Der große Rennsteig
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Ruckzuck,
ein Jahr ist vergangen. Mensch, wie die Zeit vergeht. 2010 bin ich den
kleinen Rennsteig gelaufen (Halbmarathon).
Es war ein tolles Erlebnis mit dem Ergebnis, dass ich mich sofort für
2011 angemeldet hatte. Und dann für den "langen Kanten". |
Liebe Läuferfamilie,
nun war es soweit. Ich hatte mich ganz gut vorbereiten können. Ich
bin viele Kilometer im Training gelaufen und auch mental hatte ich
mich eingestellt. Von verschiedenen Seiten bekam ich Erfahrungstipps
und Motivationen. Leider konnte mein Lauffreund Jörg nicht
mitkommen. So war ich während des Laufens auf mich alleine gestellt.
Mit Team Bittel Petra und der Chemnitzerbande wollte ich mich am
Startplatz treffen und wir wollten zusammen loslaufen. Natürlich
sind das alles alte Hasen und sie fliegen dann über den Rennsteig.
Eine Arbeitskollegin von mir ist auch Läuferin und wie es der Zufall
will, wollte sie mit ihrem Lebenspartner auch den Supermarathon
bezwingen. So blieb es nicht aus, dass wir uns jeden Tag gegenseitig
motivierten und uns Mut zusprachen. Dann war der Tag gekommen. Mein
Mann Markus war für die 17km Wanderung angemeldet und nahm unseren
Hund mit. Eine Freundin wollte ihn begleiten, doch leider musste sie
wegen Magen-Darm-Beschwerden absagen. So war auch mein Mann auf sich
allein gestellt. Aber dies ließ uns nicht von unseren Plänen
abbringen und wir freuten uns auf unser Vorhaben. Wieder fuhren wir
bereits am Freitag los, holten die Startunterlagen für mich in
Eisenach und für Markus in Oberhof. Dann ging es weiter nach
Schmiedefeld auf die Läuferwiese. Wow! Was war denn hier los? Durch
das schöne Wetter und die warmen Temperaturen waren viel mehr Läufer
als Camper unterwegs wie im letzten Jahr. Wir fanden unser
Plätzchen, bauten unser Zelt auf und... HALLO LIEBE
RENNSTEIGLÄUFERFAMILIE, wir freuen uns Euch alle wieder zu
sehennnnnnnnnnn !!!!! Ach wie schön. Jetzt schon Gänsehaut und ein
großes Grinsen im Gesicht. - Zuerst trafen wir Petra. Sooooo lange
haben wir uns nicht gesehen. Nur Emails und Telefonkontakt, da
mussten wir uns so richtig herzlich drücken. Wir verabredeten uns am
Startort um zusammen loszulaufen und dann abends die große Party
gemeinsam zu genießen. Kurzes Hallosagen der restlichen
Chemnitzerbande und dann ging es daran, das Abendessen zu
organisieren. Wir holten uns eine Thüringer Bratwurst und natürlich
ein Schwarzbier. So gestärkt, suchten wir unseren Schlafplatz auf,
denn es sollte früh losgehen. Start war in Eisenach um 6 Uhr.
Um 3.30 Uhr fuhren die Busse von Schmiedefeld nach Eisenach. 90
Minuten Fahrt, da konnte man noch ein bisschen dösen. In Eisenach
angekommen war genug Zeit, um sich umzusehen und ein paar Fotos zu
machen.
Auf dem Marktplatz |
Die Start-Crew |
Meine Startcrew hatte ich gefunden und so langsam machte sich die
Aufregung bei mir breit. Mensch, das hast du doch geübt. Tief ein-
und ausatmen. Ommmmmm! Na, das hat aber schon mal besser
geklappt. Es war schon 5 Minuten vor 6 Uhr.
Die Turmuhr, ich bin nicht alleine aufgeregt |
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Der Hubschrauber flog über uns hinweg. Dann der Countdown, noch
schnell alle Chemnitzer abgeklatscht, und ab ging es. Langsam musst
du laufen. Lass dich auf nichts ein. Immer wieder sagte ich diesen
Satz vor mich hin. Viele rannten wie Gestörte an mir vorbei. Aber
ich dachte mir, das kennen wir ja... Nachher sehe ich euch irgendwo
keuchend stehen. Kurz ging es durch Eisenach, viele anfeuernde Fans
standen an den Seiten. Unglaublich für diese Uhrzeit, der Wahnsinn!
Dann ging es in die Landschaft und bergauf. Der erste Stau ließ
nicht lange auf sich warten, der Waldweg ist zu schmal um der
Läufermasse Herr zu werden.
Der erste Stau |
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Mein Plan war, mich von Getränke- bzw. Verpflegungsstelle zur
nächsten zu hangeln, gar nicht groß an die Kilometer zu denken. Wie
sagte Bernhard Sesterheim, nicht 1 x 100km sondern 100 x 1km. Also
immer kleine Strecken-Häppchen. Der Weg schlängelt sich durch Wald
und Wiesen, bergauf und bergab, über Wurzeln oder geschotterte
Stücke.
Trailing |
Das ist doch Evi? |
Oh, wer ist denn das da vorne? Oranges Shirt, kurze Hose, mit
braunen Locken.. Mensch, das ist doch Evi von WKW
(wer-kennt-wen.de) .
Mit flotterem Schritt arbeite ich mich zu Evi vor. Tatsächlich,
das ist sie! Wie schön, dass ich sie getroffen habe und
persönlich kennenlernen durfte. Nach einem kleinen Schwätzchen,
trennten uns unsere Wege, um zu späterem Zeitpunkt sich wieder
zu kreuzen. So ging es mir mit vielen Läuferinnen und Läufern.
Auf der ganzen Strecke lernte ich so viele nette, mir vorher
fremde, Menschen kennen. Das war unglaublich. Jeder unterhält
sich mit jedem, alt mit jung, Frau mit Mann, Erfahrene mit
Neulingen. Man erzählt sich seine Geschichte und von den Zielen
die man hat. Fantastisch! Das ist ein Phänomen, das ich nie
wieder missen möchte. So etwas gibt es nicht bei einem
Stadtmarathon. Auch möchte ich gar nicht vorne bei den Flitzern
dabei sein. Die sehen nichts von der tollen Landschaft und
kennenlernen tun sie auch niemanden. So vergeht Kilometer für
Kilometer, Zeitgefühl völlig vergessen. Die Stimme da hinten
kennst du doch? Na das ist ja ein Ding, da is Erwin mit Herbert!
Und natürlich wieder hunderttausend Weiber um sie herum. Hahaha,
alles lacht und erzählt. So ist das, wenn Erwin unterwegs ist.
Wir unterhalten uns kurz und... husch, husch sind sie weit vor
mir.
Da
vorne, der Dundee-Hut-Erwin! |
Steil geht es bergauf zum Inselsberg... |
Geschafft, Km25! |
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Der Anstieg war ganz schön happig. Aber ich walke immer bergauf, wie
es Petra gesagt hat: "bergauf walken, bergab lass es rollen und so
lange es möglich ist, geradeaus laufen". Ok, so wird's gemacht. Oben
auf dem Inselsberg ist es eine herrliche Aussicht. Aber ich halte
mich nicht lange auf. Ich erinnere mich, in jedem Laufbericht steht:
Achtung nach dem Inselsberg, es geht steil runter, man muss
vorsichtig laufen. Und tatsächlich, so ist es. Steil die Stufen
hinunter und dazu noch ein Baum mitten im Weg, also ist Vorsicht
geboten. Bei der nächsten Getränkestelle steht auch ein "Kultpäarchen":
Die zwei Männer begrüßen jeden Läufer mit ihrem Horn.
Kultpäarchen, in jedem Laufbericht erwähnt |
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Ebenso wie bei einer Getränkestelle ein Mann jedem Läufer/in
seine/ihre Läuferposition vom großen Läuferfeld bekanntgibt.
Unglaublich! Was für ein Gedächtnis und welche Anstrengung er auf
sich nimmt. Ich war sehr gerührt und jeder Läufer, auch vor mir,
nahm die Information mit Freude an. Auch der Mann mit der Trompete,
eine Kultfigur. In jedem Laufbericht wird er erwähnt. Nun durfte ich
ihn mal live hören.
Für uns hat er gerne noch einmal posaunt |
Da, die Ebertswiese: Die Hälfte ist geschafft. Klasse! |
Nächstes Ziel ist der Grenzadler bei Km55. Was hat mir Jörg gesagt?
Wir müssten ein bisschen schneller sein, als letztes Jahr in Ulm.
Hm, das klingt mir noch immer im Ohr. Dann lerne ich Günther, den
Ultraläufer kennen. Wir unterhalten uns, er erzählt mir von seinem
Vorhaben im August, den Ultra-Trail du Mont Blanc 166 km. Oh mein
Gott! Für mich unvorstellbar. Was für eine Distanz. Aber er sprach
mir Mut zu und dass ich super gut in der Zeit liege. Na das war ein
Wort.
Ahhhhh, km40! |
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Dann nach KM 40 Donnergrollen. Na super. Der Wegverlauf ist jetzt
durch ein freies Wiesenfeld und es schüttet aus Eimern.
Brrr, es regnet wie aus Eimern |
Es wird mir kalt. Die Regenjacke habe ich nicht mitgenommen, aber
schnell ziehe ich meine Armlinge an. Das hilft ein bisschen und bald
ist auch wieder Wald in Sicht. Der Regen hat aufgehört. Etwas nass
und leicht angefroren laufe ich weiter. Nein du dummes Wetter, du
besiegst mich nicht. Meine Motivation ist weiter sehr stark.
Km50 ja! |
Grenzadler |
Da, da ist der Grenzadler KM 55. Und? Supi, tatsächlich besser als
in Ulm. Jörg ich habs geschafft, dachte ich mir.
Ok, nächstes Zwischenziel erreicht. Evi hatte zu mir gesagt: " Du
musst deine Kräfte gut einteilen. Und wenn du bei Km65 noch gut
drauf bist, dann lauf und lass es rollen."
Km60, ich laufe mit Karl-Heinz |
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Ok, dann schauen wir mal was bei Km65 ist. Eine lange Strecke lief
ich mit Karl-Heinz zusammen. Er ist 74 und läuft den Supermarathon.
Ich bewundere ihn. Bei geraden und bergab Wegen versuchen wir zu
laufen. Ab und zu klappt es gut, aber ab und zu walken wir einfach
und schnattern wie zwei Hühner. Hahahaha, es war eine herrliche
Zeit. Auch den höchsten Punkt des Laufes " Großen Beerberg" hatten
wir mittlerweile hinter uns gelassen.
Mensch, da hatte ich 2010 beim Halbmarathon gestanden und
ein Wanderer hatte für mich ein Foto geschossen. Ich
erinnere mich noch genau. |
Km65: Nicht mehr weit |
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Doch dann überkam es mich. Es ging bergab und ich lief los.
Karl-Heinz blieb hinter mir und walkte weiter. Ein langer Weg
schlängelte sich bergab. Es läuft, tirili! Dann der letzte Anstieg.
Komisch, ich dachte es geht nur noch bergab? Aber ich erinnerte mich
vom letztem Jahr beim Halbmarathon, da war auch dieser Anstieg. Da
vorne läuft doch wieder ein Mehrfach-Rennsteigler und walkt so
richtig mit den Armen. Oh, das versuche ich jetzt auch. Turbogang
einlegen und ab. Das klappt fantastisch.
Km70: Freu hüpf hüpf! |
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Da KM70 bald habe ich es geschafft! Ich höre schon die
Lautsprecherstimme ganz dumpf. Kräftig walke ich und dann laufe ich
wieder los. Es kann nur noch 1,5 Kilometer sein.
Km72: Lauf, Susan, lauf! |
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Da, km72! Ach ja, stimmt, noch 700 Meter. Noch ein paar Schlenker
durch Schmiedefeld. Ich überhole noch einen armen Tropf. Sein Akku
ist vollkommen leer, sagt er. Er kann nicht mehr. Armer Kerl! Aber
er schleppt sich mit letzter Kraft ins Ziel. Ich laufe vorbei und
höre den Lautsprecher deutlich. Zielgerade! Tatsächlich, da stehen
noch Menschen und applaudieren. Ich werde von der Moderatorin
aufgerufen, die Menschen an den Seiten puschen mich ins Ziel mit
lauten Rufen und Geklatsche, sodass ich sogar noch etwas schneller
werde. Ich hebe die Faust: Sieg! ...und reiße beide Arme vor Freude
in die Luft.
Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa, geschafft! Ich bekam meine Medaille umgehängt
von einem freundlich, lächelnden Mädchen. Das ist die Medaille mit
dem "grünen" Band. Die, die immer so viele bei der Schmiedefeldparty
tragen. Mensch, ich habe es geschafft. Ich war überglücklich, Markus
nahm mich in Empfang. Nachdem ich meinen Kleiderbeutel und mein
Finishershirt abgeholt hatte, wollten wir unser Schwarzbier trinken.
Doch auf einmal merkte ich, wie mein Kreislauf nicht mehr so wollte
wie ich und mein Magen sich auch nicht so toll anfühlte. Tja, wieder
einen Fehler gemacht. Auf der ganzen Strecke hatte ich nur ein
Butterbrot gegessen und von Gel, Äpfeln und Getränken gelebt. Der
"Schleim" ging nicht so an mich und Bockwürstchen und Knacker esse
ich zuhause schon nicht, wie soll ich sie dann bei Anstrengung
essen? Nachdem ich in unserem Autozelt meine Brühe getrunken und ein
paar Salzstängel gegessen hatte, ging es mir langsam besser. Auch
unsere Chemnitzerbande schimpfte mit mir: "Du musst was essen auf so
einer langen Strecke". OK, werde zuhause üben, Haferschleim zu
trinken, damit ich nächstes Jahr den Nährsaft auch trinken kann.
Nächstes Jahr? Na klar, angemeldet habe ich mich am Tag danach, als
wir wieder zuhause angekommen waren. Ich bin verrückt? Stimmt!!!
Rennsteigverrückt. Solch ein Feeling möchte ich wieder haben. Ich
freue mich schon, wieder alle Rennsteigler wieder zu sehen.
Und als Punkt obendrauf hat sich Markus für 2012 beim Halbmarathon
angemeldet. Vom Rennsteig-Virus verseuchte Familie :-)
Auf zum nächsten Abenteuer...
(Foto: Erwin Bittel) |
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Eure Susan
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Erwins Bericht
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