsten Km miteinander!
Verpflegung km55 am Grenzadler (in der Mitte Erwin mit Hut) |
Der Schleim ist viel besser als sein Name! |
Brote mit Schmal, Käse, Wurst? - Ich lieber nicht. |
Es
ist für uns alle der 1. „Rennsteig Supermarathon“. Unterbrochen wird der
Weg nur durch die zig „Pinkelpausen“ die für mich nervende Normalität
sind. Km55 und ich hätte nie gedacht, dass es mir noch so gut gehen
könnte. Klar, die Muskeln melden sich, aber keine Blasen, kein Krampf.
Und mein Fuß, der im Vorfeld mein Sorgenkind war ist brav, alles o.k. -
„Nur“ noch 18 Km – das müsste doch zu schaffen sein. Der Weg wird immer
steiler, führt über das Rondell zum Grossen Beerberg, dem
höchsten Punkt der Laufs. Wie hab ich ihn herbeigesehnt. Auch dieser
Anstieg wird von uns im ständigen Wechsel zwischen Gehen & Laufen
(„Jöggeln“) bewältigt. Am höchsten Punkt feuert uns ein einsamer
Radfahrer an, wir sollten in die Hocke gehen, jetzt würde es nur noch
bergab gehen! Super, der Gedanke, aber langsam reicht's auch! Aber
richtig. Die letzten 10Km gehen „gefühlt“ und real nur noch bergab.
Danke Rennsteig. Wir lassen es rollen so gut es geht! Der Mann mit der
Musik im Ohr, meine Mitläuferin ohne Namen (wir haben uns alle nicht
nach unserem Namen gefragt, auch verrückt), noch ein Mitstreiter und ich
rennen fast zusammen in Kolonne ins Ziel und fallen uns in die Arme!
Lucas traurig, Moni glücklich |
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Geschafft. Hurra !!!!!!!! - 73 Km, ich glaub es nicht !!!
Danke, ihr netten unbekannten Wegbegleiter! Unter den Bedingungen
dieses Laufes ist jeder Begleiter, wenn es passt, ein Stück weit
Lebens-Weg-Begleiter. Vielleicht sehen wir ns nächstes Jahr wieder!
Freudig treffe ich im Ziel auch auf Manuela & Jörg, die beide etwas
früher da waren. Welch eine Freude! Ich leihe mir ein Handy um Torsten &
Lucas zu kontaktieren. Sie warten an der Marathonstrecke kurz vor dem
Zieleinlauf, dachten an der richtigen Stelle zu stehen. - Oje, Lucas ist
traurig & sauer, da er doch so gerne mit seiner Mama ins Ziel gelaufen
wäre. Meine lieben beiden: wenn ihr mich lasst, dann vielleicht nächstes
Jahr wieder? Dann klappt's auch mit dem Zieleinlauf. Ihr habt mich so
gut begleitet und aufgemuntert und an schwierigen Stellen habt ihr mich
in Gedanken geschoben. Danke!
Was bleibt?
Es
war ein toller Lauf! Super organisiert, liebevoll betreut an allen
Stellen des Weges! Optimales Laufwetter (gnädiger Wettergott)! Der
Schleim ist viel besser als sein Name! Liebe Läufer, wer auch immer
Sorgen hat, als Flachlandtiroler den Rennsteig zu schaffen, den möchte
ich beruhigen!!! Wirklich! Es geht, und zwar gut!
Eure Monika aus Köln
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