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Letzte Änderung: 23.05.2008


Flachland-Tirolerin Monika hat alle Berge des Rennsteig bezwungen

Flachland-Tirolerin
am Rennsteig

 

 

 

 

 







 

 (Bericht+Fotos: Monika Krautwurst)


 

 

Vom Großstadtdschungel in den Thüringer Märchenwald

 


Ich hab`s geschafft!

Mein erster Ultra-Cross Lauf, der erste Landschaftslauf und das erste Mal jenseits der 63Km! Wahnsinn! Es ist schwer das Erlebte in Worte zu fassen und stündlich flackern neue erlebte Momente vor dem geistigen Auge auf. Aber der Reihe nach: Ein Stand auf der Marathonmesse in Köln im Okt 2007 weckte mein Interesse. Zwei „ältere Herrschaften“ betreuten den Stand des „Rennsteiglaufs“ und wir kamen ins Gespräch. Unvorstellbar für mich die Vorstellung 73km durch den Wald über Berg und Tal auf über 900 Hm zu durchqueren. Aber dies beiden vor mir Stehenden haben es schon zig mal geschafft! Beeindruckend! Ich hatte am Tag drauf meinen ersten 63Km Lauf zu bestehen aber ein Laufziel keimte schon auf: der Rennsteig.

Nach der Euphorie meines geschafften 1. Laufs jenseits der 42Km stand für mich fest: „Der Rennsteig ruft“. Über meine Mitmachen bei "Team Bittel" entstand ein netter Mailkontakt zu Manuela, und auch Erwin musste sich meine 1.000 Fragen anhören und war immer mit Rat & Tat beiseite. DANKE euch beiden!

Meine beiden Männer zuhause hatten Geduld mit mir und ließen mich meine Runden durch Köln ziehen. Woche für Woche fast autistisch lief ich brav nach einem Plan aus dem Internet: „In Würde ankommen“, wobei ich mich nicht immer dran halten konnte. Ich hasse Tempotraining, also lief ich lieber mal 20km statt 10km. Der Respekt vor der soooo langen Distanz war mein „Animateur“ ;-)  Auf jeden Fall kenne ich nun jeden Baum und jeden Grashalm in Köln, hat auch was für sich!

Eisenach, 16.05.2008

Zur Feier des Wochenendes mieten wir uns ein Wohnmobil und kommen guter Dinge in der schönen Stadt Eisenach an. Schnell finden wir ein gutes Plätzchen auf einem öffentlichen Parkplatz nahe der Bahn, der für die Teilnehmer des Laufs schon reserviert war (super Organisation), und los geht’s zur Startunterlagenausgabe. Lustig! Kein Gedränge, kein Massenandrang, sondern freundliche Menschen (so sind sie halt, die Thüringer) erwarten uns in der kleinen Tourist-Information. Alles ist hier sehr übersichtlich und perfekt organisiert. Draußen kriegt jeder eine Flasche Köstritzer mit Limo in die Hand gedrückt. Na das kann ja lustig werden. Wir verzichten auf die Kloßparty, die im Zelt gleich neben dem Start stattfindet, setzen uns lieber in ein Cafe auf dem Marktplatz und genießen die Sonnenstrahlen! Ja, das Wetter ist prima und für morgen ist zwar Regen aber 18°C angekündigt.


Unser Wohnmobil

 

17.05.2008, der Rennsteig ruft!

Die Nacht war kurz. Um 4 Uhr klingelt mein Wecker, aber ich habe super geschlafen, trotz der immer größer werdenden Nervosität. Wahrscheinlich lag der gute Schlaf an den Ouzos, die der freundliche Eisenacher Grieche uns gestern Abend noch im Restaurant aufdrängte. Ohje! Tolles "Carboloading". Ich drücke mir schnell 1 Banane und einen Powerbar rein, mehr geht nicht. Gut, dass ich keine Pulsuhr mithabe, mein Herz klopft bis zum Hals! Viele Ultraläufer pellen sich aus ihren Autos, Lieferwägen/Sprintern oder Wohnmobilen und pilgern teils ruhig, teils etwas lauter zum Start auf dem Marktplatz. Wahnsinn! Hier geht’s gleich los! Und wenn alles gut geht sehen wir uns in Schmiedefeld wieder!

Das Abenteuer beginnt

Der Startschuss!  Die Menge setzt sich langsam in Bewegung. Nach der Durchquerung der Einkaufsmeile geht’s direkt stramm bergauf! Oh Gott, die ersten gehen schon mal ein paar Schritte! Ich auch. Ob ich mich hier nicht doch übernehme? Das fängt ja heiter an. Kurz drauf treffe ich Manuela & Jörg, die mich aus meinen Sorgen reißen, und wir verbringen einige km miteinander. Jörg fotografiert fleißig und wir erzählen uns über Gott und die Welt. Die beiden sind ein so nettes eingespieltes Team, es macht Spaß mit ihnen zu laufen. Ab km12 beginnt es plötzlich zu regnen und wir legen doch besser die Regenjacken an. Es ist ja erst der Anfang des Laufes. Hoffentlich regnet es sich nicht ein. Aber unser sorgenvoller Blick hellt sich nach einiger Zeit wieder auf. Der Wettergott ist gnädig! - Die Zeit vergeht wie im Fluge. Die 1. Getränkestelle km7 ist vorbei. "Nach jeder Verpflegungsstelle geht’s bergauf!“, sagt Manuela schmunzelnd. Und sie hat Recht! Schon sind wir bei km17. Doch nun muss ich die beiden ziehen lassen und bestreite mein Abenteuer auf eigene Faust weiter. Der Weg wird immer unebener. Wir klettern über dicke Wurzeln, müssen aufpassen nicht zu fallen und mir fällt auf, dass ich diese Stelle schon in den Fotoberichten von Erwin gesehen habe! Plötzlich sehe ich meine beiden Betreuer. Torsten und Lucas haben es geschafft mit dem Wohnmobil bis Glasbachwiese zu kommen. Welch Freude! Lucas stürmt auf mich zu und rutscht prompt auf dem rutschigen Boden aus. Nix passiert zum Glück!  Jetzt geht es immer weiter bergauf. Es ist in der Tat so, dass die Anstiege i.d.R. gegangen werden. Ich wollte Erwin und den anderen nie glauben, aber so ist es! Wie eine Schar Lemminge schlängelt sich die Läuferschar den Thüringer Wald hoch. Das muss ein Bild sein. Irgendwie lauf /geh ich wie in Trance und gelange endlich zum Inselberg (km25), der mit 910 Hm die zweithöchste Stelle des Laufs ist. Welch Erleichterung! Geschafft. Der ältere Mann auf de Marathonmesse in Köln sagte mir damals:

„Das Schwierigste sind die ersten 25Km, danach ist das Schlimmste geschafft!“

Ob er Recht hat? Wir stürzen die steilen Stufen und den rutschigen Rest auf der anderen Seite des Inselberges runter. Hilfe, ich weiß nicht ob gehen oder fallen lassen das Beste ist, so rutschig ist es hier. Heil erreiche ich die Verpflegungsstelle Grenzwiese und Torsten und Lucas sind wieder da. Wie schööön! Hier gibt's den berühmt-berüchtigten Schleim. Neugierig probiere ich und: er schmeckt toll! Cola, süßer Tee und Limo sind so nicht mein Fall beim Laufen. Auch die Kohlensäure des Wassers finde ich nicht so toll, aber der Schleim ist eine Wohltat! Weiter geht's. Natürlich wieder bergauf. Aber irgendwie scheint es jetzt längere Zeit relativ eben zu laufen. Ich hänge meinen Gedanken nach und betrachte mir den Wald. Wie im Märchenwald: die Wiese reicht bis dicht an die Bäume heran, auf den Lichtungen fehlt nur noch das Reh und ein Hexenhaus. Bald kommt die Ebertswiese. Km 37,4 Halbzeit (quasi). Sie liegt in einem Tal und wir fallen freudig auf sie zu. Hier bemerke ich auch die Wanderer, teils mit Stöcken, teils ohne. Sie teilen sich den Weg mit uns. Aber irgendwie geht's mir nicht gut. Ich glaube ich hab zu viel getrunken. Meine Hände sind geschwollen und ich muss mir den Schleim und das Wasser reinzwängen. Gut, dass es jetzt wieder bergauf geht (klar, nach er Verpflegung…).
 


Es läuft noch gut...

...aber es wird immer schwieriger!

Ich kann nicht mehr!

Mir fällt ein Mitläufer auf, den ich immer wieder treffe. Mal überholt er mich, mal ich ihn. Er läuft mit Musik im Ohr. Komisch denke ich, hier in der Natur, aber so hat jeder seine Motivationshilfe. Auf jeden Fall freu ich mich immer ein bekanntes T-Shirt zu treffen. Aber so ist es wohl. Immer wieder kommt man kurz ins Gespräch mit seinen Mitläufern. So treffe ich einen älteren Herren, der schon zum 32. mal startet, aber schwört, dass es nun sein letztes Mal sein wird, „diese Plackerei“. Ich empfinde Hochachtung vor seiner Leistung und möchte ihn am liebsten drücken, weil es mir so leid tut, dass er im Moment so entnervt ist. Mir geht's wieder gut. Eine weitere skurrile Begegnung Minuten später. Ich treffe auf einen Läufer in MBT-Schuhen. Da ich weiß wie gewöhnungsbedürftig das Laufen in diesen Schuhen ist und man damit ja höchstens „rolltrabt“ (die laufende Fortbewegung mit denselben) muss ich ihn ansprechen und erfahre, dass er schon seit heute Nacht unterwegs ist und in Schmiedefeld genau 100 Km unterwegs ist. Verrückt! Ich denke an den Spruch:

“Niemand ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren findet, der ihn versteht!“

In der Tat treffe ich während des langen Weges (Erwin verglich den Lauf mit dem Leben in all seinen Facetten) noch einen Barfssläufer und Läufer in Trekkingsandalen, mit Hund, mit Bart, mit Mütze, mit Hut. Genau! Wie das Leben! So vergeht die Zeit, und schon ereiche ich den Grenzadler bei km54. Kurz vorher gesellte sich eine Frau zu mir und wir geraten ins Quatschen. Auch der Mann mit der Musik im Ohr taucht an der „Futterstelle“ auf und wir 3 teilen die nächsten Km miteinander!


Verpflegung km55 am Grenzadler (in der Mitte Erwin mit Hut)

Der Schleim ist viel besser als sein Name!

Brote mit Schmal, Käse, Wurst? - Ich lieber nicht.

Es ist für uns alle der 1. „Rennsteig Supermarathon“. Unterbrochen wird der Weg nur durch die zig „Pinkelpausen“ die für mich nervende Normalität sind. Km55 und ich hätte nie gedacht, dass es mir noch so gut gehen könnte. Klar, die Muskeln melden sich, aber keine Blasen, kein Krampf. Und mein Fuß, der im Vorfeld mein Sorgenkind war ist brav, alles o.k. - „Nur“ noch 18 Km – das müsste doch zu schaffen sein. Der Weg wird immer steiler, führt über das Rondell zum Grossen Beerberg, dem höchsten Punkt der Laufs. Wie hab ich ihn herbeigesehnt. Auch dieser Anstieg wird von uns im ständigen Wechsel zwischen Gehen & Laufen („Jöggeln“) bewältigt. Am höchsten Punkt feuert uns ein einsamer Radfahrer an, wir sollten in die Hocke gehen, jetzt würde es nur noch bergab gehen! Super, der Gedanke, aber langsam reicht's auch! Aber richtig. Die letzten 10Km gehen „gefühlt“ und real nur noch bergab. Danke Rennsteig. Wir lassen es rollen so gut es geht! Der Mann mit der Musik im Ohr, meine Mitläuferin ohne Namen (wir haben uns alle nicht nach unserem Namen gefragt, auch verrückt), noch ein Mitstreiter und ich rennen fast zusammen in Kolonne ins Ziel und fallen uns in die Arme!


Lucas traurig, Moni glücklich
 

Geschafft. Hurra !!!!!!!! - 73 Km, ich glaub es nicht !!!  

Danke, ihr  netten unbekannten Wegbegleiter! Unter den Bedingungen dieses Laufes ist jeder Begleiter, wenn es passt, ein Stück weit Lebens-Weg-Begleiter. Vielleicht sehen wir ns nächstes Jahr wieder! Freudig treffe ich im Ziel auch auf Manuela & Jörg, die beide etwas früher da waren. Welch eine Freude! Ich leihe mir ein Handy um Torsten & Lucas zu kontaktieren. Sie warten an der Marathonstrecke kurz vor dem Zieleinlauf, dachten an der richtigen Stelle zu stehen. - Oje, Lucas ist traurig & sauer, da er doch so gerne mit seiner Mama ins Ziel gelaufen wäre. Meine lieben beiden: wenn ihr mich lasst, dann vielleicht nächstes Jahr wieder? Dann klappt's auch mit dem Zieleinlauf. Ihr habt mich so gut begleitet und aufgemuntert und an schwierigen Stellen habt ihr mich in Gedanken geschoben. Danke!

Was bleibt?

Es war ein toller Lauf! Super organisiert, liebevoll betreut an allen Stellen des Weges! Optimales Laufwetter (gnädiger Wettergott)! Der Schleim ist viel besser als sein Name! Liebe Läufer, wer auch immer Sorgen hat, als Flachlandtiroler den Rennsteig zu schaffen, den möchte ich beruhigen!!! Wirklich! Es geht, und zwar gut!


Eure Monika aus Köln

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